Militärgeschichte

Tiere im Krieg: Von haarigen Helden und armen Schweinen

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Autor/in
Franziska Kiedaisch
Franziska Kiedaisch, Autorin und Redakteurin, SWR Kultur

Der Einsatz von Tieren als Kriegswaffe hat eine lange Tradition. Hannibal zog auf Elefanten gegen Rom. Pferde, Hunde, Tauben dienten militärischen Zwecken und wurden zugleich als Maskottchen oder Kriegshelden verehrt. Auch heute spielen Tiere im Krieg eine Rolle.

Tiere im Krieg  Britische Pferde 1918
Acht Millionen Pferde, so eine Schätzung, sollen allein im Dienst der britischen Armee im Ersten Weltkrieg gestorben sein. Um die Tiere gegen tödliche Gasangriffe zu schützen, werden sie mit Gasmasken ausgerüstet. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg Brieftauben 1916 französische Soldaten
Brieftauben (das Bild zeigt französiche Soldaten im Jahr 1916) waren für lange Zeit das wichtigste Kommunikationsmittel im Krieg. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg  Hund als Nachrichtenüberbringer im 1. WK
Meldehunde wurden neben Brieftauben ebenfalls zur Übermittlung von Nachrichten im Ersten Weltkrieg eingesetzt. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg  GI Jo die erste geehrte Taube
Symbolträchtig: Die amerikanische Brieftaube GI Joe zählt zu den bekanntesten Vögeln der Welt. Nachdem sie im Zweiten Weltkrieg durch die schnelle Übermittlung einer Nachricht dazu beitrug, dass britische Soldaten nicht durch einen amerikanischen Luftangriff verletzt wurden, erhält GI Joe 1946 die britische „Dickin Medal“, die seit 1943 an Tiere verliehen wird, die im Krieg besonderes geleistet haben. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg Sergeant Stubby the Dog
Auch andere Tiere erhalten hohe militärische Ehren: So etwa der amerikanische Bullterrier-Mischlingsrüde Stubby, der für seine Verdienste im Ersten Weltkrieg sogar den Rang eines „Sergeants“ erhielt. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg  Deutsche Soldaten mit Esel und Gasmaske im 1. WK
Im Ersten Weltkrieg wurden nicht nur Pferde, sondern auch Esel oder Maultiere mit Gasmasken ausgestattet. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg  Maultier in Belgien 1. WK
Maultiere übernahmen im Ersten Weltkrieg vor allem Lastenträgeraufgaben, wie dieses Bild aus Belgien anschaulich macht. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg  Delfin US Navy
Delfine und andere Meeressäuger wurden im Kalten Krieg zu Spionagezwecken, aber auch zur Platzierung von Bomben oder zur Bewachung von Hafeneinfahrten von den USA und der Sowjetunion eingesetzt. Russland nutzt Delfine nach wie vor für militärische Zwecke, vermutlich zur Überwachung von Hafeneinfahrten, wie Satellitenbilder nahelegen. Bild in Detailansicht öffnen
Tiere im Krieg  2022 US-Armee
Bis heute werden Tiere im Krieg aber auch zu Kameraden. Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2022 und zeigt einen amerikanischen Militärhund vor einem Hubschrauberflug. Bild in Detailansicht öffnen

Dutzende von Tierarten im Einsatz

Bereits der kathargische Heerführer Hannibal nutzte Elefanten für seine legendäre Alpenüberquerung, um in den Krieg zu ziehen. Im Laufe der Jahrhunderte dienten Millionen von Pferden, Eseln, Hunden und Tauben dem Menschen für militärische Zwecke.

Als unfreiwillige Verbündete werden sie nicht nur für den Transport von Gütern und Soldaten genutzt, sondern auch zu aktiven Kriegsteilnehmern gemacht. Sie sind bis heute Spür- oder Wachhunde, übermitteln Nachrichten und werden für Spionagezwecke eingesetzt.

Tiere im Krieg  Kolorierte Aufnahme der Deutschen Armee 1917
Diese kolorierte Aufnahme zeigt deutsche Soldaten, die im Jahr 1917 Tauben zu einer Brieftaubenstation nahe der Frontlinie bringen. Wegen möglicher Gasangriffe wird ein entsprechender Schutzbehälter mitgeführt.

Hunde als Sprengkörper, Tauben als Seuchenüberträger

Einige weniger geläufige Beispiele: Im Ersten Weltkrieg dienten Glühwürmchen als Lichtquellen, Schnecken sollten den Einsatz von Senfgas nachweisen und Delfine betreiben seit dem Kalten Krieg Spionage.

Bis heute werden sie vermutlich von Russland eingesetzt, um Hafeneinfahrten zu bewachen – das legen zumindest Satellitenaufnahmen aus Sewastopol nahe, die Unterwasserkäfige zeigen. Die Anzahl der Käfige soll sich laut britischem Verteidigungsministerium im vergangenen Jahr fast verdoppelt haben.

Kriegsheld, Kamerad und Projektionsfläche

In der Vergangenheit wurden Hunde sogar zu mobilen Sprengkörpern, Brieftauben zusätzlich mit ansteckenden Krankheiten infiziert, die zur Dezimierung des Gegners führen sollten und immer wieder dienten Tiere den ausgehungerten Soldaten auch als Nahrung.

