Das Theaterstück „Moby Dick – Reflexion unter steigenden Temperaturen“ am Pfalztheater Kaiserslautern ist klimaneutral produziert. Bei Kostümen, Bühnenbild, selbst beim Boden: Überall wurde auf Nachhaltigkeit geachtet. Doch funktioniert das auch?
Schon seit geraumer Zeit wird in Kunst und Kultur Wert auf Nachhaltigkeit gelegt – meist aber eher beim Produkt.
So werden Kunstwerke aus alten Kleidern, ausrangierten Elektrogeräten oder Abfall geschaffen oder die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit bei Performances, Filmen oder Theaterstücken aufgegriffen. Dass die Produktionen selbst aber häufig wenig klimaneutral sind oder waren, wurde zunächst nicht bedacht.
Kultureinrichtungen erstellen Klimabilanz
Ein echter Wandel fand 2021 statt, als man in einem bundesweiten Pilotprojekt der Kulturstiftung des Bundes Daten von insgesamt 19 unterschiedlichen Kultureinrichtungen erhob, um eine Klimabilanz zu erstellen.
Hierbei wurde untersucht, an welchen Stellen der größte CO2-Fußabdruck hinterlassen wird. Und tatsächlich kam dabei heraus, dass der größte Teil der Emissionen bei der Besucher- oder Mitarbeiteranreise oder durch die Veranstaltung selbst entsteht.
Pfalztheater Kaiserslautern: nachhaltig im doppelten Sinne
Am Pfalztheater Kaiserslautern wird das Thema Klimaneutralität und Nachhaltigkeit bei „Moby Dick“ gleich in doppelter Weise behandelt.
Einerseits reflektiert die Inszenierung von Regisseur Robert Neumann die Inhalte des Romans von Herman Melville unter dem Eindruck der Klimakrise: Zur Zeit des Erscheinens des Romans 1851 wurde in großem Stil Walfang betrieben, um den Tran, Öl aus dem Fettgewebe der Tiere, für Lampen oder zum Schmieren von Maschinen zu verwenden.
John von Düffel empfiehlt „Moby Dick“ von Herman Melville
Neumann sieht darin eine Art Parallele zur heutigen Zeit, vielleicht sogar den Ursprung der Klimakrise. Bereits damals wurde zum Zwecke der Industrialisierung der Klima-, Natur- und Tierschutz hintangestellt.
Andererseits versucht das Theater auch bei der Umsetzung die Themen Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken und inszeniert klimaneutral. Zugleich erhofft man sich auch eine Debatte zum Thema Klimawandel und Raubbau mit der Umwelt anzustoßen.
Am Premierenwochenende vom 4.-5. Mai wird es deswegen am Pfalztheater ein sogenanntes Klima-Fokus Wochenende mit Vorträgen, Workshops und anderen Aktionen wie Anleitungen zum Upcycling, Reparaturarbeiten in Eigenregie oder zum Bau eines Wildbienenhauses geben.
Was bedeutet eigentlich klimaneutral?
Deutschland will bis 2045, Baden-Württemberg schon bis 2040 klimaneutral werden. Um einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen, müssen auch sämtliche staatlichen Einrichtungen ihren CO2-Fußabdruck im Auge behalten. Aber was bedeutet „klimaneutral“ eigentlich?
Zunächst einmal heißt das, dass etwa durch Produktionen, Veranstaltungen oder bei der Fortbewegung klimaschädliche Gase in der Atmosphäre nicht erhöht werden.
Wie das allerdings geschieht, ist das Entscheidende. Klimaneutralität kann man sich in gewisser Weise nämlich auch erkaufen, in dem man beispielsweise einen Ausgleichsbeitrag an eine Organisation bezahlt, die die Emissionen an anderer Stelle reduziert.
Das ist aber nicht die Lösung, da somit die Emissionen in Deutschland nicht reduziert werden und auch kein Anreiz für Innovationen geschaffen wird. Deshalb ist es besser, wenn man selbst, in der eigenen Produktion oder Veranstaltung auf Klimaneutralität setzt und den CO2-Ausstoß reduziert.
Pfalztheater setzt bei Inszenierung auf Klimaneutralität
Genau das macht das Pfalztheater Kaiserslautern bei „Moby Dick“. So kommen beim Bühnenbild laut Neumann echte alte Segel, die ansonsten weggeworfen worden wären, oder statt eines PVC-Bodens ein Tanzteppich aus Linoleum, der mit Kork unterfüttert ist, zum Einsatz.
