In Spangdahlem muss sich ab Montag ein US-Soldat vor dem Militärgericht verantworten. Er soll auf der Säubrennerkirmes einen Mann erstochen haben. Wie verläuft ein solcher Prozess?
Eine Tat, die die ganze Region schockierte: Während der Wittlicher Säubrennerkirmes im August vergangenen Jahres kommt es zu einer tödlichen Messerattacke auf einen jungen Mann. Ermittlungen ergeben, dass ein US-Soldat, der auf der Air Base in Spangdahlem stationiert ist, die Tat begangen haben soll. Ihm wird jetzt der Prozess gemacht - vor einem US-Militärgericht auf der Air Base in der Eifel.
Die Verhandlung wird ganz anders verlaufen als vor einem deutschen Strafgericht. Wir erklären die wichtigsten Unterschiede:
- Warum wird der Fall auf einem US-Militärstützpunkt verhandelt?
- Welche Strafen können dem Angeklagten drohen?
- Wo würde der Angeklagte seine Strafe absitzen, wenn er verurteilt wird?
- Gibt es bei dem Prozess eine Jury?
- Wer sind in einem US-Militärprozess die Richter, Staatsanwälte und Anwälte?
- Gibt es eine Nebenklage wie in Deutschland?
US-Soldat vor Militärgericht in Spangdahlem Messerattacke in Wittlich: Angeklagter plädiert auf unschuldig
Ein US-Soldat der Air Base Spangdahlem muss sich wegen einer tödlichen Messerstecherei auf der Säubrennerkirmes 2023 ab Montag vor einem Militärgericht in Spangdahlem verantworten.
Warum wird der Fall auf einem US-Militärstützpunkt verhandelt?
Im vorliegenden Fall greift laut dem Strafrechtsexperten der Uni Trier, Ron-Jo Koenen, das NATO-Truppenstatut bzw. dessen Zusatzabkommen. Laut Truppenstatut von 1951 hat der Aufnahmestaat, also Deutschland, grundsätzlich das Vorrecht zur Ausübung der Gerichtsbarkeit, wenn eine Straftat von einem Militärangehörigen einer anderen Nation begangen wurde.
Deutschland hat allerdings vor Jahrzehnten von einer Sonderregelung im Zusatzabkommen Gebrauch gemacht und grundsätzlich darauf verzichtet, solche Fälle selbst zu verhandeln. Deswegen wird auch im vorliegenden Fall vor einem US-Militärgericht prozessiert. Ausnahme sind Fälle, in denen die Todesstrafe droht. Das schließt der Rechtsexperte in diesem Fall aber aus.
Dennoch besteht laut Koenen die Möglichkeit, im Einzelfall diesen allgemeinen Verzicht zurückzunehmen, sofern die zuständige deutsche Behörde hierfür eine besondere Notwendigkeit sieht. Mit Blick auf die Praxis in der Vergangenheit überrasche es aber nicht, dass dies nicht erfolgt sei.
Welche Strafen können dem Angeklagten drohen?
Sollte der angeklagte US-Soldat laut Anklage verurteilt werden, drohen ihm eine unehrenhafte Entlassung aus der Armee und eine lange Haftstrafe.
Nach Angaben von Ron-Jo Koenen gibt der dem Prozess zugrunde liegende Paragraf keinen konkreten Strafrahmen vor. Bei der Höhe der Strafe wird - sowie in Deutschland auch - die Gesamtumstände der Tat und die Persönlichkeit des Täters mit einbezogen.
Dabei können die Strafen bei einem US-Militärgericht deutlich höher ausfallen, als das in Deutschland der Fall ist, so Experte Koenen. Ein US-Soldat wurde in einem anderen Militärverfahren beispielsweise wegen des Totschlags seines kleinen Sohnes zu 22 Jahren Haft verurteilt und unehrenhaft aus der Armee entlassen.
Wo würde der Angeklagte seine Strafe absitzen, wenn er verurteilt wird?
Sollte der Soldat im Sinne der Anklage verurteilt werden, kann er seine Haftstrafe in den USA absitzen. Dort betreibt das Militär eigene Gefängnisse. Laut Medienberichten unterhält das US-Militär auf europäischem Boden nur eine kleinere Haftanstalt in Sembach (Kreis Kaiserslautern). Die Haftanstalt hat aber nur geringe Kapazitäten. Sie ist vor allem für solche Personen vorgesehen, die auf ihren Prozess warten oder nur eine kurze Haftstrafe von maximal einem Jahr verbüßen müssen.
Gibt es bei dem Prozess eine Jury?
Ja, falls der Angeklagte sich dafür entscheidet. Die Jury ("panel") besteht im vorliegenden Fall voraussichtlich aus acht Personen, den sogenannten "court-martial members", sagt Koenen. Für eine Verurteilung reiche es, wenn Drei-Viertel der Jurymitglieder den Angeklagten für schuldig erklärten.
Die Jury werde durch Militärangehörige besetzt, die von Offizieren ausgewählt werden. Der Angeklagte hat zu Beginn des Verfahrens aber auch die Möglichkeit zu wählen, ob das Urteil von der Jury oder von einem Richter allein gesprochen werden soll.
Wer sind in einem US-Militärprozess die Richter, Staatsanwälte und Anwälte?
Bei den Richtern, Staatsanwälten und zum Teil auch Anwälten handelt es sich um Offiziere des "Judge Advocate General’s Corps of the Air Force" (JAG Corps). Das ist eine US-Militärbehörde, die sicherstellt, dass das US-Militärrecht eingehalten und durchgesetzt wird.
Die vorangegangenen Ermittlungen werden bei schwerwiegenden Straftaten von einer speziellen Ermittlungseinheit des Militärs übernommen.
Der Angeklagte kann sich auf seinen Wunsch hin durch einen zivilen Anwalt verteidigen lassen. Ansonsten bekommt er vom Militärgericht einen Anwalt gestellt, einen sogenannten "judge advocate". Der zivile Anwalt und der "judge advocate" können vor Gericht auch zusammenarbeiten.
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Gibt es eine Nebenklage wie in Deutschland?
Eine Nebenklage wie im deutschen Strafprozessrecht ist in dem US-Militärgerichtsprozess nicht vorgesehen. Demnach kann die Familie den Prozess nur beobachten. Das dürfte jedoch schwierig werden. Laut Koenen werden solche Prozesse in englischer Sprache samt juristischem Fachvokabular abgehalten und grundsätzlich nicht übersetzt.
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