Der Stuttgarter Presse-Fotograf Burghard Hüdig hat ein halbes Jahrhundert lang das politische und gesellschaftliche Geschehen von der Landeshauptstadt aus in Bildern festgehalten. Eine Ausstellung im baden-württembergischen Landtag zeigt nun nicht nur Hüdigs Fotos, sondern auch, wie und wozu sie entstanden: aus der Perspektive eines Beobachters, aber auch als Inszenierung politischer Amtsträger, deren Image Hüdig formt.
Kiesinger war von der Idee eines Wasser-Shootings wenig angetan
Burghard Hüdig war ein junger, ehrgeiziger und auf Jobs angewiesener Pressefotograf in Stuttgart, als er im August 1967 eine Mission Impossible annahm: Arno Henseler, Chef der SDR-Landesschau, wollte Fotos des Bundeskanzlers beim Baden – Kiesinger machte gerade Urlaub am Bodensee.
„Wenn du das schaffst, bist du der Größte“, schmeichelte Henseler und Hüdig fuhr postwendend los. Kiesinger war allerdings not amused, als der Fotograf beim Mittagessen am Seeufer erschien und seine reichlich respektlose Idee auftischte.
„Bundeskanzler Kiesinger war von der Idee, sich schwimmend, also gewissermaßen halbnackt, im Wasser plantschend zu zeigen, überhaupt nicht angetan. Er fürchtete sicherlich um sein Image und war misstrauisch, wie diese Bildbotschaft dann im Volk ankommen würde“, erzählt Thomas Fritz vom Hauptstaatsarchiv in Stuttgart, wo er mit Hüdigs Nachlass arbeitet.
Hüdig ließ nicht locker
Kiesinger raunzte damals ungnädig, er sei ja wohl nicht Mao – der Große Steuermann hatte kurz zuvor durch öffentliches Schwimmen im Yangtze seine Fitness demonstriert. Vielleicht kannte Kiesinger auch noch den Presse-Skandal um ein Foto des Weimarer Republik-Präsidenten Ebert in lächerlicher Badehose, mit bloßem Bauchspeck am Strand – damals ein gefundenes Fressen für Feinde der Demokratie.
Wie auch immer, Hüdig ließ nicht locker, und schließlich lenkte Kiesinger ein. In einem kleinen Gewässer nahebei, ohne neugierige Zuschauer, fand noch am selben Nachmittag eine denkwürdige Foto-Session statt.
Der Kanzler beim Baden als fotografischer Durchbruch
„Hüdig dirigierte den regierenden Kanzler der Bundesrepublik einige Runden durchs Wasser. Einige Aufnahmen, einige Posituren, gefielen ihm anfangs nicht. So musste der Kanzler immer wieder von Neuem vom Landesteg ablegen, wobei aber Kiesinger jedes Mal nicht vergaß, seinen Leibwächter um den Kamm zu bitten, damit sein Seitenscheitel wieder ordentlich gerichtet werden konnte“, so Thomas Fritz.
Der adrette Kanzler beim Baden war Hüdigs Durchbruch als Fotoreporter. Gleichzeitig enthält dieser frühe Volltreffer schon die ganze Ambivalenz der Rolle des Bildschöpfers im politischen Raum: Wer kreiert welches Image, wer kontrolliert diesen Vorgang, und wer profitiert davon?
Moderne Herrscher-Porträts
Hüdig wurde später, halb ironisch, oft als Hof-Fotograf tituliert. Spielerisch leicht geht in seiner Arbeitsweise der klassische Bildjournalismus ins Genre moderner Herrscher-Porträts über.
„Hüdig lieferte offensichtlich auch Bildideen, auf die die Politiker nicht gekommen sind. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Radfahrt Ministerpräsident Späths durch das morgendliche Shanghai“, erzählt Fritz, wo Hüdig den Ministerpräsidenten so lange hat radeln lassen, bis der passende Schuss im Kasten war.
Doch Hüdig war auch Dokumentarist der Zeitläufe. Er fotografierte Gastarbeiter und Umweltproteste, Stammheim und den VfB. Und manchmal hatte er geniale Momente beim visuellen Verdichten großer Ereignisse.
Crankos Koffer als Sinnbild der Tragik
Als John Cranko 1973 beim Flug aus Amerika nach Stuttgart unerwartet verstarb, fand Burghard Hübig dazu ein unvergessliches Symbolbild.
Er begab sich in die Gepäckausgabe des Stuttgarter Flughafens und fand tatsächlich drei Koffer von John Cranko, die nie wieder abgeholt werden würden, und machte dort ein Bild, das „eigentlich die ganze Tragik dieses Ereignisses deutlich macht“ bilanziert Fritz.
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Ausstellung Die inszenierten Bilder des kanadischen Fotokünstlers Jeff Wall in der Fondation Beyeler
„Alle Kunstwerke, die uns beeindrucken haben eine „Jetzt-Qualität.“ Und sie scheinen nie alt zu werden. Ich hoffe, das ist bei meinen Bildern auch der Fall.“, sagt der Fotokünstler Jeff Wall. Mit einer umfangreichen Werkschau zeigt die Fondation Beyeler in Basel, wie vielfältig die Arbeiten des Kanadiers sind. Jeder Ausstellungsraum ist ein Bilderkosmos, der die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Realität und Fotografie immer neu stellt.