Viele Schulen sind mit der hohen Zahl an Geflüchteten überfordert. In Wasserliesch gelingt das, was woanders schief läuft. Weil alle mitmachen: Lehrer, Eltern und die Geflüchteten.
Mathestunde in der 2 A. Das kleine Ein-mal-Eins steht auf dem Stundenplan. Die Kinder sollen die Zweier-Reihe aufsagen. Schnell hebt die achtjährige Yewa die Hand und sagt die Zahlenfolge auf. Alles richtig, lobt die Lehrerin.
Vor einem Jahr waren Yewa und ihre Mutter aus der Ukraine geflüchtet. Mit Hilfe einer Hilfsorganisation aus dem Nachbarort und engagierten Eltern hatte das Mädchen nur zwei Tage nach seiner Ankunft ihren ersten Schultag an der Grundschule in Wasserliesch (Kreis Trier-Saarburg). Inzwischen hat sie sich gut eingelebt und fühlt sich wohl. "Ich liebe die Schule. Ich habe gute Lehrer und gute Freunde hier", sagt das Mädchen und lacht.
Kritik an Landesregierung Ukrainische Flüchtlingskinder: Schulen fühlen sich allein gelassen
Sie können noch wenig deutsch – einige sind traumatisiert. Ukrainische Flüchtlingskinder müssten besser gefördert werden, fordern Lehrer. Schulleitungen an der Mosel fühlen sich vom Land allein gelassen.
Drei Kinder aus der Ukraine besuchen derzeit die kleine Grundschule an der Mosel. Yewa und ihre Freundin Nastia sind seit einem Jahr da. Von Anfang an wurden die beiden unterstützt und gefördert. So bekamen sie zum Beispiel stundenweise extra Deutschunterricht, erzählt Klassenlehrerin Christina Kopp.
Zum Konzept einer guten Integration der geflüchteten Kinder gehört auch, dass die Kinder "ganztags" die Schule besuchen. "So müssen sie den ganzen Tag eben auch Deutsch sprechen. Niemand hier spricht russisch oder ukrainisch", sagt Kopp. Das klinge vielleicht etwas negativ, würde den Kindern aber helfen, die Sprache schneller zu lernen. Yewa und ihre Freundin Nastia sprechen heute fließend Deutsch. "Sie verstehen alles, was wir sagen", sagt Kopp.
Treffen mit der Landesregierung Unterbringung von Flüchtlingen: Kommunen in RLP erwarten mehr Hilfe
Vertreter von rheinland-pfälzischen Städten, Kreisen und Gemeinden haben mit Ministerpräsidentin Dreyer über zunehmende Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen beraten.
Auch die Geflüchteten selbst machen mit. Die Mütter von Yewa und Nastia sprechen inzwischen auch sehr gut Deutsch, erzählt die Lehrerin. "Wenn ich sie anrufe, verstehen sie, was ich sage und antworten auf Deutsch". Das mache vieles einfacher. Weil die Mütter so motiviert die neue Sprache lernen, spornen sie wohl auch die Töchter an, glaubt Kopp. Das merke man im Schulalltag.
Kleine Klassen und wenige Flüchtlingskinder
Seit zwei Wochen ist ein weiteres Mädchen aus der Ukraine in der Schule. Die Schulleitung und die zuständigen Behörden wie die Kreisverwaltung Trier-Saarburg sind inzwischen eingespielt, sagt Schulleiterin Adelheit Löwenbrück.
Schon 2015, als viele Flüchtlinge aus Syrien nach Deutschland kamen, hatte die Schule Kinder aufgenommen. Die Strukturen hätten sich bewährt, seien gewachsen, sagt Löwenbrück. Jeder weiß, welche Anträge für eine Schulanmeldung nötig sind und wo man sie bekommt. Das erleichtere die Bearbeitung, die dann auch schneller gehe.
Außerdem sind die Klassen klein. 14 Schüler und Schülerinnen sind es in der Klasse von Yewa und Nastia. Gute Rahmenbedingungen, um die Neuankömmlinge gezielt fördern zu können. "Das ist schon ein großer Vorteil zu anderen Schulen", sagt auch Schulleiterin Adelheid Löwenbrück. Zusätzliches Personal für die Betreuung der Kinder sei nicht nötig. Noch könne die Schule das selbstständig stemmen.
Ohne Engagement der Eltern geht es nicht
Es ist das Zusammenspiel aus vielen Faktoren, begründet Löwenbrück die gute Integration der ukrainischen Kinder. Dass alles so reibungslos funktioniert, liege ebenfalls an den engagierten Eltern. Viele von ihnen sind auch in der Hilfsorganisation in der Nachbarbargemeinde aktiv, erzählt die Pädagogin.
Viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Mehr Flüchtlinge in Rheinland-Pfalz angekommen als 2015
Rheinland-Pfalz hat in diesem Jahr mehr Geflüchtete aufgenommen als 2015 - dem Jahr mit dem bisherigen Höchststand. Den allergrößten Teil stellen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
Die Eltern übernehmen Patenschaften für die Geflüchteten, helfen bei Behördengängen und besorgen auch mal schnell und unbürokratisch die Schulmaterialien für die Kinder. "Wir sind hier im ländlichen Raum. Da ist das Ehrenamt noch stärker vertreten als das vielleicht in einer anonymen Stadt der Fall ist", sagt die Schulleiterin.
Das ermöglicht eine Form der Unterstützung, die es an anderen Schulen oft nicht gibt. Das weiß auch Löwenbrück. Und das macht sie auch ein bisschen stolz, sagt sie. Denn Kinder wie Yewa profitieren davon. Heute und vielleicht auch später einmal in der Ukraine.
Aktuelle Berichte, Videos und Reportagen Krieg gegen die Ukraine - Ein Dossier
Seit mehr als 1.000 Tagen tobt Russlands Angriffskrieg in der Ukraine. Seine Auswirkungen sind auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz spürbar.