Prozess gegen mutmaßliche Corona-Widerstandsgruppe

Angeklagte von der Mosel berichten von Ängsten und Panik während der Pandemie

Stand

Drei Männer von der Mosel sollen eine bewaffnete Widerstandsgruppe gegen Corona-Maßnahmen gebildet haben. Am zweiten Prozesstag ging es um Ängste und Panik der Angeklagten.

"Ich habe in dieser Corona-Pandemie unglaubliche Ängste erfahren", sagte ein 63-jähriger Angeklagter am Freitag vor dem Landgericht Koblenz. Er schäme sich und bereue es heute, nicht mit mehr Verstand gehandelt zu haben. 

Der Gedanke an verpflichtende Impfungen habe bei ihnen eine regelrechte Panik ausgelöst, hieß es in der Aussage eines zweiten 57-jährigen Angeklagten, die von dessen Anwalt an diesem zweiten Prozesstag verlesen wurde. Er sei sich bewusst, gegen das Waffenrecht verstoßen zu haben. Er wolle betonen, dass er kein Corona-Leugner sei und sich nicht habe radikalisieren wollen.

Gruppe soll Waffenteile sowie Munition per 3D-Druck hergestellt haben

Der 57-Jährige und der 63-Jährige sagten aus, sich von dem dritten Angeklagten distanziert zu haben. Der habe ihnen einen Überfall auf eine Polizeistation vorgeschlagen. Damit habe er Waffen beschaffen wollen.

Eine Kunststoff-Pistole aus einem 3D-Drucker. Ein Mann aus Wittlich hat ebenfalls ähnliche Waffen selbst hergestellt und eine Waffe aus den gedruckten Teilen zusammengebaut.
Eine Kunststoff-Pistole aus einem 3D-Drucker.

Die insgesamt drei Männer von der Mosel sollen sich laut Anklage zu einer Gruppe namens "Paladin" zusammengeschlossen und Waffenteile sowie Munition per 3D-Druck hergestellt haben. Außerdem sollen sie an paramilitärischen Übungen teilgenommen haben. Ziel der Gruppe sei es gewesen, die Fähigkeit für eine bewaffnete Selbstverteidigung gegenüber unerwünschten Hausbesuchern und der Polizei zu erlangen.

Dritter Angeklagter störte Prozess und wurde erneut ausgeschlossen

Nur zwei der drei Männer sagten am Freitag vor Gericht aus. Der 39-jährige dritte Angeklagte war während der Aussagen seiner Mitangeklagten nicht mehr im Saal. Das Gericht hatte ihn auch für den zweiten Verhandlungstag ausgeschlossen, nachdem er wieder den Prozess gestört hatte. 

Der 39-Jährige hatte sich am Freitag geweigert, sich hinzusetzen und mehrfach die Zuschauerinnen und Zuschauer von der Anklagebank aus angesprochen. Unter anderem forderte er sie auf, ihm zuzuwinken, "wenn sie lebende Menschen seien". Die Richterin hatte ihm vor dem Ausschluss gesagt: "Hören Sie auf, das hier als Bühne zu missbrauchen." Die Verteidigerin des dritten Angeklagten beantragte, die Schuldfähigkeit ihres Mandanten durch einen Gutachter beurteilen zu lassen.

Der 39-Jährige hatte bereits am Dienstag zum Prozessauftakt für großes Aufsehen gesorgt. "Was Sie hier machen, ist illegal, das ist verrückt“, rief er am Dienstag immer wieder. Schon vor Beginn des Prozesses hatte der 39-Jährige am Dienstag zu einer minutenlangen Tirade im Gerichtssaal angesetzt. Er sieht sich als Opfer und nicht als Täter. Dabei gilt der 39-Jährige als Kopf einer Gruppe, die sich im Widerstand gegen die Corona-Maßnahmen auch bewaffnet haben soll.

Nach mehreren Unterbrechungen schloss das Gericht den Mann schon am Dienstag vom Prozess aus. Die Wachleute trugen ihn aus dem Saal. Die Vorsitzende Richterin Julia Rau sagte daraufhin: "Es gibt Sachen, die hatte ich auch noch nicht."

Angeklagte sollen sich während Corona-Pandemie radikalisiert haben

Danach wurde am Dienstag im Beisein der zwei 57- und 63-jährigen Mitangeklagten die Anklageschrift verlesen. Die beiden sollen verschiedene Aufgaben übernommen haben. Unter anderem sollen sie mitgeholfen haben, Waffen selbst herzustellen.

Der mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe soll aber der 39-Jährige gewesen sein, der des Saales verwiesen wurde. Der Physiotherapeut soll seinen Job verloren haben, weil er keinen Mundschutz tragen wollte. Laut Anklage soll er sich dann im Zuge der Pandemie weiter radikalisiert haben.

Angesichts der Maskenpflicht und der Impfungen habe er sich um die Grundrechte gesorgt. Er habe Angst gehabt, dass die Regierung das Virus nutzt, um die Republik in eine Diktatur zu verwandeln.

Staatsanwalt hält Angeklagten für Reichsbürger

Aus seinem Monolog beim Prozess wurde nach Ansicht des Oberstaatsanwaltes Christopher do Paco Quesado auch deutlich, dass der Angeklagte das Gericht nicht anerkennt. So wollte er von der Richterin nicht mit seinem Namen angesprochen werden. Und er bezeichnete sich als "freilebender Mensch", er sei somit "kein Staatsbürger Deutschlands".

Christopher do Paço Quesado leitet die Landeszentrale zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz.
Christopher do Paco Quesado leitet die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und vertritt die Anklage gegen die drei Männer vor dem Landgericht.

Der Chefankläger do Paco Quesado sieht darin "Reichsbürgerideologie". Sogenannte Reichsbürger zweifeln die Existenz der Bundesrepublik Deutschland an. Sie wähnen sich im Widerstand gegen den Staat, den sie als solchen nicht anerkennen. Deshalb versuche der Anklagte "systematisch den Prozess zu stören und zu verzögern."

Einen Prozess hat der 39-jährige Angeklagte schon hinter sich. Bereits 2022 hat das Schöffengericht Wittlich den Physiotherapeuten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er in einem 3D-Drucker Armbrüste und andere Schusswaffen hergestellt hatte.

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Hauptangeklagter setzte sich nach Portugal ab

Die Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft hatten dann unmittelbar nach dem Wittlicher Urteil begonnen. Allerdings setzte sich der Hauptangeklagte nach Portugal ab, wo er erst im November vergangenen Jahres von der dortigen Polizei verhaftet wurde. Inzwischen sitzt er in Deutschland in Untersuchungshaft, die beiden anderen Männer sind auf freiem Fuß.

Die aktuelle Anklage wiegt allerdings schwerer. Die Bildung einer bewaffneten Gruppe und einer kriminellen Vereinigung können mit mehrjähriger Haft bestraft werden. Für das Verfahren sind 17 Verhandlungstermine bis in den November angesetzt.

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