Strukturwandel im Appenzellerland

Der Schweizer Fotokünstler Ueli Alder erhält den Konstanzer Kunstpreis 2024

Stand
Autor/in
Barbara Paul

Wälder, Wiesen und Felder im Appenzellerland: Ueli Alders Landschaftsfotografien wirken zeitlos. Doch Details wie verlassene Höfe oder ein verfallenes Bauernhaus verweisen auf den tiefgreifenden Wandel in der Ostschweizer Kulturlandschaft. Nun wird der Fotograf mit dem Konstanzer Kunstpreis geehrt.

Blätterwälder im Chlorophyll-Filter

Scarlett light – das im Titel der Schau angekündigte „scharlachrote Licht“ ist tatsächlich das Erste, was einem auf den Landschaftsfotografien Ueli Alders ins Auge springt. Dichte Blätterwälder, Wiesen, langgezogene Felder erscheinen grell rötlich eingefärbt.

Ein digitaler Kunstgriff? Nein. Ueli Alder hat dafür lediglich einen Infrarot-Film in seine Kamera eingelegt: „Ich zeige die Welt in einem Spektrum, wie wir sie mit unseren Augen nicht sehen können – wie es nur die Maschine kann“. sagt Alder.

Der Konstanzer Kunstpreis an Ueli Alder
„Das Appenzellerland ist auch der Wilde Westen“, sagt Ueli Alder, der seine Heimat, das Appenzellerland, gerne wie eine Filmszene inszeniert.

Das Ergebnis sind Falschfarben. „Überall da, wo Chlorophyll drin ist, wird das Grün zum Rot.“

Wie der Klimawandel die Landschaft verändert

So leuchtet etwa der Wald oberhalb eines 500 Jahre alten Bauernhauses ganz in Rot. Zwischen den Bäumen haben sich Mulden mit Geröll gebildet - das Resultat von Starkregen.

Auf den Wiesen liegen abgestorbene Äste herum. Hier lebt und arbeitet niemand mehr. „Auch die Kulturlandschaft von der Ostschweiz ist vom Klimawandel, also von Unwettern und zu viel Regen betroffen. Und davon, wie wir die Landschaft ausbeuten.“

Strukturwandel im Appenzell

Veränderung, das Appenzell früher, das Appenzell heute spielen, eine große Rolle im Werk von Alder. Sein 2003 verstorbener Vater, Ruedi Alder, war einer der bekanntesten Bauernmaler im Appenzell. Detailreich und filigran hielt er die Landschaft und das Brauchtum in einer Heile-Welt-Stimmung fest.

Der Konstanzer Kunstpreis an Ueli Alder
Die scharlachrote Färbung ist keine digitale Nachbearbeitung, sondern Ergebnis eines Infrarot-Films in der Kamera.

Sein Sohn gleicht nun seine Fotografien an diesen Gemälden ab. Die alten Bauernhäuser gebe es zum Teil nicht mehr. „Oder man lässt sie stehen und verkommen. Es gibt immer weniger Bauern, die immer mehr Land haben. All diese Häuser braucht es nicht mehr.“

Fotos erzählen Geschichten aus der Heimat

Ueli Alder ist 1979 im Appenzell geboren. Er macht zunächst eine Lehre als Kunststofftechnologe und studiert dann an der Hochschule der Künste in Zürich Fotografie.

Bereits in der Fotoserie seiner Abschlussarbeit zeigt er einen starken erzählerischen Stil. Er inszeniert seine Heimat zwischen Appenzeller Idylle und Wildem Westen – tritt dabei selbst mal als Lonesome Cowboy, mal als Älpler in Tracht auf, zieht mit Kühen auf die Alp, watet wie ein Bauer mit Pfeife durch tiefen Schnee.

Verlust der Heimat und Rückkehr

Arbeiten, die auch für eine Auseinandersetzung nach einem großen Verlust stehen: Nach dem frühen Tod beider Eltern kurz vor Studienbeginn habe der Künstler seine Heimat zurücklassen müssen. Erst für die Abschlussarbeit kehrte er zurück: "Da habe mich mit dem kulturellen Erbe meines Vaters und der Kultur meiner Heimat auseinandergesetzt."

Der Konstanzer Kunstpreis an Ueli Alder
Wie Struktur- und Klimawandel auf die Ostschweizer Kulturlandschaft einwirken ist häufig Thema in Alders Fotografien.

Nach seinem Abschluss zieht es ihn mit einem Stipendium tatsächlich in die USA. Am „Art Institute“ in Chicago lernt er alte fotografische Techniken kennen. Bis heute prägen sie sein künstlerisches Schaffen.

„Ich betrachte mich als Handwerker“

Wie etwa Cyantopie, ein nachhaltiges und umweltverträgliches Druckverfahren, wofür er die Chemikalien selbst zusammenmischt. „Ich brauche Technik, um das sagen zu können, was ich möchte. Ich betrachte mich als Handwerker. Ich muss selbst Hand anlegen.“

Das sieht man in seinem Atelier, das sich im Erdgeschoss seines 300 Jahre alten Hauses in einem Ostschweizer Dorf befindet: alte Plattenkameras, Reagenzgläser. Aber auch Laptops und Drucker.

Analoge Fotografie schafft Unikate

Alder nutzt auch digitale Technik – und sei es nur, um eine Fotografie aussehen zu lassen, als sei sie uralt. Das Analoge, der aufwendige Abzug nur eines Fotos, ist für Alder jedoch viel entscheidender.

Dadurch kann er, wie ein Maler, Unikate schaffen. Im Konstanzer Kunstverein kann man sehen, wie authentisch dadurch die Arbeiten des neuen Konstanzer Kunstpreisträgers wirken.

Mehr Fotografie im Südwesten

Fotografie Home again: Ulmer Foto-Ausstellung über Migration

Genau an dem Wochenende, an dem die AfD ihren Landesparteitag in Ulm abhält, eröffnet das Stadthaus am 6. Oktober seine neue Foto-Ausstellung zum Thema Migration: „Home again“.  

SWR Kultur am Samstagnachmittag SWR Kultur

Basel

Fotografie-Kunst Von Eseln und Menschen: Fotos des Kanadiers Jeff Wall in Basel

Ein Kind fällt vom Baum, auf der Straße liegt ein Baby, vier Männer toben auf dem Feld… Die oft bizarren Bildwelten des kanadischen Fotokünstlers Jeff Wall – zu sehen in Basel.

SWR Kultur SWR

Stand
Autor/in
Barbara Paul