Kultur

#StandWithUkraine – Solidarität und Entsetzen der Kultur-Szene

Stand

Russlands Krieg gegen die Ukraine erschüttert die westliche Welt. Auch die internationale Kulturszene reagiert. Viele Künstler*innen und Institutionen bekunden ihre Solidarität mit der Ukraine, fordern aber auch, den Kontakt zur russischen Kulturszene aufrecht zu erhalten.

Chefdirigent des Bolschoi Theaters legt sein Amt nieder

Tugan Sochijew, ehem. Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (6.9.2010)
Tugan Sochijew, ehem. Chefdirigent und Künstlerischer Leiter des deutschen Symphonie-Orchesters Berlin (6.9.2010)

Tugan Sochijew verlässt legt seine Ämter als Chefdirigent des weltbekannten Moskauer Bolschoi Theaters und als Musikdirektor des Nationalorchesters am Opernhaus Toulouse nieder, heißt es in einer am 6. März veröffentlichten Erklärung Sochijews.

Da er zu der „untragbaren Wahl“ zwischen seinen geliebten russischen und französischen Musikern genötigt worden sei, habe er sich entschieden, beide musikalische Leitungen aufzugeben.

Die „aktuellen Ereignisse“ riefen in ihm „schwierige Gefühle hervor“. Er benannte den Krieg in seiner Erklärung nicht konkret. Er habe niemals bewaffnete Konflikte unterstützt und in den 20 Jahren seiner musikalischen Karriere immer mit den Opfern aller Konflikte gefühlt, betonte Sochijew, der seit 2014 Chefdirigent am Bolschoi Theater war.

Bereits seit 2005 dirigierte Sochijew im südwestfranzösischen Toulouse  – zuerst als Gast und dann als musikalischer Leiter des Orchesters. Von 2012 bis 2016 war Sochijew auch Chefdirigent des Deutschen Symphonie-Orchesters (DSO) Berlin.

New Yorker Met stoppt Zusammenarbeit mit Anna Netrebko

Anna Netrebko und Yusif Eyvazov
Das Konzert Open Air Konzert mit Anna Netrebko und ihrem Ehemann Yusif Eyvazov am 3. September in Stuttgart droht ebenfalls auszufallen.

Die New Yorker Metropolitan Opera beendet ihre Zusammenarbeit mit dem russischen Opernstar Anna Netrebko. Opernmanager Peter Gelb bedauert den großen künstlerischen Verlust. „Anna ist eine der größten Sängerinnen in der Geschichte der Met, aber weil Putin in der Ukraine unschuldige Opfer tötet, gab es keinen Ausweg“, fügte er hinzu. Netrebko selbst äußerte sich nicht.

Das Opernhaus habe Netrebko aufgefordert, ihre öffentliche Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zurückzuziehen. Dies habe die 50-jährige Russin aber nicht getan, teilte die Oper am 3. März mit. Die Sängerin sollte im April und Mai in ihrer Rolle als „Turandot“ und in der kommenden Saison in „Don Carlos“ auftreten.

Weitere Auftritte auch in Deutschland abgesagt

Netrebko hatte bereits am 1. März bekannt gegeben, dass sie sich bis auf Weiteres aus dem Konzertleben zurückziehen wolle. In der Zwischenzeit hat sie auch ihre Teilnahme an der „Turandot“-Produktion der Berliner Staatsoper Unter den Linden zurückgezogen. Wie das Berliner Opernhaus am Donnerstagabend (3. März) weiter mitteilte, hatte es Netrebko zuvor aufgefordert, sich vom völkerrechtswidrigen Vorgehen der russischen Regierung in der Ukraine zu distanzieren.

„Wir schätzen Anna Netrebko als herausragende Sängerin und es verbindet uns eine langjährige, künstlerische Partnerschaft. Gleichzeitig sehen wir angesichts des brutalen Krieges keine Möglichkeit für eine Fortsetzung dieser Zusammenarbeit“, teilte die Berliner Staatsoper mit.

Land Baden-Württemberg richtet Kontaktstelle für Künstler*innen ein

Für ukrainische Künstler*innen und baden-württembergische
Kultureinrichtungen hat das Land Baden-Württemberg eine Kontaktstelle eingerichtet. Ziel sei es, geflüchteten Künstler*innen und ihren Familien schnell zu helfen.

„Denkbar ist, dass baden-württembergische Kultureinrichtungen dabei helfen, Unterkünfte zu vermitteln oder gemeinsame künstlerische Projekte starten“, teilte das Land am Mittwoch, 2. März, mit. Kultureinrichtungen werden auch aufgefordert, Vorschläge für Hilfsaktionen zu machen und wie die Politik dabei helfen kann.

