Graffiti Stadt Wand Kunst - Frau Isa

STADT.WAND.KUNST

Fassade als Leinwand – Wie Mannheim zu einem Streetart Hotspot wurde

Stand
Autor/in
Mareike Gries
Mareike Gries, Autorin und Moderatorin bei SWR Kultur

Riesige Wandgemälde, so genannte Murals, prägen seit Jahren das Mannheimer Stadtbild. Mehr als 40 Wandgemälde sind hier bereitsentstanden, alle erstecken sich über mehrere Stockwerke, sind also unübersehbar. Die größte Wirkung erzielen sie aber meist mit dem nötigen Abstand – dann erzählen die einzelnen Bilder der internationalen Streetart-Künstler ganze Geschichten.

Graffiti Stadt Wand Kunst - Herakut
Mit dem Mural „My Super Hero Power is forgiveness” – meine Superheldenkraft ist Verzeihen – fing 2013 alles an. Das Künstlerduo Herakut malte das Gemälde an einen Mannheimer Wohnblock. Herakut besteht aus Jasmin Siddiqui und Falk Lehmann, die sich beide früh für Graffitis begeistert haben. Bis 2020 haben sie gemeinsam immer wieder Mischwesen aus Mensch und Tier entworfen, deren meist melancholischer Blick auf Wänden in der ganzen Welt zu entdecken ist.
Graffiti Stadt Wand Kunst - HERA
Mittlerweile gehen die Künstler*innen von Herakut getrennte Wege. So hat HERA alias Jasmin Siddiqui im Sommer 2023 in Mannheim das Mural „Imagination is my favorite nation“ kreiert. HERA hat Grafikdesign studiert und ihren ganz eigenen Stil entwickelt. Der wurde teilweise aus der Not heraus geboren. Sie hatte nicht viel Geld für die teuren Spraydosen und sammelte beim Sperrmüll Farbreste ein. Das war vor allem weiße Wandfarbe, die sie nochmal verwässerte. Und so malte sie ihre Figuren oft mit weißer Farbe aus, die, weil sie so wässrig ist, oft in langen Linien nach unten läuft. So wie bei dem Fuchs, den sie an die Fassade in der Mannheimer Hafenstraße gemalt hat.
Graffiti Stadt Wand Kunst - Yazan Halwwani
2017 entstand das Bild “The Inevitability Of Leaving Things Behind” von Yazan Halwani, der – nach dem weltberühmten britischen Star der Szene – als Banksy Beiruts bezeichnet wird. Halwani wurde 1993 im Libanon geboren und er gehört zu den Pionieren der Graffiti- und Streetart-Szene des Mittleren Ostens. Aus seinem Interesse für klassisches Graffiti-Writing und arabische Kalligrafie, aber auch für figürliche Malerei entsteht sein ganz eigener Stil: „Calligraffiti“.
Graffiti Stadt Wand Kunst - Lowbros
„New Wave“ haben die Berliner Low Bros ihr STADT.WAND.KUNST-Gemälde eines abstrakten Hundes mit Sonnenbrille genannt. Die geometrischen Formen im Hintergrund beziehen sich auf Mannheim als so genannte Quadratestadt, deren historische Innenstadt als Planstadt in Häuserblocks statt in Straßenzügen angelegt ist. Hinter den Low Bros verbergen sich die Brüder Christoph und Florian Schmidt. Ihr Werk „New Wave“ hat es sogar auf eine 85-Cent-Marke der Deutschen Post geschafft.
Graffiti Stadt Wand Kunst - Seth
Pink Floyds „Another Brick in the Wall” hat den Pariser Streetartist Seth offensichtlich inspiriert für sein Werk „Breaking the Wall“ an einer Mannheimer Schule. Typisch für seine Bilder sind Kinder, deren Gesichter so gut wie nie zu sehen sind. So können die Betrachter selbst entscheiden, was auf den Gesichtern zu lesen ist. Es sei wichtig, so Seth, von Zeit zu Zeit auszubrechen, aus Mauern wie aus Gedanken.
Graffiti Stadt Wand Kunst - Frau Isa
Frauen sind in der Streetart nach wie vor wenig vertreten. Der Österreicherin FRAU ISA alias Isa Toman ist es deshalb auch bei ihren Motiven wichtig, Frauen in den Fokus zu nehmen. Ihre Arbeit „Aeskulap“ auf einem Mannheimer Mietshaus nimmt auch die direkte Umgebung auf. So ist auf dem Bild unter anderem ein Krankenwagen angedeutet, der auf das gegenüberliegende Klinikum hinweist.
Graffiti Stadt Wand Kunst - Case Maclain
Auf der Turnhallenwand eines Gymnasiums hat sich der Künstler CASE verewigt. Er erschafft fotorealistische Bilder wie in dem Werk „Pied Piper“, also Rattenfänger. Die abgebildeten Kinder und Jugendlichen scheinen ferngesteuert, wie beim legendären Rattenfänger von Hameln. Die Schülerinnen und Schüler, die täglich an dem Mural vorbeigehen, werden damit daran erinnert, dass gedankenloses Mitlaufen immer hinterfragt werden sollte.

Mit einem Mural von Herakut fing alles an

2013 fing alles an, mit einem ersten großen Mural des international tätigen Künstlerduos Herakut, bestehend aus Jasmin Siddiqui und Falk Lehmann. Ihr Bild eines zerbrechlichen, androgynen Menschen mit Vogel-Kapuze, großen Kulleraugen und dem Titel „My Superhero Power is Forgiveness“ begeisterte die Mannheimer Bevölkerung so sehr, dass seitdem jedes Jahr neue Wandgemälde dazukommen.

Streetart Szene will sich vernetzen

So ist ein Open Urban Art Museum mit dem Titel STADT.WAND.KUNST entstanden, mit inzwischen mehr als 40 Murals im gesamten Mannheimer Stadtgebiet. Allerdings sei die Street-Art-Szene national wie international in der zeitgenössischen Kunstszene trotz höchster Qualität, Aktualität und Reichweite stark unterrepräsentiert, sagt Sören Gerhold, Kurator und Gründer von STADT.WAND.KUNST. 

Die Szene ist nicht ausreichend gefördert, um ihr volles Potential auszuschöpfen.

Um daran etwas zu ändern, wollen die Organisator*innen und Künstler*innen nun ein internationales Netzwerk für Streetart-Projekte gründen.

Streetart ist männlich dominiert

Streetart gibt es bereits seit Jahrzehnten. Eines der ersten großen Wandgemälde entstand Ende der 60er-Jahre an der Großen Freiheit in Hamburg. Etwa seit der Jahrtausendwende ist die Bewegung immer stärker geworden, besser organisiert und sie sucht legale Wege für ihre Kunst.

Viele Street-Artist*innen kommen aus der Graffitiszene, diese Szene sei stark männlich dominiert, sagt Jasmin Siddiqui, alias „Hera“: „Ein grundlegender Gedanke des Graffiti-Writings ist, das Revier zu markieren“, so Jasmin Siddiqui. Frauen und Mädchen läge dies eher fern.

Streetartists sind Geschichtenerzähler

Wie Jasmin Siddiqui möchten viele der aktuellen Streetart-Künstler*innen bei den Passanten zum Nachdenken anregen. Sie verstehen sich als Geschichtenerzähler, deren Bilder mehr sein sollen als reiner Wandschmuck.

In Mannheim nehmen viele der Murals deshalb auch Bezug auf ihre direkte Umgebung, etwa eine Schule, ein Hospiz oder eine ehemalige Militär-Anlage. Entstanden ist damit ein frei zugängliches Museum mit Kunst für alle.

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