Keine Floskel: Der Norweger Karl Ove Knausgård polarisiert die Literaturwelt. Für die einen hat er mit seiner sechsteiligen „Min kamp“-Reihe ein faszinierendes Universum erschaffen, in dem sich alles nur um ihn dreht. Die anderen waren von der rasenden Egomanie, mit der ein Mann sein eigenes Leben in Literatur verwandelt, eher gelangweilt oder gar abgestoßen. Danach hat Knausgård eine Tetralogie publiziert, die dem Rhythmus der Jahreszeiten folgte. Ein Mann, der also in großen Dimensionen denkt und der nicht den Hauch von Angst vor einem möglichen Vorwurf der Gigantomanie haben dürfte.
Was geschieht, wenn dieser Schriftsteller sich mit dem Werk eines bildenden Künstlers auseinandersetzt, der sowohl in der Wahl seiner Materialien als auch im eigenen Anspruch nicht weniger groß, nicht weniger ambitioniert ist? „Über Anselm Kiefer und seine Kunst“, so lautet der Untertitel von Knausgårds neuem Buch, und siehe da – Knausgård bezeugt seine Faszination für Kiefers Schaffen nicht durch ein selbstbewusstes Tönen. Er wird still, wie er selbst es ausdrückt. Der ständig lachende Kiefer aber bleibt für Knausgård zunächst ungreifbar, was nicht nur an den verschiedenen, nahezu konträren Ansätzen der Gesprächspartner liegt. Während Knausgård aus dem Fundus des Privaten, des Persönlichen schöpft und sich dabei bis ins Mikrodetail ergeht, greift Kiefer nach den ganz großen Themen: Krieg, Holocaust, Zerstörungen der Natur.
Knausgård hat Kiefer mehrfach getroffen; aus diesen Begegnungen unterschiedlicher Art erwächst dem Autor die Frage, wie dieser Künstler und sein Werk zusammenpassen könnten. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist kein Denkmalsturz. Vielmehr ist „Der Wald und der Fluss“ ein Annäherungsversuch und ein Nachdenken über das rätselhafte und zugleich sehr bodenständige Werk des in Donaueschingen geborenen Künstlers. Anselm Kiefer und seine Ästhetik, so eine Erkenntnis des so faszinierenden wie unterhaltsamen Buchs, seien nur im Kontext seiner heimatlichen Prägungen zu verstehen. Der Schwarzwald und die Donau spielen jedenfalls in fast allen Schaffensperioden Kiefers eine zentrale Rolle.
Buchkritik Karl Ove Knausgård – Der Wald und der Fluss
In seinem neuen Buch „Der Wald und der Fluss“ versucht Karl Ove Knausgård seiner Faszination für das Werk des Malers und Bildhauers Anselm Kiefer auf die Spur zu kommen.
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Die SWR Bestenliste im Januar 2024 war zu Gast im Karlsruher Prinz-Max-Palais. Es wird diskutiert über Bücher von Barbi Marković, Jan Wagner, Paul Auster und Karl Ove Knausgård.
Buchkritik Karl Ove Knausgård – Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit
Fünf Ich-Erzähler tragen den im doppelten Sinn fantastischen Roman von Karl Ove Knausgård: „Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit“. Die Schicksale von Syvert, einem Bestattungsunternehmer aus Norwegen, Alevtina, einer russischen Evolutionsbiologin und Wald-Forscherin, und Vasilisa, einer Schriftstellerin, die sich mit der Idee der Auferstehung befasst, stehen unter demselben, unheimlichen Stern. Tatsächlich geht es um nichts Geringeres als um den alten Menschheits-Traum von Unsterblichkeit und die transhumanistische Vision, die Menschheit könne über die Natur und damit auch den Tod triumphieren.
Rezension von Kirsten Voigt.
Aus dem Norwegischen von Paul Berf
Luchterhand Verlag, 1.056 Seiten, 30 Euro
ISBN 978-3-630-87635-1
Literatur SWR Bestenliste Dezember
Die SWR Bestenliste empfiehlt seit über 40 Jahren verlässlich monatlich zehn lesenswerte Bücher, unabhängig von Bestsellerlisten. Nicht die Bücher, die am häufigsten verkauft werden, bestimmen die Liste, sondern eine Jury, bestehend aus 30 namhaften LiteraturkritikerInnen, wählt die Bücher aus, denen sie möglichst viele LeserInnen wünscht.