Filmfestspiele Cannes schließen russische Delegationen aus

Die Internationalen Filmfestspiele von Cannes schließen die russischen Delegationen vorerst von der Teilnahme am Festival im Mai aus. Dies gelte, solange der Angriff Russlands nicht unter Bedingungen eingestellt werde, die das ukrainische Volk zufrieden stellten, teilte die Festivalleitung am 1. März mit.

Das treffe auch für Einrichtungen zu, die mit der russischen Regierung in Verbindung stünden, heißt es in der Erklärung. Das Filmfestival findet dieses Jahr vom 17. bis 28. Mai statt.

Deniz Yücel unterstreicht Bedeutung von Autoren-Protest

Urteil im Fall Deniz Yücel
Der Journalist Deniz Yücel ist seit Oktober 2021 Präsident des PEN-Zentrums. PEN steht für Poets, Essayists, Novelists.

Der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, Deniz Yücel, hat die Bedeutung des von über 1.000 Autorinnen und Autoren unterzeichneten Offenen Briefes zu Solidarität mit der Ukraine unterstrichen.

Er denke, dass das Wort von Schriftsteller*innen „über Ländergrenzen hinweg ein gewisses Gewicht hat im Sinne einer weltweiten Öffentlichkeit“, so Yücel. Insgesamt denke er nicht, dass dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Öffentlichkeit im Westen völlig egal sei.

Gemeinsam mit dem PEN International haben über tausend Autor*innen einen Brief veröffentlicht, in der sie den Krieg in der Ukraine als sinnloses Blutvergießen verurteilen, ein Ende der militärischen Handlungen und gewaltstiftenden Propaganda fordern und allen Ukrainer*innen ihre Anteilnahme und ungebrochene Solidarität aussprechen.

Am 28. Februar hatten sich mehr als 1.000 Autorinnen und Autoren -
darunter Literaturnobelpreisträger und zahlreiche international bekannte Schriftsteller - in einem Offenen Brief mit der Ukraine solidarisiert.

Auch das Festspielhaus Baden-Baden stellt Zusammenarbeit mit Gergiev ein

Die Aufforderung des Festspielhauses Baden-Baden an Valery Gergiev, sich von Putins aktueller Kriegspolitik zu distanzieren, blieb unbeantwortet. Jetzt hat das Festspielhaus die Zusammenarbeit bis auf weiteres beendet. 24 Jahre lang war Gergiev hier regelmäßig künstlerischer Gast mit dem Mariinsky Theater, dessen Intendant und Chefdirigent er ist.

„In dem Moment, in dem Bomben fallen, ändert sich alles“ sagte Intendant Benedikt Stampa in SWR2. „Ich kenne Gergiev seit 20 Jahren und bin ehrlich gesagt überrascht, dass er sich nicht bei mir meldet.“

Anna Netrebko sagt alle Konzerte der kommenden Monate ab

Anna Netrebko und Yusif Eyvazov
Anna Netrebko und ihr Ehemann, Yusif Eyvazov.

Die russische Opernsängerin Anna Netrebko hat alle Konzerte für die kommenden Monate abgesagt. „Nach reiflicher Überlegung habe ich die äußerst schwierige Entscheidung getroffen, mich bis auf Weiteres aus dem Konzertleben zurückzuziehen“, ließ die Starsopranistin über den Veranstalter River Concerts am 1. März mitteilen.

„Es ist nicht die richtige Zeit für mich aufzutreten und zu musizieren“, heißt es in dem Statement weiter. Das für den 2. März in der Hamburger Elbphilharmonie geplante Konzert mit ihrem Ehemann Yusif Eyvazov wurde dabei verschoben. Nach ihrer Absage postete sie bei Instagram ein älteres Bild mit Valery Gergiev kommentarlos.

Zweifel an Netrebkos Stellungnahme

Zuvor war die Sängerin immer mehr unter Druck geraten: Die Bayerische Staatsoper hatte die bestehenden Engagements mit ihr annulliert wegen „fehlender ausreichender Distanzierung“ zu Wladimir Putin. Auch Benedikt Stampa, Intendant des Festspielhauses Baden-Baden, reichte Netrebkos Statement nicht aus, sagte er in SWR2.

Netrebko hatte am 27. Februar ein Statement veröffentlicht und sich gegen den Ukraine-Krieg positioniert. Netrebko wandte sich gleichzeitig dagegen, „Künstler oder irgendeine öffentliche Person zu zwingen, ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen“. „Ich bin keine politische Person“, erklärte die Sängerin.