Bei all den Grausamkeiten, die der Mensch dem Tier im Kriegseinsatz zumutet, werden im kollektiven Gedächtnis einzelne Tiere aber auch zu Helden.

Die Brieftaube Winkie etwa, die nach einem Flugzeugabsturz 1942 dazu beigetragen hat, dass vier britische Soldaten gerettet werden konnten.

Oder der Kater Sam, der als „Unsinkable Sam“ in die Annalen der Marinegeschichte einging. Er war nicht nur eine Schiffskatze, die an Bord für rattenfreie Zustände sorgen sollte, sondern erhielt während des Zweiten Weltkriegs den Status eines Maskottchens für die britische Marine und wurde im Anschluss zur Legende. Insgesamt drei Schiffsuntergänge überlebte der Kater – zuerst auf deutscher, dann auf britischer Seite.

In Anbetracht dessen, dass nur wenige Besatzungsmitglieder ihr Leben retten konnten, war Sam sicher auch eine Art Projektionsfläche und Sinnbild für die Hoffnung selbst während des Kriegs.

Denkmal für Tiere im Krieg London
Das „Animals in War Memorial“ in London wird 2004 in Gedenken an die Tiere eingeweiht, die unter britischem Kommando dienten, verletzt oder getötet wurden. Es trägt die Inschrift „They had no choice“ („Sie hatten keine Wahl“).

Das Tier als Freund und Helfer – auch oder gerade in Kriegszeiten

Geschichten wie jene von „Unsinkable Sam“ oder der Brieftaube Winkie sind es, die die Menschen ergreifen und von dem Tier als Freund und Helfer sprechen lassen. In London erinnert ein eigenes Denkmal an ihren Einsatz im Krieg.

Auch Auszeichnungen für „tierische Kameraden“ zeugen von der Wertschätzung. In England gibt es gar ein militärisches Dienstkreuz für Tiere.

Die Beziehung zwischen Mensch und Tier ist im Krieg eine Besondere. So war beispielsweise der Schimmelhengst Marengo für seinen Besitzer Napoleon so wertvoll, dass es englischen Soldaten angemessen erschien, das Pferd bei der Schlacht von Waterloo zu erbeuten, außer Landes zu bringen und auf diese Weise den Franzosen zu demütigen.

Tiere im Krieg  Royal Airforce im 2. WK
Tier und Mensch als Kameraden: Dieser Soldat der Royal Airforce posiert im Zweiten Weltkrieg mit einem Hund.

Tiere werden zu Kameraden

Tierische Kriegshelden bekommen Namen und werden zu Kameraden. Malin Gewinner, die zum Thema das Buch „Die Anthropomorpha: Tiere im Krieg“ geschrieben hat, erklärt das gegenüber SWR2 im Jahr 2017 wie folgt:

„Sie bilden eine Art Opfergemeinschaft. Beide, Mensch und Tier, befinden sich in einer Situation, in der sie sich lieber nicht befinden wollen. Beide sind einer Gefahr ausgesetzt und beide müssen Befehle befolgen.“

Tiere im Krieg  Minensuchhund Patron als Held
Minensuchhund „Patron“ wird in der Ukraine und im Internet gefeiert. Im Mai 2022 erhält er von Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Verdienstorden, im September 2022 folgt eine eigene Briefmarken-Kollektion.

In der Ukraine wird ein kleiner Hund zum Helden

Diese enge Verbindung zwischen Mensch und Tier ist es auch, die einen kleinen Hund zum Kriegshelden in der Ukraine macht.

Der Minensuchhund „Patron“ bekam im Mai 2022 von Präsident Wolodymyr Selenskyj den Orden „Für selbstlosen Dienst“ verliehen. Mehr als hundert Sprengfallen soll der Jack-Russell-Terrier aufgespürt haben. Auch das Netz feiert „Patron“: Ein entsprechender Instagram-Account hat inzwischen mehr als 400.000 Follower.

Wird der Mensch zum Tier im Krieg? Oder das Tier zum Menschen?

Bis heute werden Tiere für militärische Zwecke eingesetzt. Das Militärhistorische Museum in Dresden widmet den Tieren im Krieg gar eine eigene Sektion in der Dauerausstellung.

Doch was sagt es über den Menschen aus, dass er Tiere seit Jahrhunderten in den Krieg schickt? Welche Mensch-Tier-Beziehung wird hier greifbar? Malin Gewinner beantwortet diese Frage bei SWR2 philosophisch:

„Die Tiere werden in Kriegszeiten dem Menschen ähnlicher. Man sagt, der Mensch würde im Krieg zum Tier, aber meine These ist, dass es umgekehrt ist: Also das Tier wird zum Mensch.“

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Buchkritik Christine M. Korsgaard - Tiere wie wir. Warum wir moralische Pflichten gegenüber Tieren haben

Auch Menschen sind Tiere, lautet die provokante, aber philosophisch untermauerte These von Christine M. Korsgaard. Die Harvard-Professorin für Philosophie leitet daraus ein engagiertes Plädoyer gegen Massentierhaltung und Tierversuche ab.
Rezension von Eva Karnofsky.
Aus dem Englischen von Stefan Lorenzer
C.H. Beck Verlag, 346 Seiten, 29,95 Euro
ISBN 978-3-406-76545-2

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