In der Pfalz gab es 2022 rund 2.460 Fälle von häuslicher Gewalt. Viele der Frauen wollen ins Frauenhaus flüchten. Aber im Frauenhaus Ludwigshafen gibts nur 13 Plätze. Ein Dilemma, sagen die Mitarbeiterinnen.
Das Frauenhaus Ludwigshafen hat in diesem Jahr bereits knapp 200 Anfragen von Frauen bekommen, die vom Partner misshandelt werden und Hilfe suchen. Aber die Not der Frauen ist größer als die Anzahl der Plätze, die das Frauenhaus bieten kann. "Das ist wirklich belastend", sagen Ricarda Wittig und Conny Bauditz vom Frauenhaus Ludwigshafen. Seit Jahresbeginn ist das Haus voll belegt mit 21 Frauen und ihren Kindern, die vor schlagenden Ehemännern und Vätern geflohen sind. " Es sind Frauen aller Altersklassen von 18 bis 80 und aller Bildungsschichten. Aber es sind alles Frauen, die Gewalt erlebt haben – körperliche, psychische und ökonomische Gewalt. Alles - von Beleidigungen und Kleinmachen bis hin zur Vergewaltigung." Viele "ihrer" Frauen im Frauenhaus Ludwigshafen würden von der polizeilichen Statistik zur häuslichen Gewalt gar nicht erfasst - sie erstatten keine Anzeige gegen ihre prügelnden Männer.
Lagebericht "Häusliche Gewalt" vorgestellt Gewalt innerhalb von Familien und Partnerschaften nimmt zu
Viele Opfer von häuslicher Gewalt schweigen: Teils aus Scham oder aus purer Angst. Sie sollen in Zukunft bestärkt werden, die Taten anzuzeigen. Denn die nehmen laut einem aktuellen Bericht zu.
2.460 Fälle häuslicher Gewalt in der Pfalz
Nach Angaben des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in Ludwigshafen waren Körperverletzungen die Straftaten, die im Bereich Häusliche Gewalt 2022 am meisten angezeigt wurde, gefolgt von Bedrohungen. Die meisten mutmaßlichen Täter waren laut Polizei Männer, die meisten Opfer Frauen, die von ihrem Lebens,-oder Ex-Partner misshandelt, bedroht oder beleidigt wurden. Betroffenen Frauen rät die Polizei, Anzeige zu erstatten und im Notfall den Polizei-Notruf zu wählen.
Kriminalität Konzepte gegen häusliche Gewalt – Was tun, wenn er prügelt?
In Deutschland gibt es zu wenig Plätze in Frauenhäusern für gewaltbedrohte Frauen und ihre Kinder. Neue Ansätze fordern, zudem verstärkt auf Prävention und Täterarbeit zu setzen.
Frauenhaus Ludwigshafen: Voll belegt
Die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus wissen aus Erfahrung dass es oft Jahre dauert, bis sich die Frauen aus einer gewaltsamen Beziehung lösen können. Besonders bewegend sei zuletzt der Fall einer 70-Jährigen gewesen, sagen die Frauen. "Sie war morgens aus dem Haus geflüchtet und hatte sich voller Angst an die Polizei gewendet. Ihr Mann hatte ihr zuvor gedroht, dass er sie nachts umbringen werde. Die Frau hat sich dann zu Hause nicht mehr sicher gefühlt." Aus den Erzählungen wurde klar: Die Frau hat lange Gewalt durch ihren Partner erlebt.
"Die Gewalt steigert sich dann"
Bevor Frauen von ihren Partnern verprügelt werden, habe es schon oft psychische Gewalt gegeben. "Manche Frauen berichten, dass es von Anfang an in der Beziehung solche Tendenzen gab. Oft hat der Partner schon früher angefangen, zu kontrollieren, zu sagen: Du darfst dich nicht mehr mit anderen Leuten oder Freundinnen treffen. Die Gewalt steigert sich dann", sagt Bauditz. "Oft geht das Jahre, bis eine Frau sich an uns wendet."
Viele Frauen wüssten auch nicht, wohin sie sich wenden sollen. Das Frauenhaus Ludwigshafen arbeitet eng mit dem Polizeipräsidium Rheinpfalz zusammen. Die Experten sitzen auch bei der Analyse von sogenannten Hochrisikofällen zusammen - bereits auffällige Männer, die besonders zu extremen Gewaltausbrüchen in Paarbeziehungen neigen.
Frauenhaus und Polizei gut vernetzt
"Das hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Aber das Problem der häuslichen Gewalt, das wird noch lange ein Thema sein."
Gewalt in Paarbeziehungen sei noch immer ein gesellschaftliches Tabuthema, sagen Bauditz und Wittig. "Alle wissen, dass es häusliche Gewalt gibt. Aber keiner glaubt, dass es sie im nahen Umfeld gibt - im Freundeskreis oder der Nachbarschaft. Aber: Jede dritte Frau ist betroffen".
Der 70-jährigen Seniorin, die vorübergehend im Frauenhaus Ludwigshafen untergekommen war, lebt heute in einer eigenen Wohnung - weit weg von ihrem Ex-Mann. "Es geht ihr wieder gut."
Aktueller Hintergrund: Lagebild häusliche Gewalt
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 240.547 Opfer von häuslicher Gewalt gezählt - 8,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus erklärten am Dienstag bei der Vorstellung des Lageberichts, dass umgerechnet fast alle zwei Minuten ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt wird. Im vergangenen Jahr erreichten das rund um die Uhr unter der Nummer 116 016 erreichbare Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" täglich durchschnittlich 65 Anrufe von weiblichen Gewaltopfern. Beim Frauenhaus Ludwigshafen ruft täglich eine betroffene Frau an.
Häusliche Gewalt: Immer mehr Männer müssen ausziehen
Immer mehr Männer müssen ausziehen oder Abstand halten, weil sie ihrer Partnerin Gewalt angetan beziehungsweise angedroht haben. Demnach stieg die Zahl der erfassten Tatverdächtigen im Zusammenhang mit Straftaten, bei denen das Gewaltschutzgesetz Anwendung fand, in den vergangenen fünf Jahren um elf Prozent auf 6.587 Tatverdächtige im Jahr 2022. Von den Tatverdächtigen waren 91,7 Prozent männlich. Laut der Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) führten 17 Tatverdächtige eine Schusswaffe mit sich.
Hier finden betroffene Frauen in Voder-und Südpfalz Hilfe
- Frauenhaus Ludwigshafen - Tel. 0621/ 521969
- Frauenhaus Neustadt - Tel. 06321/ 2603
- Frauenhaus Speyer - Tel. 06232/ 288 35
- Frauenzufluchtsstätte Landau/Südliche Weinstraße/ Germersheim - Tel. 06341/ 89626
- Bundesweites Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" - Tel. 0800/ 0116016
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