Feuer, Unfall, Hochwasser. Egal, um was es geht, die Feuerwehr ist zur Stelle. Gerade auf dem Land setzen sich die Feuerwehren aus Ehrenamtlichen zusammen. Doch genau an denen fehlt es immer öfter.
Anfang des Jahres startete die Feuerwehr in Bundenbach im sozialen Netzwerk Facebook einen verzweifelten Hilferuf. Die Worte waren eindringlich:
Es sind Sätze, die nachdenklich machen. Hintergrund ist ein Einsatz der Bundenbacher Lebensretter, bei dem zunächst nur ein Feuerwehrmann zur Verfügung stand, um auszurücken. Es war "nur" ein kleiner Einsatz, der zum Glück glimpflich ausging. Dennoch war das für die Lebensretter aus dem Hunsrück ein Zeichen, dass etwas passieren muss. "Es ist fünf vor zwölf! Wir müssen nicht warten, bis es fünf nach zwölf ist", sagt Bundenbachs Wehrführer Thorsten Baden.
Tagsüber ist kaum jemand da
Die Feuerwehr in dem Hunsrückort zählte in ihren Glanzzeiten 40 Aktive. Heute seien es noch 18, sagt Wehrführer Thorsten Baden. Eine Zahl, die auf den ersten Blick gar nicht so schlecht aussieht, doch wenn es tagsüber zu einem Einsatz komme, sei dennoch kaum jemand der ehrenamtlichen Retter schnell verfügbar.
Ein Problem, mit dem mittlerweile auch viele andere Feuerwehren zu kämpfen haben, sagt Nils Heidrich, Wehrleiter, der zuständigen Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen. Die Leute arbeiteten nicht mehr im Heimatort, müssten teilweise weit zur Arbeitsstelle fahren. Die Folge: Im Ernstfall stehen sie für die heimische Feuerwehr nicht oder nicht schnell genug zur Verfügung.
Es fehlt an Ehrenamtlichen
Damit dennoch schnell geholfen werden könne, gebe es seit etwa 20 Jahren sogenannte Ausrückebereiche. Wenn ein Notfall eintritt, werden mehrere Feuerwehren benachbarter Dörfer alarmiert. Je nach Schwere des Einsatzes kämen außerdem die sogenannten Stützpunktfeuerwehren dazu. Sie verfügten über eine gewisse technische Zusatzausstattung, wie beispielsweise Drehleitern oder Geräte, die gebraucht werden, um Autos bei Verkehrsunfällen aufzuschneiden.
Durch diese sogenannte "Überalarmierung" soll immer sichergestellt sein, dass zu jeder Zeit schnell und effektiv geholfen werden kann. Das hat übrigens auch im geschilderten Fall aus Bundenbach dafür gesorgt, dass die benötigten Retter rechtzeitig vor Ort waren. Doch das funktioniert eben auch nur so lange, wie genug Ehrenamtliche bei den Feuerwehren tätig sind.
Immer weniger Feuerwehren im Kreis
Nach Angaben der zuständigen Wehrleiter mussten in den vergangenen Jahren im Kreis Birkenfeld immer wieder Feuerwehren zusammengelegt oder gar geschlossen werden. Die Zahl der Aktiven schwinde seit Jahren. Laut Heidrich könnten die altersbedingten Verluste zwar in einigen Ortsgemeinden durch den Nachwuchs in den Jugendfeuerwehren ausgeglichen werden, das klappt aber nicht immer. So schieden in manchen Jahren durch das Erreichen der Altersgrenze mehrere Kameraden auf einmal aus. Gerade für kleine Feuerwehren, sei das nur schwer zu kompensieren.
Corona-Pandemie verhindert Mitgliedergewinnung
Während der Corona-Pandemie sei es zudem immer schwieriger geworden, neue Mitglieder zu gewinnen, beklagt Wehrleiter Nils Heidrich. Kein Tag der offenen Tür, keine Veranstaltung, auf der man hätte für das wichtige Ehrenamt werben können.
Und dann kommt noch etwas, mit dem viele Gemeinden im Allgemeinen zu kämpfen haben. Immer weniger Menschen sind bereit, sich in dem Dorf, in dem sie wohnen, ehrenamtlich zu engagieren. Sei es für Vereine, Dorfverschönerungsmaßnahmen oder Aktionen, die zum Dorfleben beitragen könnten. Für Heidrich ist das ein gesellschaftliches Problem.
Angespannte Personalsituation
Zwar seien der Zuspruch und das Ansehen der Feuerwehren groß, doch allein das reiche eben nicht aus. Als Beispiel nennt Heidrich das große Unwetter 2018. Damals waren in der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen fast zehn Orte und hunderte Häuser überflutet worden. Die Leute hätten die Feuerwehr damals für ihre harte, ehrenamtliche Arbeit gelobt, viele hätten auch beim Aufräumen geholfen und die Feuerwehr unterstützt. Die Hoffnung von Wehrleiter Heidrich, dass die Menschen die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Feuerwehr dadurch erkennen und mitmachen, wie es beispielsweise im Ahrtal der Fall gewesen war, blieb unerfüllt.
