Deutschland ist gerade nicht besonders erfolgreich dabei, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Ganz im Gegensatz zu Kanada. Was macht das Land besser und was kann RLP davon lernen?
Er habe plötzlich eine Mail aus Kanada bekommen, ob er nicht dort arbeiten möchte, erinnert sich José aus Mexiko. Der Chemiker hatte einen guten Job, aber er entschied sich trotzdem, gemeinsam mit seiner Frau und drei kleinen Kindern dem Ruf aus dem Norden zu folgen. Das war vor 18 Jahren. Heute arbeitet José bei einer Siemens-Niederlassung in der Hauptstadt Ottawa, seine Kinder sprechen die kanadischen Amtssprachen Englisch, Französisch und zusätzlich Spanisch. Er bezeichnet sich als stolzen Kanadier und stolzen Mexikaner. Er sei froh und Kanada dankbar für die Freiheit, beides ausleben zu dürfen und sich willkommen zu fühlen.
Eine seiner Kolleginnen erzählt, dass sie mit 22 Jahren als Studentin aus dem Iran nach Kanada kam und sofort eine Arbeitserlaubnis erhalten habe. Ein Brasilianer, der ebenfalls bei Siemens arbeitet, berichtet, wie schnell seine Kinder in der Schule integriert wurden und dadurch auch in die kanadische Gesellschaft.
Zusammenarbeit zwischen Staat, Firmen und Organisationen
Von diesen und ähnlichen Erfahrungen berichten Menschen aus aller Welt der rheinland-pfälzischen Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) bei ihrem Kanada-Besuch. Immer wieder wird die Unterstützung durch die kanadische Regierung, aber auch durch Nicht-Regierungsorganisationen hervorgehoben, sei es bei der Suche nach einer Schule für die Kinder oder der Orientierung im Alltag.
Eine dieser Organisationen ist der Immigrant-Service Nova Scotia, kurz ISANS. Er bietet seit mehr als 40 Jahren einen Rundum-Service für "Newcomer", wie ISANS-Direktorin Paula Knight neu ankommende Migranten nennt. Möglichst schon vor deren Ankunft frage ISANS die individuellen Bedürfnisse der Neuankömmlinge ab, sagt Knight. Das könne ein berufsspezifischer Sprachkurs sein, Unterstützung bei der Wohnungssuche oder auch eine Traumatherapie.
In speziellen Fällen vermittelt ISANS die "Newcomer" an Experten, wie etwa Therapeuten. Oft ist das aber gar nicht nötig. Die Organisation verfügt in der Provinz Nova Scotia selbst über 500 Beschäftigte, 700 Ehrenamtliche und einen Etat von umgerechnet rund 30 Millionen Euro.
Migranten bekommen Hilfe aus einer Hand
Die Hilfe aus einer Hand ist einer der wesentlichen Unterschiede zu Deutschland, wo es zwar auch eine Reihe von Unterstützungsangeboten gibt, für die allerdings unterschiedliche Stellen zuständig sind. Sich in dem unübersichtlichen Angebotsdschungel zurechtzufinden, ist schwierig. Kanada, das sich seit jeher als Einwanderungsland begreift, verfügt über eine langjährige Erfahrung bei der gesteuerten Einwanderung.
Eine weitere Erkenntnis aus ihrer Kanada-Reise liegt für Integrationsministerin Binz darin, dass in Kanada auch die Arbeitgeber einen erheblichen Teil zur Integration beitragen, etwa indem sie an interkulturellen Trainings teilnehmen oder Beschäftigte bezahlt freistellen, damit sie ihre Sprachkenntnisse verbessern können. "Hängengeblieben ist vor allen Dingen, dass es eine ganz große Zusammenarbeit gibt zwischen allen Ebenen", sagt Binz im SWR-Interview.
Zuwanderer wären auch nach Deutschland gekommen, aber ...
Von den Siemens-Beschäftigten, die Binz in Ottawa trifft, will sie wissen, ob es für sie auch in Frage gekommen wäre, nach Deutschland auszuwandern. Durchaus, sagt ein Ingenieur aus dem Iran. Allerdings habe ihm Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung verweigert. Eine Kollegin ergänzt, auch sie wäre gerne nach Deutschland gegangen. Jedoch habe sie ein Jahr auf einen Termin beim Konsulat warten müssen, um ihre Unterlagen einreichen zu können. In der Zwischenzeit hatte sie die kanadische Aufenthaltsgenehmigung schon in der Tasche.
Druck auf Wohnungsmarkt - auch Kanada reduziert Zuwanderung
Wie die Grafik zeigt, gab es in den vergangenen Jahren eine starke Zuwanderung in das nordamerikanische Land. Waren für 2025 eine halbe Million Zuwanderer geplant, hat die Regierung von Premierminister Justin Trudeau am Donnerstag (24.10.) jedoch bekanntgegeben, diese Zahlen schrittweise zu senken.
Demnach ist jetzt von 395.000 Personen in 2025 die Rede und von 380.000 in 2026. Im Jahr darauf sollen dann nur noch 365.000 Menschen nach Kanada einwandern dürfen. Als ein Grund gilt das Bestreben der Regierung, Druck vom Wohnungsmarkt zu nehmen. Denn die öffentliche Infrastruktur und vor allem der Wohnungsbau konnte mit der Zuwanderung in den letzten Jahren nicht Schritt halten, was sich vor allem in Form hoher Immobilienpreise und Mieten niederschlägt.