TV-Boxkampf gegen Regina Halmich

Er ist wieder da! Gelingt Stefan Raab das Comeback?

Stand
Autor/in
Tobias Stosiek

Vor zehn Jahren ist Stefan Raab abgetaucht: Der erfolgreichste deutsche Fernsehmacher des 21. Jahrhunderts verschwand ziemlich überraschend von der Bildfläche. Am Samstagabend kommt er zurück. Und das mit geballten Fäusten. Auf RTL boxt Raab gegen Regina Halmich – wie zuletzt vor 17 Jahren. Ob sein Comeback-Versuch erfolgreich sein wird? Fraglich.

Kulturkampf: 1996 saß Stefan Raab zum ersten (und vorletzten) Mal in der NDR Talk Show. Auf Youtube kann man sich den Clip immer noch ansehen. Er verrät einiges darüber, wie sehr sich unsere Medienlandschaft in den letzten 30 Jahren verändert hat.

Als Stefan Raab in der NDR Talk Show saß …

Hier die distinguierte Dame im sehr grünen Kostüm, dort der „Fernsehclown“ mit Ziegenbärtchen. Raab ist damals 30, Alida Gundlach, die Moderatorin, Mitte 50. Warum man ihn eingeladen hat, ist nicht so ganz klar. Scheint eine „redaktionelle“ Entscheidung gewesen zu sein. Wahrscheinlich fiel in der Diskussion irgendwann mal das Stichwort „Verjüngung“.

Gundlach tut jedenfalls alles dafür, damit ja nicht der Eindruck entsteht, sie würde sich für ihren Gast auch noch interessieren. Mit spitzeren Fingern kann man kaum moderieren. Wer ihn nicht kenne, Stefan Raab sei einer dieser VIVA-Moderatoren, erklärt sie ihrem Fernsehpublikum mit säuerlicher Miene. „Einer von den ganz Tollen.“ Die hochgezogenen Augenbrauen sind förmlich zu hören.

Stefan Raab in der NDR Talk Show

Vom Enfant terrible zum Fernsehmacher des 21. Jahrhunderts

Altes trifft auf neues Fernsehen. Öffentlich-rechtlicher Bildungsstolz auf privates Trash-TV. Zu allem Überfluss sitzt auch noch Joachim Kaiser in der Runde, die graue Eminenz der Süddeutschen Zeitung, letzter Großkritiker des bundesrepublikanischen Musikfeuilletons. Der Kontrast könnte schärfer nicht sein.

Gut tut das keinem der Anwesenden. Jeder spielt seine Rolle, so erwartbar und langweilig, wie es eben geht: Arroganz gegen Provokation. Aber interessant ist dieses Fernsehtheater schon, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Raab binnen nur zehn Jahren zum wahrscheinlich einflussreichsten Mann im deutschen Fernsehgeschäft aufsteigen wird. Ein Unterhaltungsmacher für das 21. Jahrhundert.

Hat der „Hämehumor“ noch eine Chance?

Vor allem für die Millennials, die aktuell von ihrem ersten Nostalgiefieber durchgeschüttelt werden, wurde Raab zu einer Art Ikone. TV-Total gehört zum Inventar der Medienbiografie einer ganzen Generation. Raabs Witze waren das Hintergrundrauschen der 2000er – der ausdrücklich anti-politische Comic Relief einer Zeit, in der nach dem „Ende der Geschichte“ die großen Krisennarrative zurückkehrten. Terrorismus in den Nachrichten, unendlicher Spaß auf Pro Sieben.

Stefan Raab im Studio von TV-Total.
Immer am Buzzer: Stefan Raab im Studio von TV-Total.

Über Raabs „Hämehumor“ wurde ja schon viel geschrieben, seit seine Rückkehr ins TV-Geschäft ruchbar wurde. Tatsächlich bestand Raabs Masche immer schon vor allem darin, die auszustellen, die anders waren. Während Harald Schmidt den intellektuellen Zyniker gab, spielte Raab den Bully, der sich über alles lustig machte, was irgendwie von der Norm abwich.

In diesem Sinn übrigens ein ganz reaktionärer Konservativer. Sexistische, rassistische oder homophobe Späße gehörten selbstverständlich dazu. Nachdem sich der Fußballer Thomas Hitzelsberger als schwul geoutet hatte, witzelte Raab, dieser spiele nun für „Zenit St. Penisburg“.

Die Rückkehr des Heroischen ins Unterhaltungsfernsehen

Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass TV-Total genauso innovativ war. Gerade formal. Ein Beispiel wären die kurzen Clips, die Raab via Buzzer zu allen möglichen Gelegenheiten einspielte. Eigentlich sowas wie die Vorform des digitalen Memes – und das im linearen Fernsehen.

