Der Politthriller „Herrhausen – Der Herr des Geldes“ erzählt, wie Alfred Herrhausen in den 1980er-Jahren an die Spitze der Deutschen Bank aufstieg und zu einem der mächtigsten Männer des Landes wurde. Oliver Masucci brilliert in der Titelrolle des charismatischen Wirtschaftsbosses, der im November 1989 bei einem bis heute ungeklärten Bombenattentat ermordet wurde. Die ARD-Serie beleuchtet auch dessen Bedeutung für den Mauerfall und mögliche Hintergründe seines Todes.
1987 propagierte Herrhausen einen Schuldenerlass für arme Länder
Alfred Herrhausen hatte das Talent, Menschen gegen sich aufzubringen. Aber er tat es meist mit Kalkül, fest überzeugt, dass seine Ideen die richtigen waren. Ein Schuldenerlass für arme Länder zum Beispiel war 1987 eine unerhörte Idee, Herrhausen propagiert sie nach einem Treffen mit dem mexikanischen Staatschef. Und erntet dafür vor allem Kritik aus dem eigenen Haus
Helmut Kohl erkennt historische Chance für Russland-Kredite
Man mag es einem Banker kaum zutrauen, aber wirtschaftliche Macht und soziale Verantwortung gehören für Herrhausen untrennbar zusammen, im Wissen, dass Menschen in Armut nicht in der Lage sind, eine funktionierende Marktwirtschaft aufrecht zu erhalten, die wiederum dem Bankenwesen nützt.
Als er Akten über den Zustand der sowjetischen Volkswirtschaft zugespielt bekommt, will er Kredite vergeben als Türöffner für deutsche Unternehmen. Sein Freund Helmut Kohl ist sich bewusst, dass das bei den West-Alliierten nicht gut ankommt, wittert aber die historische Chance der Wiedervereinigung
Grandios aufspielender Oliver Masucci in der Titelrolle
Die toll besetzte Miniserie ist kein klassisches Biopic, ihre Konzentration auf die letzten zwei Jahre im Leben von Alfred Herrhausen wirkt konsequent – wie eine Lupe auf eine zeitgeschichtliche Figur, die im Zusammenhang mit dem Mauerfall bisher eher im Kleingedruckten vorkommt. Das macht ihn für Drehbuchautor Thomas Wendrich gerade so interessant, dabei erscheint sein Charakter besonders schillernd
Dank eines grandios aufspielenden Oliver Masucci ist Herrhausen durchaus Sympathieträger, als moralischer Kapitalist, sogar als charismatischer Machtmensch, dem es mit der Internationalisierung und Modernisierung seiner Bank nicht schnell genug gehen kann.
Ein eitler Besserwisser, aber mit Humor, ein durchaus liebevoller Ehemann, dessen Frau Traudl (Julia Koschitz) seiner Karriere vieles unterordnet. Herrhausen erscheint aber auch als zunehmend Getriebener, der sich isoliert.
Serie bis in die Details herausragendend
Die von Pia Strietmann inszenierte Serie ist in vielen Details herausragend: Schnitt, Ausstattung, die Musik dient mal als Kommentar, mal gibt sie emotionale Tiefe. Durch Herrhausens Tagträume von seiner eigenen Ermordung eröffnen sich assoziative Räume. Herrhausen steht auf Todeslisten.
Neben der brisanten politischen Weltlage bildet das die Grundlage für die Thrillerelemente der Serie: schusssichere Westen, Probeszenarien für mögliche Anschläge. In schnellen Wechseln geht es von der Frankfurter Bankenwelt oder dem Bungalow in Bad Homburg zu Terrorcamps der RAF im Libanon.
Keine neuen Erkenntnisse zur Ermordung Herrhausens
Weil entscheidende Akten und Dokumente in den Archiven entweder nicht vorhanden sind oder nicht freigegeben wurden, kann die Serie kaum neues Licht in die Umstände von Herrhausens Ermordung bringen.
Spekulationen über Geheimdienstverwicklungen von Stasi bis zur CIA
Aber ihre Spekulationen über mögliche Geheimdienstverwicklungen von der Stasi bis zur CIA wirken nicht aus der Luft gegriffen. Ihnen war Herrhausen ein Dorn im Auge, weil er in Ost-Westblöcken fest zementiertes Denken aufbrechen konnte.
Eine Fähigkeit, die man heute schmerzlich vermisst, während in vielen Ecken der Welt, in vielen Köpfen neuer Beton angerührt wird.
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30.11.1989 | Eine Bombe tötet den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen. Die RAF bekennt sich zur Tat. Doch bis heute konnten die Täter nicht ermittelt werden. Alfred Herrhausen war ein untypischer Bankchef, der sich der Öffentlichkeit stellte, sich in Osteuropa engagierte und für einen Schuldenerlass gegenüber afrikanischen Ländern warb. Auch war er ein persönlicher Vertrauter des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl.
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