Immer mehr Ältere verursachen in RLP schwere Verkehrsunfälle. Viele Senioren wollen aber mobil bleiben. Fahrschulen bieten deshalb inzwischen spezielle Kurse an.
Seniorinnen und Senioren in Rheinland-Pfalz verursachen immer mehr schwere Verkehrsunfälle. Das geht aus der Verkehrsunfallbilanz für 2023 hervor. Danach waren die Menschen über 65 Jahre an fast 29.500 Unfällen beteiligt - zwei Drittel davon hätten sie auch verursacht, sagte Innenminister Michael Ebling (SPD) Ende Februar.
Die Zahl der Toten bei Unfällen mit Senioren ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen - von 38 im Jahr 2020 bis auf 58 im vergangenen Jahr. Auffällig dabei: Die Altersgruppe ab 75 Jahre verursacht rund 65 Prozent der Unfälle mit Senioren, bei denen jemand zu Schaden kam.
In Deutschland gibt es keine Altersgrenze für den Führerschein - genauso wenig wie eine obligatorische Überprüfung der Fahrtauglichkeit oder eine Entziehung der Fahrerlaubnis ab einem bestimmten Alter. Die aktuelle Rechtslage setze auf die Eigenverantwortung der Autofahrerinnen und Autofahrer, so die Stiftung Warentest.
Viele Senioren wollen Führerschein behalten
Die naheliegendste Lösung für Senioren ist es, den Führerschein abzugeben und auf Bus und Bahn umzusteigen. Aber viele wollen "den Lappen" behalten und damit ihre Mobilität - wie die 84-jährige Ilse Kath aus Ober-Olm bei Mainz. Sie brauche das Auto für ihre vielen Freizeitaktivitäten, betont sie - ohne Auto wäre für sie eine Katastrophe. "Meine Tochter hat mal gemeint: Mama, weißt du, wie alt du bist? Wie denkst du über den Führerschein? Ich war so erschüttert! Ich habe gedacht, ich kriege Prügel. Es war für mich so furchtbar."
Zwar fühle sie sich beim Autofahren sicher, betont die 84-Jährige. Mit zunehmendem Alter seien aber Beeinträchtigungen dazugekommen. So sei sie nachtblind, seit sie wegen Grünem Star operiert wurde.
Fahreignungstests gegenüber ist Ilse Kath aufgeschlossen - auf freiwilliger Basis. Deshalb hat sie bei einer Fahrschule in Kirchheimbolanden eine Fahrpraxis-Stunde extra für Senioren absolviert.
Fahrschulen bieten spezielle Beobachtungsfahrten
"Wir bieten Beobachtungsfahrten für Seniorinnen und Senioren an", sagt Fahrlehrer Tony Kremer aus Kirchheimbolanden. Ziel sei es, die Mobilität der Betroffenen im Straßenverkehr festzustellen. Auch Automobilklubs, der TÜV und Verkehrswachten bieten spezielle Fahrsicherheitstrainings an. Die Kosten liegen laut Stiftung Warentest ungefähr bei 100 bis 250 Euro.
Wichtig sei dabei, den Senioren nach der Beobachtungsfahrt zu erläutern, was sie verbessern müssten, betont Kremer. Oft rate er dazu, Bewegungsübungen zu machen oder noch einmal Theoriestunden zu besuchen.
Wichtig sei aber auch, den Senioren Mut zu machen, so Kremer. Allerdings habe es auch schon mehrere Fälle gegeben, bei denen er nach der freiwilligen Beobachtungsfahrt gesagt habe: "Es wäre besser, wenn Du nicht mehr fahren würdest."
Ob die Betroffenen im Zweifelsfall tatsächlich aufs Autofahren verzichten, sei aber meist ihnen selbst überlassen. Kremer würde es deswegen begrüßen, wenn die zuständigen Behörden bei schwierigen Fällen eine gewisse rechtliche Handhabe hätten, entsprechende Maßnahmen auch durchzusetzen.
Mit den fahrerischen Leistungen von Ilse Kath ist Kremer allerdings zufrieden. Und auch die 84-Jährige zieht ein positives Fazit ihres freiwilligen Fahrtests. Sie habe einiges gelernt, "vor allen Dingen den Blick nach links und rechts".
ADAC begrüßt freiwillige Fahrüberprüfungen
Auch der ADAC hält Fahrüberprüfungen für sinnvoll - wenn sie freiwillig von den Betroffenen genutzt werden. "Wenn wir das verpflichtend machen, dann ist es ja eine tatsächliche Bevormundung", sagt Christian Schmidt vom ADAC Mittelrhein. "Und wir möchten, dass man nicht von einer Behörde oder von anderen Menschen bevormundet wird." Stattdessen solle die Selbsterkenntnis dazu führen, dass Menschen ein solches Angebot wahrnehmen. Denn schließlich sei es "nur zum Schutz für sich selbst und andere".
Ebling warnt vor Bürokratie-Wust
Auch im rheinland-pfälzischen Innenministerium setzt man auf Freiwilligkeit. "Ich glaube, wir Menschen sind befähigt genug, auch selbst zu erkennen, was wir noch können und wann wir Dinge auch lassen sollen", betont Innenminister Ebling. "Wir sollten weiterhin konsequent in Richtung Prävention arbeiten."
Verpflichtende Fahrtests für Senioren lehnt Ebling ab. "Ich glaube nicht, dass wir jetzt noch neue bürokratische Hürden aufbauen sollten - sei es Gesundheitscheck oder sonst etwas, was wieder enorm viel Verwaltung bedeutet."
EU-Parlament lehnt verpflichtende Tests ab
Die EU-Kommission hatte für dieses Jahr eine Reform der EU-Führerscheinregeln geplant. Unter anderem ging es dabei um die Frage, ob Autofahrerinnen und Autofahrer künftig regelmäßig ihre Gesundheit überprüfen lassen müssen - mit verpflichtenden Tests.
Das wurde vom Europäischen Parlament allerdings im Februar abgelehnt. Es bleibt also den Mitgliedsstaaten überlassen, ob sie solche Tests - freiwillig oder verpflichtend - einführen wollen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing lehnt verpflichtende Tests für Deutschland bislang ab.
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