Die Situation ist angespannt, sagte Heidrich. Das Ganze sei aber auch durch die Abschaffung der Wehrpflicht begünstigt worden. Früher hätten sich doch einige für den Dienst im Feuerwehr- und Katastrophenschutz verpflichtet, um nicht zur Bundeswehr zu müssen, und seien wegen der guten Kameradschaft in der Wehr geblieben. Das fehle heute gänzlich. Und so könne der Nachwuchs derzeit fast ausschließlich aus den Jugendfeuerwehren gebildet werden.
Jugendfeuerwehren von enormer Bedeutung
Die Bambini- und Jugendfeuerwehren seien sehr wichtig, weil dadurch bereits die Kleinsten an das Ehrenamt herangeführt werden. Die Kinder und Jugendlichen seien zwar mit Begeisterung dabei, fielen aber oft mit zunehmenden Alter wegen anderer Interessen, Studium oder Jobwahl wieder weg. Das Gute dabei: Über die Kinder-und Jugendlichen sei es in der Vergangenheit auch vereinzelt gelungen, Elternteile für den aktiven Feuerwehrdienst zu gewinnen. Und das sei notwendig, denn jeder Mann und jede Frau wird gebraucht.
Um genug Leute zu finden, die sich kümmern, brauche es die direkte Ansprache, da ist sich Heidrich sicher. "Auf dem Land ist ja der Zuzug da, überall entstehen Neubaugebiete und wir versuchen die Leute weiter für uns zu gewinnen. Wir werden sie ansprechen, einladen und über die sinnvolle Freizeitbeschäftigung bei der Feuerwehr informieren."
Immer mehr Frauen in den Feuerwehren
Die gute Nachricht: Die Zeiten, in denen der Feuerwehrhelm nur von den Männern getragen wurde, sind vorbei. Laut Heidrich sind zumindest in den Bambini- und Jugendfeuerwehren mittlerweile fast 50 Prozent weiblich. In der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen gebe es mittlerweile auch einige Feuerwehrfrauen mit Führungsaufgaben oder in einer Führungsposition, wie in Vollmersbach bei Idar-Oberstein, wo eine Wehrführerin die Feuerwehr anführt. Was das betrifft, habe ein erfreulicher Wandel stattgefunden. Darüber freut sich auch Bundenbachs Wehrführer Thorsten Baden. In seine Feuerwehr seien mittlerweile zwei Frauen aus dem Ort eingetreten.
Die Bundenbacher Feuerwehr will nun noch eine Flyer-Aktion starten, um dadurch vielleicht noch mehr neue Kameradinnen und Kameraden gewinnen zu können. Im etwa 40 Kilometer entfernten Börfink ist man einen anderen Weg gegangen. Um neue Mitglieder zu akquirieren, gab es für die Einwohnerinnen und Einwohner eine Art Konfrontationstherapie.
Für jeden Haushalt einen Lösch-Eimer
Wehrführer Christian Wiesen und Börfinks Ortsbürgermeister Martin Döscher sind von Haustür zu Haustür gezogen und haben den Börfinkern rote Löscheimer überreicht. Dazu gab es dann ein entsprechendes Schreiben mit Hinweisen, wie man sich im Brandfall ohne Feuerwehr verhalten soll. "Die Leute haben nicht schlecht geschaut. Das war schon ein kleiner Schreck!", sagt Wehrführer Wiesen.
Eine Feuerwehr mitten im Nationalpark
Die Löscheimer-Aktion war dringend notwendig. Denn die Gemeinde, die mitten im Nationalpark liegt, ist auf eine funktionierende Feuerwehr angewiesen, sagt Ortsbürgermeister Döscher. Überall gebe es abgestorbene, leicht brennbare Fichten, die Birkenfelder Stützpunktfeuerwehr ist zu weit weg, um schnell vor Ort zu sein und die Wegeführung im Nationalpark ist kompliziert.
Weit mehr Aufgaben als das Feuer löschen
Abgesehen vom Brandfall werde die Börfinker Feuerwehr auch in anderen Bereichen häufig gebraucht. Vom Wildunfall über Verkehrsunfälle bis hin zu umgestürzten Bäumen, die weggeräumt werden müssen. Arbeit gibt es genug. Das haben auch die Menschen in Börfink verstanden. Die Feuerwehr konnte bereits fünf neue Mitglieder gewinnen, zwei davon seien direkt in den Feuerwehrlehrgang geschickt worden, erzählt Wehrführer Christian Wiesen.
Der 38-Jährige macht den Job als Wehrführer schon seit elf Jahren. In seinen insgesamt 28 Jahren bei der Feuerwehr hat er zwar schon einige Kameradinnen und Kameraden kommen und gehen gesehen, doch er wird weiter dafür kämpfen, dass die Börfinker Feuerwehr erhalten bleibt, komme, was wolle. Und Ortsbürgermeister Döscher ist stolz auf seien Truppe.