Gefährte, Nationalsymbol, Serienheld

Der Deutsche Schäferhund: Zwischen Rassenwahn und Kommissar Rex

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Autor/in
Franziska Kiedaisch
Franziska Kiedaisch, Autorin und Redakteurin, SWR Kultur

Vor 125 wird in Karlsruhe der Verein für Deutsche Schäferhunde gegründet. Seither wird die Hunderasse wie keine andere mit Klischees belegt, sei es als nationales Symbol, Spielball zwischen den Fronten oder als Serienheld „Kommissar Rex“. Dabei beginnt seine Geschichte mit Deutschtümelei, Rassenideologie und militärischer Härte.

Nicht weniger als eine Superhunderasse schwebt dem preußischen Rittmeister Max von Stephanitz (1863–1936) vor, als er am 22. April 1899, vor 125 Jahren, gemeinsam mit seinen Gefährten in Karlsruhe den Verein für Deutsche Schäferhunde gründet.

Sowohl ein Arbeitstier als auch Gefährte soll diese neue Hunderasse sein. Ein Hütehund, der neben Nutztieren auch Hab, Gut und Besitzer beschützt. Angst sollte das Tier machen, als Schoßhund jedenfalls ist der Schäferhund von Beginn an nicht gedacht. Und vor allem eins soll er sein: reinrassig.

Stephanitz ist nicht nur ein adeliger Hundenarr, sondern auch ein glühender Nationalist. Sein eigener Rüde, dem er den aristokratisch klingenden Namen Horand von Grafrath gibt, erhält die Nummer 1 des Zuchtbuchs und gilt damit als Vater aller Deutschen Schäferhunde.

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Ein Schoßhund sollte der Deutsche Schäferhund von Beginn an nicht sein. Vielmehr wollte Max von Stephanitz ein Arbeitstier züchten.

Unnötige Grausamkeit, militärische Härte und Rassenwahn

Seine Vorstellung vom idealen Hund schreibt Stephanitz 1921 im Werk „Der Deutsche Schäferhund in Wort und Bild“ nieder. Bei der Selektion von Welpen legt der Züchter unnötige Grausamkeit an den Tag, wenn er vorschlägt, sich „der zum Tode geweihten Überzähligen (…) am einfachsten (zu entledigen), indem man sie von der Höhe des ausgestreckten Armes kräftig auf einen Steinboden oder eine Wand wirft“.

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Der Schäferhund als Begleiter des Militärs: Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg besitzen bekannte Heerführer Deutsche Schäferhunde, so auch Reichspräsident Paul von Hindenburg.

Im Zeitalter von Sozialdarwinismus, Eugenik und Rassenlehre scheint es Stephanitz nicht abwegig, die Ideen der Hundezucht auch auf den Menschen zu übertragen. Es ist ein abstoßendes Dokument: „Wir können unsere Schäferhundezucht recht wohl mit der menschlichen Gesellschaft vergleichen“, schreibt er. Und weiter: „Bei der Menschenzucht achten wir leider viel zu wenig oder gar nicht auf all die Dinge, die von Einfluss auf das Erzeugen guter, gesunder und brauchbarer Nachkommenschaft sind.“  

Jahre später urteilt der renommierte schwedische Verhaltensforscher und Wolfsexperte Erik Zimen über den nachhaltigen Einfluss jener Ideen:

Von Stephanitz und seine Jünger in der deutschen Hundezuchtbewegung lieferten nicht nur die gewünschten ‚Hunde deutscher Abstammung mit ausgeprägtem Kampftrieb‘, sondern wurden auch zu geistigen Wegbereitern einer nationalsozialistischen Gesinnung, die gleich zweimal in der Katastrophe endete.

Das Tier als Waffe

Doch Stephanitz schafft tatsächlich eine Superhunde-Rasse: Der Deutsche Schäferhund ist klug und gelehrig, schnell, muskulös und ausdauernd. Das macht ihn bis heute zu einem vielseitig einsetzbaren Arbeitshund. Gerade bei Polizei und Militär ist die Rasse beliebt.

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Bis heute sind Deutsche Schäferhunde aufgrund ihrer Gelehrigkeit und Furchtlosigkeit bei Polizei und Militär im Einsatz. Hier eine Übung im Sondereinsatzkommando KSK.

Das Tier wird damit aber auch zur Waffe: Zig Tausende Schäferhunde lassen in den beiden Weltkriegen ihr Leben, sei es als Nachrichtenübermittler, Minenspür- und Wachhund oder gar als lebende Bombe.

Eine der Folgen: Nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg wird außerhalb Deutschlands nicht länger vom „Deutschen“ Schäferhund gesprochen. Der Hund wird zum „Elsässer“.

Der britische Kennel Club bezeichnet die weltweit beliebte Hunderasse kurzerhand als „Alsatian Dog“ (Elsässer Hund), der neue Name setzt sich im englischsprachigen Raum durch. Erst 1977 wird die Umbenennung vom englischen Zuchtverband rückgängig gemacht.  

Militärgeschichte Tiere im Krieg: Von haarigen Helden und armen Schweinen

Der Einsatz von Tieren als Kriegswaffe hat eine lange Tradition. Bereits der kathargische Heerführer Hannibal zog mit Elefanten gegen Rom. Pferde, Hunde, Tauben dienten militärischen Zwecken und wurden zugleich als Maskottchen oder Kriegshelden verehrt.

Adolf Hitler ist begeisterter Liebhaber der Rasse

Vor allem aber wird der Deutsche Schäferhund eins: Teil der Propaganda. Besonders deutlich zeigt sich das mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten.

Die Rasse wurde zu Propagandazwecken missbraucht.

