Als Investmentbanker an der Wall Street in New York hat er ein Vermögen gemacht und dem Börsenjob mit 45 Jahren Adieu gesagt, um sich mit Haut und Haar der Fotografie zu verschreiben. „Es ist wie eine Liebschaft“, beteuert der Deutsch-Amerikaner.
Es braucht „eine wahnsinnig Liebe zu dem, was man macht, eine wahnsinnige Intensität und Fokussierung und natürlich eine Strategie und ein Konzept“, erklärt der US-Millionär sein Erfolgsrezept. Strategisches Denken hat Artur Walther nicht nur als Student in Harvard und Banker bei Goldman Sachs, sondern auch bei der Entwicklung seiner Sammlung an den Tag gelegt. Der gebürtige Schwabe hat mittlerweile eine der wohl größten Privatsammlungen afrikanischer und asiatischer Fotografie in der Welt: The Walther Collection.
„Das Who is Who der Fotografie hat mich nie interessiert.“
Über den renommierten nigerianischen Kurator Okwui Enwezor, der die Documenta 11 geleitet hatte, kam Walther in New York mit Fotokunst aus Afrika in Berührung, als sich kaum jemand in der westlichen Welt dafür interessierte. Seydou Keïta ist inzwischen berühmt als Porträtist der afrikanischen Mittelschicht der 1950er Jahre in der malischen Hauptstadt Bamako.
Ein anderer wichtiger Vertreter der Sammlung, Samuel Fosso, in Kamerun geboren, in Nigeria aufgewachsen, sorgt als „Mann mit den 1.000 Gesichtern“ für Furore. Seine ausgeklügelten Selbstinszenierungen als Berühmtheiten der afrikanischen und afro-amerikanischen Geschichte sind grandios und touren durch die Museen.
„München ist ein Höhepunkt, ja, es ist die Krönung“
Aufsehenerregende Ausstellungen wandern regelmäßig nach New York und Paris, Arles oder Marseille, nach Stockholm, Berlin, Amsterdam, Madrid. Kürzlich hat Artur Walther aber seine bis dato größte Ausstellung im Haus der Kunst in München eröffnet: rund 3.000 Fotografien und Videos von Künstlerinnen und Künstlern aus vier Kontinenten: Es ist ein Querschnitt durch die beeindruckende Sammlung und zugleich ein Streifzug durch die Geschichte der Fotografie im globalen Kontext.
Unter dem Titel „Trace“, also Spur, sind Serien und Porträts aus drei Jahrhunderten zu sehen: von den ersten Daguerreotypien 1850 bis zu zeitgenössischen Positionen aus Europa, Afrika, Asien und den USA.
Anhand von fotografierten Gesichtern, Köpfen, Körperlandschaften und zahlreichen Porträtserien nimmt die Münchner Ausstellung zentrale Themen der Walther Collection wie Identität, Sexualität, Selbstdarstellung in den Blick. Für Artur Walther, der im Herbst in New York seinen 75. Geburtstag feiert, ist es „die Krönung“ seiner Sammelleidenschaft.
Charmanter Museumscampus in der schwäbischen Provinz
Um „frei und unabhängig“ zu sein hat der Kunstsammler, mit der markanten bordeauxroten Brille von Alain Mikli aus Paris, bereits 2010 ein Privatmuseum eröffnet. Ein moderner weißer Kubus reicht tief in die Gartenerde der dörflichen Siedlung im Neu-Ulmer Stadtteil Burlafingen, ergänzt von einem typischen Einfamilienhaus, das mit Efeu bewachsen ist, das Grüne Haus, und einem Flachdachbau, das Schwarze Haus, in dem Walther auch wohnt, wenn er den früheren Familiensitz besucht.
Walther stammt aus eher einfachen Verhältnissen, der Vater fuhr LKW, die Mutter war Hausfrau. Sein internationaler Aufstieg ist ihm gewiss nicht in die Wiege gelegt, die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium, in den 1950er Jahren noch Bedingung, schafft er erst im zweiten Anlauf, erzählt er freimütig. Doch schon das Wirtschaftsstudium in Regensburg absolviert er mit Bestnoten und wird anschließend an 14 amerikanischen Universitäten angenommen, der Beginn seiner steilen Doppelkarriere.
TV-Sendung „Kunst sammeln mit... Artur Walther“:
„Das hat uns alle verblüfft.“
In der aktuellen Ausstellung „Seite an Seite“ zeigt er zwei seiner Lieblinge, die er persönlich kannte, die beiden berühmtesten Fotografen Südafrikas: Santu Mofokeng und David Goldblatt, der eine schwarz, der andere weiß. Rund 120 Werke ausschließlich aus eigenen Beständen, denn niemand auf der Welt hat so viel von Mofokeng und Goldblatt gesammelt wie er.
Mofokeng kommt aus Soweto und gilt als Poet und Visionär unter den Fotografen. Sein weißer Lehrer Goldblatt zählt eher zu den nüchternen Chronisten der Apartheid. Bei aller Unterschiedlichkeit enthüllt die dialogische Schau, indem sie die beiden Künstler ohne Ansehen der Person nur thematisch gruppiert, wie ähnlich und wie nah sie sich sind.
Das hat den Sammler aus Passion und auch seine Londoner Kuratorin Tamar Garb, selbst in Südafrika aufgewachsen, erstaunt. „Das hat uns alle verblüfft“, freut sich Walther über das gelungene Experiment. Denn Entdeckungen jenseits des gewohnten oder ethnozentrischen Blicks sind seine Mission: „Das Nichttraditionelle, das Nichtdeutsche, das Andersartige“.