Immer mehr Deutsche fühlen sich einsam. In der Vulkaneifel tut man etwas dagegen mit konkreten Angeboten - zum Beispiel einem Plauderspaziergang.
"Das Schöne hier ist, jeder macht das, was er kann. Gerade ältere Menschen können nicht nur sportlich etwas machen, sondern es geht auch um Geselligkeit. Die Leute unterhalten sich gerne. Das ist etwas, was zählt, gerade für Menschen, die im Alter oft alleine sind", sagt Harald Dobrick. Er hat eine Stunde vor sich, die es in sich hat: Gemeinsam mit knapp 20 älteren Menschen spaziert er durch Jünkerath und macht dann Bewegungsübungen.
Alle zwei Wochen machen sie das. Die Idee zum sogenannten Plauderspaziergang hatte eine der Gemeindeschwestern Plus des Kreises Vulkaneifel, Elisabeth Reinarz. Als Teil eines Landesprogramms ist sie für ältere Menschen zuständig, die noch nicht pflegebedürftig sind, und besucht sie zu Hause. Und dabei bekommt sie oftmals eines mit: Einsamkeit.
Ältere Menschen ziehen sich zurück
Viele Menschen sind einsam, wenn ihr Partner gestorben ist, sagt Reinarz: "Ältere Menschen sind manchmal auch emotional instabil. Emotionaler Stress kann wiederum zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Und wenn sie sich gesundheitlich nicht wohl fühlen, ziehen sie sich zurück."
Um die Menschen da wieder rauszuholen, gibt es im Kreis Angebote der Gemeinden, wie etwa Seniorennachmittage und Erzählcafés. Oder eben den Plauderspaziergang.
Jeder dritte ältere Mensch in der Vulkaneifel einsam
Einsamkeit sei eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kürzlich, als das "Einsamkeitsbarometer" vorgestellt wurde. Das ist auch im Kreis Vulkaneifel nicht anders. Dort gibt es laut Gemeindeschwester Reinarz 10.500 Menschen zwischen 65 und 80 und noch einmal 5.000 Menschen, die älter als 80 sind. "Durch unsere Datenerhebung aus den Hausbesuchen gehen wir davon aus, dass jeder dritte dieser Menschen unter einer Einsamkeitsbelastung leidet."
Und diese Menschen muss die examinierte Krankenschwester erst einmal erreichen, um sie auf ihre Angebote aufmerksam zu machen. Indem sie zum Beispiel im Amtsblättchen inseriert.
So ist auch Beate Lamberz auf den Plauderspaziergang aufmerksam geworden, an dem sie heute nicht nur plaudernd, sondern sogar lachend teilnimmt: "Ich bin so gut wie jedes Mal dabei. Weil ich Rückenprobleme habe, tut mir die Bewegung sehr gut. Es ist optimal, dass wir die Übungen im Freien machen."
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Bewegung von Kopf bis Fuß
Sie und die anderen Teilnehmenden - egal, ob mit Stock, Rollator oder ohne Gehhilfe - laufen durcheinander und klatschen sich gegenseitig ab. Nach einem Spaziergang machen sie in ihren bunten Funktionsjacken auf einem Platz in Jünkerath Halt. Sie schwingen die Arme durch die Luft, beugen die Knie, müssen Hände, Arme, Beine und Füße koordinieren. Unterbrochen wird das immer wieder durch Gelächter.
"Wir bewegen alle Gelenke von Kopf bis Fuß durch", sagt Dorothea Klug. Sie wurde vom Land zur Bewegungsbegleiterin ausgebildet und leitet die Gruppe bei den Übungen an. Und das hat Erfolg: "Wenn wir die Hürde überwunden haben, die Menschen zu erreichen, dann werden die Angebote sehr gut angenommen. Dann ist es für die Menschen tatsächlich ein Highlight in der Woche", findet Gemeindeschwester Elisabeth Reinarz. Es gehe auch darum, ein Netzwerk unter den Leuten zu schaffen, sodass sie Kontakt halten - auch außerhalb des Plauderspaziergangs.
Der Spaziergang besteht natürlich nicht nur aus Bewegungsübungen. Die Menschen gehen auch, mal länger, mal kürzer, gemeinsam und kommen dabei sehr schnell ins Gespräch. Braucht es dabei überhaupt noch Anleitung? "Ein bisschen geht das schon. Man kann anleiten, dass nicht nur über Krankheiten gesprochen wird, sondern über andere Themen. Wie jetzt die Fußball-Europameisterschaft", sagt Bewegungsbegleiterin Klug.
Das Positive herausholen
Sie sieht sich als Beobachterin, die schaut, wie es den Menschen geht. Berichtet jemand während des Spaziergangs von Problemen, kann sie Tipps geben oder an Gemeindeschwester Elisabeth Reinarz verweisen. Klug will einerseits das Positive in den Gesprächen hervorheben, damit die älteren Leute mit einem guten Gefühl nach Hause gehen.
Die Verbindung mit der Bewegung und Koordination sei aber auch wichtig, damit sie beweglich und damit auch möglichst lange selbstständig bleiben: "Ob das das Gehen ist oder man sich noch selbst den Reißverschluss zumachen kann."
Manche der Übungen sind dann auch tatsächlich eine Herausforderung, lacht Teilnehmer Harald Dobrick: "Da werde ich wahnsinnig. Wenn wir in der Reihe stehen und nacheinander ein Wort sagen sollen. Und ich dann noch die Bewegung zum Wort des anderen machen muss - da komme ich immer durcheinander."
Aktionswoche "Gemeinsam aus der Einsamkeit"
Damit noch mehr Menschen in der Vulkaneifel aus der Einsamkeit herausgeholt werden können, nimmt der Kreis ab Montag an der bundesweiten Aktionswoche "Gemeinsam aus der Einsamkeit" teil. Mit bestehenden Aktionen wie dem Plauderspaziergang, aber auch mit neuen Angeboten: Spiel- und Bastelnachmittagen, Online-Workshops auch für Angehörige älterer Menschen, Museumsführungen, offenem Singen in einigen Gemeinden oder einer Aktion, bei der Jugendliche und ältere Menschen zusammen ein Kartoffelkochbuch erstellen sollen.
Elisabeth Reinarz hofft, dass auch diese Angebote gut angenommen werden. Sodass es auch dort Rückmeldungen gibt wie die von Uschi Joka, Teilnehmerin am Plauderspaziergang: "Es ist einfach schön. Man tut was für die Gesundheit. Die Geselligkeit. Wir unterhalten uns jedes Mal mit jemand anderem. Das ist einfach toll."