Historisches Symbol für den preußischen Militärismus

Der Turm der Garnisonkirche in Potsdam wird wiedereröffnet – Endet damit die Debatte um Wiederaufbau?

Stand
Das Interview führte
Frauke Oppenberg
Interview mit
Nikolaus Bernau Architekturkritiker
Onlinefassung
Julian Burmeister

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer jahrzehntelangen Debatte: Am Donnerstag wird der Turm der Potsdamer Garnisonkirche offiziell eröffnet. Die Garnisonkirche, einst Ort der preußischer Militärmacht, ist seit ihrer Wiedererrichtung Symbol für die Deutungshoheit der deutschen Geschichte.

„Die Garnisonkirche ist seit ihrer Erbauung 1735 immer ein Ort des Gewalt- und Kriegskultes gewesen", sagt Architekturkritiker Nikolaus Bernau im Gespräch mit SWR Kultur. Bis zu ihrer Zerstörung 1945 und der Sprengung des Turms 1968 diente sie als Schauplatz militärischer Trophäenfeiern, angefangen von den Kriegen gegen Österreich im 18. Jahrhundert bis hin zu kolonialen Kriegen wie dem Völkermord.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Potsdam und vor allem die Kirche zudem zu einem Zentrum des reaktionären Widerstands gegen die Weimarer Republik und die junge Demokratie. „Das ist überhaupt kein Bau ohne Belastung“, so Bernau.

Unterschiedliche Perspektiven auf den Wiederaufbau

Die Befürworter des Wiederaufbaus haben jedoch andere Motive. Einige Potsdamer, die sich seit Jahrzehnten für den Wiederaufbau einsetzen, möchten die Stadt in ihrer historischen Form zurückerhalten, wie sie vor der DDR-Zeit war.

Für andere steht die Wiedererrichtung des Turms im Zeichen der Aussöhnung und des Gedenkens. Doch die Rekonstruktion ist umstritten, besonders in der heutigen Zeit, da der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Frage nach der Rolle von Militär und Gewalt in der Gesellschaft neu aufwirft.

Mit Definitionsmacht über die Preussische Geschichte

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird die Einweihung leiten - ein Schritt, der viele überrascht hat. Bernau spekuliert, dass Steinmeier versuchen wird, „die Definitionsmacht über die Preußische Geschichte und über die Frage, welche Rolle das Militär in der Geschichte spielt, aus den Händen der Rechten und Reaktionäre zu nehmen.“

Dies könne ein Versuch sein, das Bauwerk als Teil eines kritischen Geschichtsbewusstseins und des Bürgerengagement neu zu deuten, meint Bernau.

Eine unvollendete Rekonstruktion

Trotz aller Kontroversen sei der Bau ästhetisch gelungen: „Dieser Turm hat gefehlt, das kann man anders einfach nicht ausdrücken“, sagt Bernau. Das Stadtpanorama von Potsdam sei nun wieder vollständig.

Doch die Rekonstruktion bleibt unvollständig: Weder die Kirche selbst noch das ursprüngliche militärische Dekor des Turms wurden wiederhergestellt, da es weder Geld noch breiten Rückhalt für diese Elemente gibt. Die Diskussionen um den Bau dürften also noch lange nicht beendet sein.

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Wiederaufbau historischer Symbolbauten Architekt Philipp Oswalt: Wann aus Rekonstruktion Geschichtsrevision wird

Ob die Garnisonskirche in Potsdam oder das Berliner Stadtschloss: „Man will eine idealisierte Vergangenheit präsentieren“, meint der Architekturprofessor Philipp Oswalt in SWR2. Der Wiederaufbau historischer Symbolbauten ziele oftmals nicht nur auf Schönheit oder Stadtreparatur, sondern auf eine Änderung unseres Geschichtsverständnisses. Das beschreibt Oswalt in seinem neuen Buch „Bauen am nationalen Haus. Architektur als Identitätspolitik“.
Reaktionäre Geschichtsbilder
Der Architekt und Publizist Philipp Oswalt sorgte schon rund um die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses für Aufsehen. Er machte öffentlich, dass einige private Spender*innen aus dem rechten Spektrum kamen. Immer wieder seien Rechtsradikale an ähnlichen Bauprojekten beteiligt, als Initiatoren oder Großspender. Hier sickerten, meint Oswalt, reaktionäre Geschichtsbilder in die zeitgenössische Stadtplanung.
Brüche der Geschichte ausgeblendet
Auch bei anderen Rekonstruktionen sollen, meint Oswalt, die Brüche der deutschen Geschichte, etwa der Zivilisationsbruch der NS-Zeit, überschrieben und ausgeblendet werden. „Ich will weg von den Idealisierungen und ein Verständnis für die Widersprüche der Geschichte“, fordert Oswalt. Sein Buch „Bauen am nationalen Haus. Architektur als Identitätspolitik“ erscheint am 8.12.23 im Berenberg Verlag.

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Ein Kreuz, eine Kuppel, ein Bibelzitat und jetzt auch noch acht große Statuen von alttestamentarischen Propheten: Am Ausbau des Berliner Schlosses wurden nachträglich herausgehobene christliche Symbolik verstärkt, sagt der Architekt Prof. Dr. Philipp Oswalt von der Universität Kassel. Das sei besonders problematisch: „Staatliche Repräsentationsbauten bringen zum Ausdruck wie die Gesellschaft sich heute versteht“. In einer Recherche habe er veröffentlicht, wie wichtige Spender für die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses rechtsradikale Ansichten teilen. "Da wird ein rechtsradikales Milieu anschlussfähig an die gesellschaftliches Mitte."
Eine Symbolik des preußischen Reiches
Auf der Kuppel wurde zudem ein Bibelzitat angebracht, der eine politische Brisanz habe, so Oswalt, der in seiner Form auch eine Symbolik des preußischen Imperiums zum Ausdruck bringe. Eine problematische Positionierung, „die begeistert natürlich die rechtsradikalen Spender“. Gegen eine Rekonstruktion des Schlosses habe Philipp Oswalt nichts, sondern seine Kritik sei vielmehr an das Wie und an „welche Aussagen damit verbunden sind“.
Gegen jedes Verständnis
Die Stiftung Humboldtforum ist für dieses Bauprojekt verantwortlich und als Forum stünde für ein weltoffenes Deutschland. Oswalt sehe keinen Grund Spenden von einem rechtradikalen Spektrum anzunehmen, denn es keine Notwendigkeit gebe, weitere Bauteile, über das Beschlossene hinaus, zu realisieren, „dafür fehlt mir jedes Verständnis“. Oswalt spricht sich dafür aus, auch andere Spuren der deutschen Geschichte in das Gebäude einzuschreiben, wie etwa die der Revolution von 1918, des Zweiten Weltkriegs oder des Palasts der Republik. "Ich glaube wir müssen mal darüber diskutieren, welches Geschichtsbild wir an diesem Ort eigentlich vermitteln wollen."

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