Geschlagen, bedroht, missbraucht. Seit 30 Jahren bietet das Frauenhaus Trier Frauen und Kindern Schutz. Die Arbeit hat sich geändert, der Bedarf nicht.
Viele Frauen, die ins Frauenhaus Trier kommen, fürchten um ihr Leben und das ihrer Kinder. Sie wissen nicht mehr ein noch aus. Neun sogenannte Schutzräume gibt es seit diesem Jahr im Frauenhaus. Immer noch zu wenig, sagt Claudia Berlingen, Diplom-Pädagogin und seit 23 Jahren im Frauenhaus und der nachgehenden Beratung tätig.
Der Bedarf an Schutz für Frauen und Kinder ist riesig. 18 Frauenhäuser gibt es in Rheinland- Pfalz. Eine Karte auf deren Internetseite zeigt: Selten ist mal ein Platz frei. Wenn, dann ist der innerhalb von Stunden wieder vergeben. Obwohl in Trier seit diesem Jahr zwei Schutzräume mehr verfügbar sind, reicht das noch nicht. Nach der Istanbul-Konvention bräuchte man pro 10.000 Einwohner einen Schutzraum. Claudia Berlingen weiß aus Erfahrung: "Wenn wir 20 Zimmer hätten, wären wir trotzdem voll belegt."
Ein Frauenhaus ist immer auch ein Kinderhaus
Alle Kinder, die mit ihren Müttern ins Frauenhaus kommen, haben Gewalt erlebt - direkt oder indirekt. Um sie kümmern sich zwei Erzieherinnen - immer mit dem Ziel, Kinder wieder wie Kinder leben zu lassen.
Schnell würden die Kinder merken: "Du musst die Mama gar nicht mehr schützen. Die Mama ist ja hier geschützt. Das ist eine ganz große Erleichterung für die Kinder", sagt Diplom-Pädagogin Berlingen. Ihre Kollegin, die Erzieherin Kristina Reis, erzählt, wie Kinder sich in nur wenigen Wochen verändern. Das erkenne man an ihren Augen. "Die spüren schneller als Erwachsene: Das hier ist ein sicherer Ort. Hier ist alles gut."
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Mütter in der Zwickmühle
Wenn Mütter und Kinder zu Hause bedroht und geschlagen werden, ist es gar nicht so leicht für sie, den richtigen Weg zu finden, wissen die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen. Durch die Flucht in ein Frauenhaus wollen Frauen sich und ihre Kinder schützen. Gleichzeitig gibt es auch das Recht des Kindes, den Vater zu sehen. Väter fordern Umgangskontakte vor Gericht ein.
Eine Zwickmühle. Denn wenn der Mann keinen Zugriff mehr auf die Frau hat, kann der Kontakt zum Kind ein Angriffspunkt werden. Kristina Reis sagt: "Dann kommt es zu Sorgerechtsstreitigkeiten, zu Umgangsregelungen, sodass der rechtliche Weg, die Rechte des Vaters, oft den Schutz der Frauen und Kinder beeinflusst."
Soziale Netzwerke und Apps werden zur Gefahr
Seit 30 Jahren gibt es das Frauenhaus in Trier. Die Technik und das Internet haben auch die Arbeit im Frauenhaus verändert. Moderne Technik kann für Frauen und Kinder, die hier Schutz suchen, zur Gefahr werden. Vor dem Einzug checken die Mitarbeiterinnen, ob auf den Handys der Neuankömmlinge Tracking-Apps versteckt sind. Manchmal wird sogar die Polizei hinzugezogen, weil es selbst für Experten schwer ist, versteckte Apps zu finden. Der Standort des Frauenhauses ist anonym. Einige Männer versuchen über Handyprogramme herauszufinden, wo ihre Frau Unterschlupf gefunden hat.
Gehackte Facebook-Profile werden zum Problem
Männer hacken sich in Facebook-Profile der Frau ein, berichten die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses. Sie posten dann Dinge, die der Frau schaden. "Das sind so ganz geplante Dinge, die da passieren und das nachzuweisen ist wahnsinnig schwierig für die Frau oder die Mutter", erzählt Diplom-Pädagogin Claudia Berlingen aus ihrem Alltag.
Wenn das Leben gefährdet ist, arbeiten viele Stellen gemeinsam
Es gibt Fälle, da ist das Leben der Frau und manchmal auch der Kinder gefährdet. Diese Fälle werden in einer sogenannten "High-Risk-Konferenz", einer Hochsicherheits-Konferenz, besprochen. Hier arbeiten Menschen aus Justiz, Polizei, Jugendamt, Frauenunterstützungs-Einrichtungen, Kinderschutzbund und Täterarbeit zusammen mit dem Ziel, Frau und Kinder zu schützen. Aber nur, wenn die Frau einverstanden ist. Diese High-Risk-Konferenz gibt es nicht in allen Bundesländern.
Oft droht Gefahr fürs Leben, wenn niemand mehr damit rechnet. Wenn der Vater die Kinder sehen darf, die Frau ihr eigenes Leben lebt, wenn die Scheidung eingereicht wird. Eine Studie zeigt, dass es genau dann für viele Frauen wieder gefährlich wird. Claudia Berlingen berichtet: "Er will die Frau nicht verlieren. Um sie zu behalten, bringt er sie um."
Migrantinnen im Frauenhaus
Immer öfter suchen auch Frauen mit Migrationshintergrund Hilfe im Frauenhaus. Daraus lässt sich jedoch nicht auf die Staatsangehörigkeit des misshandelnden Partners schließen. Einige haben deutsche Männer. Mit Frauen, die kein oder wenig deutsch sprechen, findet die Beratung mit Dolmetscherinnen statt.
Dankbarkeit und Kontakt über Jahrzehnte
Viele der Frauen, die durch das Frauenhaus den Sprung in ein selbstbestimmtes, gewaltfreies Leben geschafft haben, halten den Kontakt zu den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses über Jahrzehnte. Immer wieder kommen einige zu den regelmäßigen Frauentreffs. Und auch ein Junge, der mit sechs Jahren mit seiner Mutter ins Frauenhaus kam, stand nach acht Jahren wieder vor der Tür, um sich zu bedanken für die tolle Zeit, die er dort erlebt habe.
Wunsch: Keine Sorgen um die Finanzierung
Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Trier wünschen sich, dass die Finanzierung der Frauenhäuser keine freiwillige Leistung mehr sind, sondern zur Pflichtaufgabe gemacht wird. Dann müssten Bund und Länder dafür sorgen, dass Frauenhäuser fest im Finanzbudget installiert würden.
Denn in der Gesellschaft sind sich inzwischen alle einig, dass Frauenhäuser gebraucht werden. Wenn es aber ans Geld ginge, sagen die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Trier, dann werde es schwierig.
So wurde für die neu hinzugekommenen Räume eine 22-Wochenstunde-Stelle für eine Pädagogin bewilligt. Zuschüsse für mehr Kinderbetreuung gibt es aber nicht, obwohl die meisten Kinder, die im Frauenhaus ankommen, traumatisiert sind und eine Ansprechpartnerin dringend benötigen würden, sagen die Mitarbeiterinnen der Einrichtung.
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