Adolf Hitler gilt als begeisterter Liebhaber des Deutschen Schäferhunds. Zwischen 1922 und 1945 soll er dreizehn Deutsche Schäferhunde besessen haben, mehrere seiner Hündinnen hörten auf den Namen „Blondi“, Rüden nannte er meist „Wolf“. Für die NS-Presse inszeniert sich der Führer gerne mit seinen Hunden.

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Teil der NS-Propaganda: Auch Eva Braun posiert vor den Kameras mit Deutschen Schäferhunden, etwa mit Blondi, Hitlers Lieblingshündin.

Der Deutsche Schäferhund wird damit zum nationalsozialistischen Symbol schlechthin: Er verkörpert in den Augen der Nazis Stärke, Treue und Mut, darüber hinaus imponiert seine wolfsähnliche Gestalt.

Die bekannteste unter den Blondi-Hündinnen, die 1945 im Führerbunker mit Gift getötet wurde, hat heute gar einen eigenen Wikipedia-Eintrag.

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Eines der vielen Bilder, die von Adolf Hitler und seinen Deutschen Schäferhunden existieren.

Zigtausende Schäferhunde werden im KZ eingesetzt

Doch das für die Nazi-Presse inszenierte Familienidyll trügt: Der Deutsche Schäferhund wird auch als Wachhund in den Konzentrationslagern eingesetzt, rund 30.000 Tiere sollen hier gelebt und auch gestorben sein.

Wie sich die Hunde im KZ verhalten sollten, formuliert Heinrich Himmler in einem Schreiben von 1943 an Oswald Pohl und Richard Glücks, die für Diensthunde verantwortlich waren, wie folgt: „Hunde, die an der Außenseite der Lager revieren, müssen zu derartig reißenden Bestien erzogen werden, so wie es die Hetzhunde in Afrika sind. Sie müssen so abgerichtet sein, dass sie mit Ausnahme ihres Wärters jeden anderen zerreißen.“

Nicht nur, aber vor allem waren es Deutsche Schäferhunde, die in den Konzentrationslagern für die Nazi-Verbrechen in Dienst genommen wurden.

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Die inszenierte Idylle trügt auf mehreren Ebenen: Die Aufnahme zeigt den SS-Offizier Karl Hoecker mit einem Schäferhund im KZ Auschwitz.

Auch in der DDR dienen Schäferhunde als brutales Werkzeug

Als Werkzeug eines totalitären Staates wird der Deutsche Schäferhund aber nicht nur während der NS-Zeit missbraucht. Auch in der DDR patroullierten vor allem Schäferhunde an der innerdeutschen Grenze.

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Mauerhunde wurden in der DDR an langen Schleppleinen angekettet und sollten vor allem die Wachtposten auf Flüchtende aufmerksam machen.

Als sogenannte „Mauerhunde“ sind sie an etwa fünf Meter langen Ketten angeleint, die wiederum an einem bis zu 100 Meter langen Drahtseil befestigt wurden. Ihre Aufgabe war es, gerade auch an schlechter bewachten Grenzabschnitten auf Republikflüchtlinge aufmerksam zu machen. Mitunter töteten die Hunde auch Meschen auf der Flucht.  

Laut MDR waren die Methoden der Ausbildung brutal: Mit Gewalt seien die Tiere gefügig gemacht worden, heißt es.

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Deutsche Schäferhunde wurden sowohl im Osten als auch im Westen entlang der Grenze eingesetzt.

Eine tierische Projektionsfläche

Ob „reißende Bestien“, angstmachende Aufpasser oder Super-Schnüffler mit Kuschelfaktor: Bis heute kursieren etliche Bilder vom Deutschen Schäferhund in der Gesellschaft.

Sind es zu seinen Anfängen zunächst gefährliche Attribute, die die Hunderasse zugesprochen bekommt, ändert sich das spätestens mit den Bildern, die Hollywood oder die Serie „Kommissar Rex“ vom Schäferhund zeichnet.

In der Popkultur ist der Schäferhund nun ein Star, sei es als „Rin Tin Tin“ oder als „Partner mit der kalten Schnauze“, der die Menschen bei Ermittlungen furchtlos und klug unterstützt.

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In den 1990ern gibt es einen regelrechten Boom um den Deutschen Schäferhund, ausgelöst von der Krimiserie „Kommissar Rex“. Im Bild: Schauspieler Tobias Moretti und der wohl bekannteste Film-Schäferhund aller Zeiten, Reginald von Rabenhorst.

Schäferhunde-Boom in den 1990ern mit üblen Folgen

Doch der Schäferhunde-Boom, der Ende der 90er durch Filme und die Serie rund um den Wiener Polizeihund „Rex“ ausgelöst wird, hat ebenso Schattenseiten: unkontrollierter Welpenhandel, Überzüchtung und etliche ausgesetzte Tiere am Straßenrand sind die üblichen Folgen, die jede Trend-Hunderasse umgeben. Nicht wenige Deutsche Schäferhunde fristen im Anschluss an den Boom ein Leben im Tierheim.

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Auch Hollywood trägt zur Schäferhund-Euphorie bei: James Belushi mimt im Film „Mein Partner mit der kalten Schnauze“ einen Drogenfahnder, der unfreiwillig ein Team mit dem eigenwilligen Schäferhund Jerry Lee wird.

Bis heute ist wohl keine Hunderasse in Deutschland so sehr mit Klischees belegt wie der Deutsche Schäferhund. Das ist auch an seinem 125. Geburtstag traurige Realität.

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Glosse Wau Wow! Der Deutsche Schäferhund ist 125 Jahre jung

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