Noch wichtiger aber war sein Körpereinsatz. „Wok-WM“, „Turmspringen“, „Promi-Boxen“ und dann natürlich „Schlag den Raab“: Während Harald Schmidt konsequent den Uneigentlichen gibt, hat Raab das Eigentliche, vielleicht auch das Heroische in die Fernsehunterhaltung zurückgebracht. Nicht in einem moralischen oder politischen Sinn, klar. Aber in einem körperlichen auf jeden Fall. Die Show kennt keine Rücksicht.

Schlag den Raab, 2009.
Immer mit vollem Körpereinsatz: Stefan Raab in seiner Show „Schlag den Raab“.

Die Instagram-Clips, mit denen er seit Monaten seine TV-Rückkehr orchestriert, lenken sozusagen ex negativo den Blick darauf. Raab im Fatsuit oder Raab mit gemachten Zähnen – das ist nicht der Raab, den wir kennen. Der sich beim Boxen blaue Augen einfing, der blutete, der sich mit übertriebenem Ehrgeiz in „Schlag den Raab“ mit weitaus sportlicheren Bewerberinnen und Bewerbern maß und nicht selten als Sieger das Studio verließ. Ein mittelalter, mittelschlanker Mann gegen Modellathleten. Mainstreamtauglich.

Stefan Raab kündigt TV-Comeback auf Instagram an

Von seinen Erben überholt

Joko und Klaas haben dieses Prinzip in Shows wie „Duell um die Welt“ oder „Joko und Klaas gegen Pro Sieben“ weiterverfolgt. Wie Raab mit vollem Körpereinsatz. So gesehen ist er immer noch präsent, auch wenn sein Rückzug jetzt schon zehn Jahre zurückliegt. Dass er sein Comeback ausgerechnet mit einem Boxkampf gegen Regina Halmich startet, wirkt da schon irgendwie folgerichtig. Aber doch auch ein wenig gestrig.

Die teilweise lebensgefährlichen Mutproben, die Joko und Klaas sich und ihren Showgästen verordnen, lassen einen Boxkampf erstmal wie ein Kinderspiel aussehen. Ein nicht besonders kreatives außerdem. Von den Erben überflügelt: In dieser Hinsicht ist der Vatermord an Raab längst vollzogen.

Der Erfolg seines Comebacks dürfte also eher davon abhängen, was Raab noch so plant. Wenn man der BILD glaubt, dann hat seine Produktionsfirma mit RTL „Millionenverträge“ ausgehandelt. Mehr ist nicht bekannt. Über die Details schweigen beide Parteien aktuell. Noch ist also offen, auf welcher Seite Raab künftig steht: altes oder neues Fernsehen.

Mehr zum Box-Comeback von Stefan Raab

Karlsruhe

Schaukampf im September in Düsseldorf Karlsruher Ex-Weltmeisterin Regina Halmich boxt erneut gegen Stefan Raab

Die frühere Weltmeisterin Regina Halmich aus Karlsruhe boxt erneut gegen den ehemaligen Fernsehmoderator Stefan Raab. Der Schaukampf soll am 14. September in Düsseldorf stattfinden.

Mehr Trash-TV

Trashifizierung des Glaubens? Missionieren mit Trash-TV? Wie sich die Kirchen zur „Passion“ auf RTL positionieren

RTL verwurstet die Passionsgeschichte als großes TV-Spektakel mit grenzwertiger Pop-Auswahl. Doch wer denkt, die Kirchen fremdeln mit Trash zur besten Sendezeit, der irrt.

Zeitwort 20.1.2004: RTL sendet die erste Staffel des „Dschungelcamps“

Bei „pürierter Emuleber mit Blut“ werden die Kandidaten geprüft. „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ ist die erfolgreichste Reality-Show im deutschen Fernsehen.

SWR2 Zeitwort SWR2

Zeitwort 08.03.2003: Deutschland findet den ersten Superstar

Die ersten Staffeln von DSDS waren „Straßenfeger“, wie sie das Privatfernsehen bis dahin nicht kannte. Und ein Superstar war von Anfang an dabei.

SWR2 Zeitwort SWR2

Mehr zum Thema Humor

Politisches Kabarett Hirn und Humor – Die Kabarettistin Anny Hartmann

Anny Hartmann will auch 2024 nicht im rosa Kleid auf der Bühne stehen. Für ihre Fähigkeit, ernste Themen heiter zu verpacken, hat sie 2023 den Deutschen Kleinkunstpreis bekommen.

SWR2 am Samstagnachmittag SWR2

Neues Buch der ZEIT-Kolumnistin Wenn Humor auf politische Themen trifft: Katja Berlin und ihre „Torten der Wahrheit“

ZEIT-Autorin Katja Berlin ist für satirische Infografiken bekannt, in denen sie pointierte Meinungen zu Politik und Gesellschaft äußert. Wie alles begann? Mit einer Avocado.

Humor und Glauben Der jüdische Witz: Humor als Anker für die kulturelle Identität

Das Judentum ist für eine ausgeprägte Kultur des Witzes berühmt. In der christlichen Tradition sucht man dieses Merkmal hingegen vergeblich.

Stand
Autor/in
Tobias Stosiek