Parteichef Stephan Wefelscheid und zwei weitere Vorstandsmitglieder der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz haben ihren Rückzug begründet. Dabei geht es offenbar vor allem um die künftige Ausrichtung der Partei.
Der sichtbar angeschlagene scheidende Landeschef Wefelscheid sprach am Mittwoch in Mainz von einer Metamorphose, die die Freien Wähler gerade durchliefen, eine inhaltliche Neuausrichtung sei im Gange. Er würde nicht so weit gehen, dass sich die Partei an den rechten Rand begebe, aber "wir haben einen sehr, sehr konservativen Flügel", sagte Wefelscheid.
Als Beispiel nannte er einen Antrag für den Landesparteitag der Freien Wähler am vergangenen Wochenende in Kordel, keine Regenbogenflaggen an öffentlichen Gebäuden zu erlauben. Wenn sich die Partei mit solchen Themen befassen wolle, sei er inhaltlich an einem Punkt zu sagen: "Da bin ich nicht der richtige Vorsitzende."
Degen: "Eine Bewegung will die Partei an den rechten Rand verschieben"
Wesentlich deutlicher wurde Landesschatzmeister Marco Degen, der ebenfalls seinen Rückzug zum 31. Dezember angekündigt hat. Degen sagte, es gebe "Versuche, die Inhalte der Landespartei zu verschieben, raus aus der Mitte der Gesellschaft, hin zum rechten Rand des politischen Spektrums." Das könne er nicht mittragen.
Als Beleg nannte er das unter der Federführung von Generalsekretär Christian Zöpfchen entstandene Parteiprogramm. Dieses ähnele einer Sammlung von Stammtischparolen und bediene rechtsnationale Thesen und Ressentiments, so Degen. Degen zitierte daraus folgende Auszüge:
- "Wir fordern eine vollständige Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft, um politische Einflussnahme auszuschließen."
- "Die Freien Wähler kämpfen für eine Gesellschaft, in der jeder Mensch seine Meinung frei und ohne Angst vor Repressionen äußern kann."
- "Die Freien Wähler fordern die Stärkung des klassischen Familienbildes. Das Familienbild besteht aus Mutter, Vater und Kind/Kindern, und stellt die Grundlage für eine stabile und funktionierende Gesellschaft dar."
Ähnliche Inhalte und Forderungen findet man auch in Programmen der AfD.
Delegiertentreffen der Freien Wähler Freie Wähler-Landesvorsitzender Wefelscheid erhält weiteren Dämpfer
Bei den rheinland-pfälzischen Freien Wählern hat der in die Kritik geratene Landesvorsitzende Stephan Wefelscheid einen weiteren Dämpfer erhalten.
Wefelscheid: Ich wurde durch die Hintertür zum Rückzug gedrängt
Als einen Grund für seinen Rückzug vom Landesvorsitz nannte Wefelscheid auch den Verlauf des Parteitages in Kordel. Dort wurde nicht Wefelscheid, sondern ein überraschend aufgestellter Gegenkandidat von den Delegierten zum Leiter des Parteitags gewählt. Wefelscheid sagte, damit habe sich gezeigt, dass eine Vielzahl von Akteuren diese Wahl genutzt habe, um ihn durch die Hintertür zum Rücktritt zu drängen.
Zu den Vorwürfen, er pflege eine autoritären Führungsstil, äußerte sich Wefelscheid nicht näher. Er bezeichnete sich selbst als geradlinig und uneitel.
Degen wiederum wies die Vorwürfe gegen Wefelscheid deutlich zurück. Diese schwebten immer noch im Raum, seien aber nie konkretisiert worden. Er habe Wefelscheid in den Jahren der Zusammenarbeit als Landesvorsitzenden erlebt, der für die Mitglieder immer ansprechbar gewesen und auch selber auf die Mitglieder zugegangen sei. Wefelscheid habe das Parteiwohl über alles gestellt, so der Landesschatzmeister.
Drumm hält sich weitgehend bedeckt
Der stellvertretende Landesvorsitzende Herbert Drumm wollte keine größere Erklärung dazu abgeben, warum er sein Amt ebenfalls niederlegen wird. Er habe schon länger darüber nachgedacht, den Platz bei der nächsten Wahl freizumachen. Wer den Parteitag in Kordel miterlebt habe, wisse aber, warum ihm der Entschluss damit sehr vereinfacht worden sei.
Mit Rückzug sollen neue Vorstandswahlen im Januar ermöglicht werden
Mit Wefelscheid, Degen und Drumm legt auch Beisitzerin Kathrin Layman zum Jahresende ihr Amt nieder. Somit sei der Weg frei für die Wahl eines neuen Vorstands im Januar 2025. Zugleich könnten dann direkt die Weichen für die Bundestagswahl 2025 und die Landtagswahl 2026 gestellt werden, heißt es in der gemeinsamen Mitteilung der vier Vorstandsmitglieder vom Dienstag. "Der geordnete Übergang des laufenden Geschäftsbetriebs wird so sichergestellt."
Streit: "Wenn die Partei mich braucht, stehe ich zur Verfügung"
Wefelscheid hielt es sich offen, erneut für den Landesvorsitz zu kandidieren. Das hänge davon ab, wie sich die Lage entwickele. Auch der ehemalige Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Landtag, Joachim Streit, schließt nicht aus, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Dem SWR sagte Streit, wenn kein Vorsitzender gefunden werde und die Partei ihn brauche, stehe er natürlich zur Verfügung. Allerdings sei er in Brüssel gebunden und von daher "ist jemand, der aus Rheinland-Pfalz kommt und dort im Landtag sitzt, immer die bessere Wahl".
Streit war bei der Europawahl ins Europaparlament gewählt worden und hatte die Landtagsfraktion in Mainz verlassen.
Generalsekretär Zöpfchen sieht keine Tendenz nach rechts"
Generalsekretär Zöpfchen teilt die Ansicht von Wefelscheid und Degen nicht, dass es in der Partei Bewegungen gibt, sich konservativer oder gar nach rechts auszurichten. Auch er strebe das nicht an, sagte Zöpfchen im SWR-Interview. Er sei ein Mensch mit liberalen Ansichten, bei dem die Sachpolitik im Vordergrund stehe.
Der Generalsekretär sprach sich dafür aus, möglichst bald einen Sonderparteitag einzuberufen, um die offenen Führungsfragen zu klären. Als mögliche Termine nannte er November, Dezember oder Januar.
Partei verliert nach Austritten den Fraktionsstatus im Landtag
Am Montag hatten zwei Abgeordnete ihren Auszug aus der Fraktion angekündigt. Diese verliert dadurch ihren Fraktionsstatus. Den Freien Wählern droht parlamentarisch die Bedeutungslosigkeit. Bernhard Alscher und Herbert Drumm positionierten sich aber als Unterstützer Wefelscheids und kritisierten den neuen Fraktionsvorsitzenden Helge Schwab. Wefelscheid hatte selbst das Amt des Fraktionschefs angestrebt, war damit aber gescheitert.
Wefelscheid erklärte am Mittwoch, sein Landtagsmandat behalten zu wollen, auch wenn es die Fraktion der Freien Wähler künftig nicht mehr gebe.
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