Frisch, fromm, fröhlich, frei! Alle können mitmachen: Adlige und Bürger und Bauern. Friedrich Ludwigs Jahns Botschaft vom Turnen für alle provozierte zu seiner Zeit.
Mit Turnübungen sorgt Friedrich Ludwig Jahn für Begeisterung im Berlin der 1810er-Jahre
Felgaufschwung, Felgumschwung, Felgunterschwung: Übungen an Reck und Barren, die so manchen Schüler, manche Schülerin bis zum heutigen Tag zur Verzweiflung und Verrenkung bringen.
Die Turnübungen wurden Anfang des 19. Jahrhunderts von einem Berliner Lehrer namens Friedrich Ludwig Jahn entwickelt und eingeführt. Außerdem propagierte er Laufen, Schwimmen, Fechten und Wandern. Was sich aus heutiger Pennälersicht nicht sonderlich lustig anhören mag – Turnvater Jahn muss damit den Nerv seiner Zeit getroffen haben.
Die Turnbegeisterten strömten scharenweise herbei, nachdem er 1811 auf der Berliner Hasenheide den ersten deutschen Turnplatz eingerichtet hatte. Sieben Jahre später existierten bereits rund 150 Turnvereine in deutschen Landen.
Körperliche Ertüchtigung als Vorbereitung auf den Krieg gegen Napoleon
Es war ein Reflex auf den körperlich einseitigen Verschleiß, der im Zuge der aufkommenden Industriearbeit mit ihren eintönig einförmigen Tätigkeiten um sich griff. Aus heutiger Sicht wirkt es geradezu so, als hätten Jahns Turnerriegen mit hellseherischer Einsicht gegen die körperliche Verarmung der folgenden zwei Jahrhunderte angeturnt.
„Turnen war damals eine hochpolitische Bewegung“, erklärt der Historiker Franz-Josef Brüggemeier. Das Turnen kam zur Zeit der Kriege gegen Napoleon auf.
„Auf, auf, du Turner! Du Teutscher, wohlan!“
Bereits die Betonung des „Vaterlands“ kam eine Kampfansage gleich, denn Deutschland bestand aus Preußen und einem Flickenteppich unzähliger Fürstentümer. Während Jahn vor wachsender Anhängerschaft für die Einführung einer einheitlichen Verfassung plädierte.
Nicht nur der Kampf gegen Napoleon stand hinter der wortwörtlichen Mobilmachung, am Ende sollte auch ein neues, geeintes und demokratisches Deutschland stehen.
„Auf, auf, du Turner! Du Teutscher, wohlan! Auf, ehrliche, wehrliche Jugend!“ hieß es in einem Lied von patriotisch glühenden Verfechtern der deutschen Nation und radikalen Demokraten. Wodurch sich die Fürsten- und Königshäuser ebenso wie die preußische Regierung zunehmend herausgefordert fühlten.
Der König reagiert nach dem Mord an August von Kotzebue
Die Idee vom „einig Vaterland“, und das womöglich unter Abschaffung der Feudalstrukturen, also bürgerdominiert und am Ende auch noch demokratisch – klar, dass das Turnen für die Obrigkeit eine Provokation sondergleichen darstellte.
Und das Fass kam zum Überlaufen, als ein national-freiheitlich fanatisierter Turner namens Sand den Dichter Kotzebue erstach, der die Fürstenherrschaft verteidigt, die aufbegehrenden Studenten und Turner aber verspottet hatte.
Am 2. Januar 1820 dann erließ Preußens König Friedrich Wilhelm III. eine Verordnung, auf dass das Turnen als staatsgefährdend aufhöre. Der Turnplatz in der Berliner Hasenheide verwaiste, und zwei Drittel der deutschen Turngemeinden konnten von Stund an die körperliche Ertüchtigung nicht mehr öffentlich betreiben. Allenfalls im stillen Kämmerlein. Jahn selbst wurde verhaftet und stand bis 1840 unter Polizeiaufsicht.
Turnen wird wieder legalisiert und hilft, Standesunterschiede abzubauen
Anfang der 1840er-Jahre, vor der Deutschen Revolution 1848, gibt es eine liberalere Strömung, und 1842 konnte dann öffentlich auch wieder geturnt werden. Jahn hat von Anfang an betont, dass Turnen etwas ist, an dem jeder Mann teilnehmen kann, egal wie alt oder welcher Schicht
Eine sehr demokratische Botschaft, dass eben alle, sofern sie Deutsche sind, gleichberechtigt Teil der Nation sind, und das Turnen hat das eben ganz konkret praktisch vorgeführt.
Napoleons Erbe in Deutschland
Geschichte Napoleons Erbe – Bonapartes Spuren in Südwestdeutschland
Er kam, sah – und reformierte. Nach dem Sieg über das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ordnete Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts dessen Strukturen neu: Verbündeten wie Baden und Württemberg gab er Ländereien, während viele Kleinstaaten von der Landkarte verschwanden. Zugleich modernisierte er Verwaltung und Rechtsprechung, etwa durch den Import des „Code Civil“ aus Frankreich. Auch konnten Juden ihre Religion nun frei ausüben. Am 5. Mai 1821 starb Napoleon Bonaparte. Manche Spuren Napoleons halten sich auch 200 Jahre nach seinem Tod – gerade der Südwesten ist voll von ihnen. Von Rainer Volk. | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/napoleon-spuren | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Folgt uns auf Twitter: @swr2wissen