Auch die gesamten Requisiten oder Kostüme sollen wiederverwendet werden, indem sie an andere Kultureinrichtungen weitergereicht werden.
Jeder, der das Auto stehen lässt, bekommt ein Freigetränk
Da aus der Klimabilanz hervorging, dass ein großer Teil der CO2-Belastung durch An- und Abreisewege, sei es durch das Publikum oder die Mitarbeitenden, verursacht wird, setzt das Theater nicht nur bei der eigenen Wahl der Transportmittel an, sondern bietet auch für das Publikum einen Anreiz: Jeder, der zur Vorstellung klimaneutral kommt, erhält ein Freigetränk.
Und auch inhaltlich und musikalisch wird das Thema Klimakrise behandelt – Texte dazu, etwa von Bruno Latour oder Alana Mitchell und ein Mix aus mystischen Walgesängen und Seefahrerliedern trifft auf den stampfenden Rhythmus heutiger Containerschiffe.
„Moby Dick“ ist Teil des Klimaprojekts „Fonds Zero“
Die klimaneutrale Produktion ist Teil des Programms „Zero“ der Kulturstiftung des Bundes, das im Anschluss an die vorgenommene Klimabilanzierung entstanden ist.
Von 2022 bis 2027 werden 25 Projekte mit insgesamt acht Millionen Euro gefördert. Darunter etwa: „Mary, Queen of Scots” an der Oper Leipzig, das Jugendtheaterstück „Funken“ am Staatstheater Braunschweig oder die Tanzperformance „Melodrama Suits Her“ im Theater Hebbel am Ufer (HUA) in Berlin.
Als größte ökologische Herausforderung betrachtet das Pfalzheater das Heizen und Kühlen der Proben- und Aufführungsräume. Der klimafreundlichste Umgang damit wird während des Projekts noch erforscht.
Um voneinander zu lernen, finden regelmäßige Treffen der Projektteilnehmer statt. So sollen Wissen und Erfahrungen ausgetauscht werden, um die Kulturlandschaft auf lange Sicht insgesamt klimafreundlich gestalten zu können.
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Gespräch Moby Dick – Pfalztheater Kaiserslautern inszeniert klimaneutral
Regisseur Robert Neumann hat mit Herman Melvilles Roman von 1851 über Kapitän Ahab und seine erbitterte Jagd auf den verhassten weißen Wal erstmals in Kaiserslautern eine „klimaneutrale“ Inszenierung auf die Bühne gebracht. “Die Bühnenbilder sind aus alten Segeln gemacht, die sonst weggeworfen worden wären. Und wenn das Stück abgespielt ist, werden alle Elemente weitergegeben an andere Kultureinrichtungen“, so Robert Neumann mit Beispielen. Auch das Publikum werde eingebunden mit Workshops und Podiumsdiskussionen rund um die Premiere am 4.Mai. “Moby Dick“ sei als Stück besonders geeignet. Denn mit dem Walfang habe man damals Oel für Lampen und Maschinen gewonnen: “So kann man den Bogen zu heute schlagen und sich fragen, ob unsere (Umwelt)probleme von heute ihren Ursprung haben in dieser Zeit“.
Klassiker-Tipp John von Düffel empfiehlt „Moby Dick“ von Herman Melville
Unbedingt wieder lesen: „Moby Dick“ von Herman Melville. Der Schriftsteller John von Düffel empfiehlt den Roman über die Jagd nach dem weißen Wal, um über das Verhältnis von Mensch und Natur nachzudenken.
Klassikertipp von John von Düffel.
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Buchkritik Bruno Latour - Wo bin ich?
Nach der Pandemie gibt es kein Zurück mehr zum alten Leben, meint der französische Philosoph und Wissenschaftssoziologe Bruno Latour. Die Klimakrise wird die Menschheit zu einem neuen Naturverständnis zwingen, zu mehr "Erdverbundenheit", wie es der postmoderne Theoretiker formuliert. Eine Zäsur, die er mit der kopernikanischen Wende vergleicht.
Rezension von Gerhard Klas.
Aus dem Französischen von Achim Russer und Bernd Schwibs
Suhrkamp Verlag, 199 Seiten, 16 Euro
ISBN 978-3-518-12771-1