Die Missbrauchfälle im Bistum Trier wirken sich auch auf die Ausbildung von Priestern aus. Deswegen wird dort jetzt offener über Sexualität und Prävention gesprochen.
Bevor Oliver Laufer-Schmitt zum Priester geweiht wurde, hat das Thema sexuelle Gewalt in der Kirche keine große Rolle gespielt. Dass Geistliche Kinder missbrauchen, kam in seiner Ausbildung kaum zur Sprache. Das war vor rund 15 Jahren.
Seitdem allerdings ist viel passiert. Rund um das Jahr 2010 wurden viele Missbrauchsfälle bekannt und immer mehr Betroffene erzählten öffentlich, was Priester ihnen angetan haben. Auch Laufer-Schmitt stellte sich damals die Frage, ob er noch Priester werden will, in einer Kirche, in der so etwas passieren konnte.
Allein im Bistum Trier gab es nach dem neuesten Zwischenbericht der Unabhängigen Aufarbeitungskommission fast 600 Opfer und mehr als 200 Täter. Und viele von ihnen wurden im Priesterseminar in Trier ausgebildet.
Priesteranwärter sollen offener über Sexualität sprechen
Heute ist Oliver Laufer-Schmitt der Regens, der Leiter des Priesterseminars. Auch, weil er selbst dazu beitragen will, dass angehende Pfarrer und Pastoren nicht irgendwann zu Tätern werden. "Die Sexualität ist eine der stärksten Triebkräfte des Menschen", sagt Laufer-Schmitt. Zu Missbrauch und Gewalt sei es gekommen, weil Priester nicht gelernt hätten, mit diesem Trieb umzugehen.
Aus diesem Grund wird im Priesterseminar heute offener über Sex gesprochen. Und darüber, was ein enthaltsames Leben im Zölibat bedeute. Die Beschäftigung mit dem Missbrauch zieht sich mittlerweile wie ein roter Faden durch die Ausbildung, sagt der Regens Laufer-Schmitt. Das fängt schon vor dem Propädeutikum an, dem ersten Teil des Seminars.
Psychologische Eignungstests und Schulungen
Wer Priester werden will, muss sich nämlich seit einigen Jahren einem psychologischen Eignungstest unterziehen. Er muss einen detaillierten Fragebogen ausfüllen und Interviews mit einer Psychologin der Universität Trier führen. So sollen zum Beispiel Kandidaten mit pädophilen Neigungen oder sexuellen Gewaltfantasien auffallen.
Zudem gibt es im Laufe der Ausbildung auch immer wieder Schulungen und auch feste Ansprechpartner bei Problemen. "Es gibt keine Garantie dafür, dass das klappt", sagt Laufer-Schmitt. Es könne immer sein, dass "ein U-Boot" im Seminar abtauche, also ein Anwärter, der seine Veranlagung verstecke. "Ich glaube aber, dass durch die öffentliche Diskussion und die Instrumente der Ausbildung die Sensibilität deutlich höher ist als früher", so der Leiter des Priesterseminars.
Das gelte für die gesamte katholische Kirche in Deutschland, die nächstes Jahr eine neue "Ratio Nationalis" verabschieden will. Das ist ein Regelwerk für die Priesterausbildung. Darin sollen die Themen Sexualität und Prävention eine wichtigere Rolle spielen als bisher.
Immer weniger Bewerber für das Priesterseminar in Trier
Wenn die Kirche sich dem Problem offener stellt, werde auch die Ausbildung wieder attraktiver, hofft Laufer-Schmitt. Derzeit gibt es in Trier nur sechs angehende Priester, die in einer Wohngemeinschaft im Seminar wohnen. Viel zu wenige, um all die offenen Stellen in den Pfarreien zu besetzen.
Auf 30 Geistliche, die in den Ruhestand gehen, kommt ein Bewerber. "2035 werden wir im gesamten Bistum also nur noch 40 leitende Geistliche haben", rechnet Laufer-Schmitt vor. Für den Regens ist daher klar, dass sich die Kirche insgesamt neu aufstellen und Reformen vorantreiben muss.
"Aktuell bin ich dankbar für jeden, der der Berufung folgt, Priester zu werden", sagt Laufer-Schmitt. Er selbst hat es nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben, sagt er. Auch wenn die Zeiten schwierig sind.
Zweiter Zwischenbericht vorgestellt Missbrauch im Bistum Trier: Mehr Opfer, mehr Täter und neue Vorwürfe
Die Aufarbeitungskommission zum Missbrauch im Bistum Trier hat am Mittwoch ihren zweiten Zwischenbericht vorgelegt. Sie beleuchtet darin auch die Rolle des früheren Weihbischofs Leo Schwarz.