Die Grundsteuer wird für die Bürger immer teurer. Der Ort Kerschenbach will seine Bewohner entlasten und verzichtet drauf. Möglich machen das die Einnahmen aus der Windkraft.
In etwa einem Jahr werden in vielen deutschen Briefkästen Umschläge mit unliebsamem Inhalt landen. Im Herbst 2024 wollen die Finanzämter die Grundsteuerbescheide für das Jahr 2025 verschicken. Und viele Hausbesitzer in Rheinland-Pfalz rechnen damit, dass es teuer für sie wird, weil einige Gemeinden ihre Hebesätze erhöhen.
Viele Bürger hatten schon Probleme damit, die komplizierte Grundsteuererklärung bis Januar auszufüllen. Denn die Steuer wird ab 2025 nach einem neuen Schlüssel berechnet, weil Finanzämter mit alten Daten operierten.
Kerschenbach verzichtet auf Grundsteuer
Die rund 260 Einwohner des Eifel-Dorfes Kerschenbach müssen sich keine Sorgen machen. Denn die Ortsgemeinde hat entschieden, keine Grundsteuer mehr zu erheben. "Der Grund war diese große Aufregung bei den Leuten - was kommt da auf uns zu?", erklärt Ortsbürgermeister Walter Schneider (parteilos): "Und das hat uns im Gemeinderat dazu bewogen, das Ding einfach abzuschaffen."
Die Kerschenbacher verzichten auf mehr als 22.000 Euro Steuern. "Eine erträgliche Summe", findet Schneider. Vielen Bürger dürfte die Entscheidung allerdings mehrere Hundert Euro im Jahr ersparen. Auf dem Land hätten viele Menschen große Grundstücke, Landwirte zum Beispiel: "Die werden sich freuen, wenn wir ihnen die Steuer für ihre Häuser, Scheunen und Felder erlassen."
Nur wenige Gemeinden in Rheinland-Pfalz verzichten auf Grundsteuer
Mit dieser Entscheidung stehen die Kerschenbacher allerdings fast alleine da, wie Daten des Statistischen Landesamtes belegen. Demnach gibt es in Rheinland-Pfalz lediglich eine Handvoll Gemeinden, die keine Grundsteuer erheben, darunter Gornhausen im Hunsrück und Reuth in der Vulkaneifel, dem Nachbarort von Kerschenbach.
"In Reuth machen die das schon seit 2017, das war sozusagen das Vorbild", sagt Dorfchef Schneider. Wer wissen will, warum die beiden Orte es sich leisten können, ihre Bürger derart zu entlasten, muss nur auf einen nahen Hügel hinauffahren. Dort drehen sich mehr als ein Dutzend Windräder. Und die bringen den Ortsgemeinden jede Menge Pachteinnahmen ein.
Viele Gemeinden erhöhen Steuern, weil ihnen das Geld ausgeht
"Wenn die jetzt direkt vor meinem Wohnzimmerfenster wären, wäre ich dafür auch nicht Feuer und Flamme", sagt Ortsbürgermeister Schneider: "Aber wir müssen als Gemeinde ja auch finanziell überleben und da waren die Windräder ein Rettungsanker für uns, ein großes Glück." So kann das Dorf es sich leisten, Straßen und Gehwege zu sanieren und Feste zu veranstalten.
Viele Gemeinden in Rheinland-Pfalz würden sich auch mehr Gestaltungsspielräume im Haushalt wünschen. Doch viele Dörfer ohne Windräder, Solaranlagen oder große Firmen im Ort haben sich in den vergangenen Jahren verschuldet. Für einen ausgeglichenen Haushalt fehlt ihnen schlicht das Geld.
Die Gemeinden stehen zunehmend unter Druck. Wenn sie weiter Fördergeld bekommen wollen, müssen sie auf Druck der Kommunalaufsicht dann die Grundsteuer anheben. So haben etwa die Städte Trier, Wittlich und Bitburg erst kürzlich ihre Hebesätze erhöht.
Kerschenbach bekommt weitere Einnahmen durch Solarpark
Seit Jahren kritisieren unter anderem die CDU und die Freien Wähler, dass das Land seine Kommunen zu wenig unterstützt und damit auch die Bürger belastet. Walter Schneider teilt die Kritik, auch wenn Kerschenbach mit den Windrädern eine Lösung für das Problem gefunden hat.
Bald soll auch noch ein Solarpark hinzukommen, der dem Dorf jährlich weitere 30.000 Euro einbringen wird. Mit Protest rechnet der Dorfchef dabei nicht: "Die Bürger sehen ja, dass sie von der Energiewende hier direkt profitieren. Und das steigert natürlich die Akzeptanz."