Schon gestern (28. Februar) sagte Netrebko ihre Auftritte an der Mailänder Scala ab, nachdem Gergiev das Dirigat der Oper „Pique Dame“ dort entzogen wurde. In einer Instagram-Story stellte sie klar, ihre Absage sei nicht aus gesundheitlichen Gründen geschehen.

München entlässt Valeri Gergiev als Chefdirigenten der Philharmoniker wegen Putin-Nähe

Porträt mit Taktstock beim Dirigieren
Valery Gergiev hat 2014 öffentlich Putins Annexion der Krim unterstützt.

Die Stadt München entlässt den Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, Valeri Gergiev, weil er sich nicht vom russischen Einmarsch in die Ukraine distanziert hat. Gergiev habe sich trotz der Aufforderung, „sich eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt“, nicht geäußert, erklärte der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Dienstag.

Reiter hatte Gergiev, der seit der Spielzeit 2015/2016 Chefdirigent der Philharmoniker ist, ein Ultimatum bis Montag, 28. Februar, gestellt.

Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat: „Kulturaustausch jetzt nicht abbrechen lassen!“

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats Olaf Zimmermann sieht den Kulturbetrieb während des Krieges in der Ukraine in besonderem Maß gefordert: „Man darf den Kulturaustausch nicht abbrechen lassen jetzt in dieser Krise“, sagte Zimmermann im SWR2-Gespräch. Vielmehr müsse sich der Kulturbetrieb der Verantwortung stellen: „Das heißt, so viel internationale Kunst zu zeigen wie irgend möglich - aus der Ukraine, aus Russland, aus allen Ländern dieser Welt.“

Es gebe seit vielen Jahren einen kulturellen Austausch; Künstlerinnen und Künstler aus Ländern wie Russland und der Ukraine kämen nach Deutschland, zeigten immer wieder hier ihre Kunst. Weiterhin gebe es viele Kontakte zum Beispiel über die Goethe-Institute in den Osten. „Es wird jetzt darauf ankommen, ob wir das alles aufrecht erhalten können, trotz der harten Stimmung“, so Zimmermann.

Natürlich sei der Austausch speziell mit der Ukraine wichtig, sagte Zimmermann, „aber wir müssen auch mit Russland reden, dazu gibt es gar keine Alternative.“ Strukturen im Kulturbereich, bei denen Russland eine Rolle spielt, wolle man gezielt auf den Prüfstand stellen, wie etwa die Schirmherrschaft Wladimir Putins bei der Ausstellung „Diversity United“ auf dem Berliner Tempelhof-Gelände.

Gespräch mit Olaf Zimmermann hören:

Claudia Roth spricht sich für mehr ukrainische Kunst und Kultur aus

Claudia Roth am Podium
„(...) zeigt mehr von allen Kulturen aus allen Ländern, in denen die Demokratie bedroht ist, helfen Sie und arbeiten Sie zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus diesen Ländern.“, so Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen.

Mit einem Plädoyer für mehr ukrainische Kunst und Kultur hat sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth am Sonntag, den 27. Februar, an Museen, Theater und andere Institutionen in Deutschland gewandt. „Zeigt mehr ukrainische Kunst und Kultur“, so die Grünen-Politikerin.

Gleichzeitig bat Roth, „zeigt aber auch russische Kunst und Kultur – viele Menschen in Russland erheben gerade ihre Stimme, verurteilen den Angriff auf die Ukraine. Zeigt belarussische Kultur – die Menschen dort haben so sehr für die Demokratie gekämpft und müssen gerade erleben, wie aus ihrem Land die Ukraine überfallen wird“.

Wenn wir die Erzählungen und Bilder, die Töne und die Träume der anderen Nationen fühlen und sehen, dann werden wir besser begreifen, dass wir alle dasselbe Ziel haben.

Akteure aus der Kultur planen indes Benefizkonzerte

In der Zwischenzeit plant der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), ein Wirtschaftsverband der Branche für über 500 Agenturen, Tournee- und Konzertveranstalter, ein Benefizkonzert für die Ukraine. Dessen Einnahmen sollen dem Internationalen Hilfsfonds für Kultur und Bildung gespendet werden.

Auch der Geiger Daniel Hope will am Mittwoch den 2. März ein Konzert mit dem ukrainischen Pianisten Alexey Botvinov in der Dresdner Frauenkirche geben. Nach Angaben der Stiftung Frauenkirche konnte Botvinov noch rechtzeitig aus seiner Geburtsstadt Odessa vor dem Krieg entkommen und will sich nun mit Mitteln der Kunst für sein Heimatland einsetzen.

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SWR