Ohne Bauwagen oder Unterschlupf, egal ob Sommer oder Winter, bei den "Waldpänz" sind die Kinder den ganzen Tag draußen im Wald. Ganz nach dem Motto: Dreckige Kinder haben Spaß.
Im Trierer Stadtwald geht es manchmal ganz schön rund. Verteilt an unterschiedlichen Orten im Wald spielen täglich rund 55 Kinder des Waldkindergartens "Waldpänz" (trierisch für Waldkinder). Manche klettern auf einem großen Stein, um ihn als Bühne zu nutzen und ein Ständchen zu geben, andere bauen einen Damm im Sirzenicher Bach und wieder andere hören sich eine Geschichte an, die ein Erzieher aus einem Buch vorliest.
Vor zehn Jahren haben sich naturliebende Eltern zusammengetan, um diesen Kindergarten zu gründen, den es so nur einmal in Rheinland-Pfalz gibt. Denn die Kinder verbringen den ganzen Tag draußen im Wald und das sowohl bei Sonnenschein wie auch bei Regen oder Schnee.
Die "Waldpänz" sind draußen - bei jedem Wetter
"Regen ist das, was den Kindern oft am meisten Spaß macht. Dann gibt es überall Pfützen", erzählt der Leiter, Stefan Stifano Espósito. "Auf den Plätzen, wo wir mittagessen oder schlafen, wird eine Plane als Überdach gespannt. Dort läuft das Wasser an den Seiten herab, das ist einer der Lieblingsspielplätze der Kinder."
Bei Minustemperaturen sei es natürlich nicht mehr ganz so angenehm, aber die Kinder seien viel in Bewegung und das halte warm, erklärt Espósito. Genau hier liegt der Unterschied zu anderen Waldkindergärten. Bei den "Waldpänz" gibt es zwar eine Hütte, doch die wird nur in Ausnahmen genutzt.
Für ein "großes Geschäft" wird ein Loch im Wald gegraben
Die Hütte im Trierer Waldstadion ist Bring- und Abholpunkt für die Eltern. Die Kinder, die zwischen zwei und sieben Jahre alt sind, beginnen den Tag erst mal mit einem Lied. Dann packen alle ihre Rucksäcke, die Erzieher packen die Bollerwägen und gemeinsam ziehen sie in den Wald und dort bleiben sie den ganzen Tag.
Angekommen im Wald packen einige der Kinder das mitgebrachte Frühstück aus. "Andere wollen aber erst mal klettern, spielen oder was erleben", sagt Espósito. Spätestens zum Mittagessen finden sie sich wieder in einem Kreis zusammen. Toiletten gibt es im Wald nicht. Es gibt aber einen markierten "Pipi-Baum". Für das große Geschäft gehen die Erzieher mit den Kindern etwas tiefer in den Wald und graben dafür ein Loch.
Die Kinder dürfen sich auch mal langweilen
Nach dem Mittagessen gibt es noch ein Abenteuer: Wer will, geht mit den Erziehern auf eine Schatzsuche, wandert zum Sirzenicher Wasserfall oder sucht nach Tieren im Unterholz oder im Bach. Generell gilt aber bei den "Waldpänz", dass die Kinder nicht ständig mit Angeboten bespaßt werden. "Sie sollen sich auch mal ausruhen und ja sogar langweilen können. Denn dann entwickeln sie eigene Ideen", sagt einer der Erzieher.
Ausgedehnte Langeweile kennt keiner. Die Kinder könnten Dinge in ihrem Tempo angehen. "Sie werden nicht mehr sehr oft die Gelegenheit haben, sich zu langweilen, wenn sie größer sind", prophezeit ein Erzieher. Das gehöre sozusagen zum Luxus des Kindseins. "Wir verstehen uns als Begleiter und Beobachter der Kinder. Denn man wird immer wieder fasziniert darüber sein, was Kinder alles können, wenn man sie lässt", erklärt Espósito.
Dreck und Sicherheit im Wald
Wer mit den Kindern den ganzen Tag im Wald verbringt, muss einiges mitnehmen. Nicht nur das Essen, die Planen und Decken müssen mit. Besonders bei schlechtem Wetter sind Wechselklamotten enorm wichtig. Denn im Dreck spielen gehört beim Waldkindergarten natürlich dazu. "Dreckige Kinder hatten meistens sehr viel Spaß im Kindergarten", sagt Espósito.
Das Thema Sicherheit ist den Betreuern des Waldkindergartens sehr wichtig. Die Eltern müssten verstehen, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt, sagt Espósito. Dennoch versuche das Personal alle Risiken im Blick zu behalten und den Kindern beizubringen, was gefährlich ist und nicht angefasst oder gegessen werden darf, wie zum Beispiel giftige Pflanzen oder Pilze.
In den letzten zehn Jahren habe es auch mal brenzlige Situationen gegeben, sagt der Leiter des Trierer Waldkindergartens: "Einmal musste der Notdienst kommen, weil ein Kind sich an einer Thermosflasche verbrüht hat. Kinder, die neu sind in der Waldkita fallen hin, weil der Boden uneben ist. "Die Kinder stolpern, aber der Waldboden ist weich und ihre Motorik entwickelt sich schneller wegen dem unebenen Untergrund."
Immer wieder neue Herausforderungen
Die Gründungsphase der Waldkita sei sehr lang gewesen, sagt Espósito, weil es immer wieder Menschen gegeben habe, die an dem Konzept zweifelten Kinder den ganzen Tag im Wald zu lassen. "Das konnten viele sich einfach nicht vorstellen. Bis alle Sicherheitsfragen abgeklärt waren, hat eine Weile gedauert", erinnert sich Espósito.
Eine ganz neue Herausforderung sei das neue Kita-Zukunftsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz. "Die Waldkindergärten wurden hier nicht berücksichtigt. Wir müssen laut dem neuen Gesetz mehr Personal einstellen als Kitas, die nicht im Wald sind", so Espósito.
So viel Personal zu finden und einzustellen sei eine große Herausforderung für so einen kleinen Verein. Deshalb seien sie gemeinsam mit anderen Waldkindergärten in Kontakt mit dem Ministerium für Bildung in Rheinland-Pfalz, um andere Lösungen zu finden.
Argumente für mehr Waldkindergärten
Stefan Stifano Esposito träumt davon, dass es in Zukunft mehr Waldkindergärten gibt. Er findet, dass manche Kinder im Wald besser zurechtkämen als in anderen Kitas. "Wir haben immer wieder Kinder, die aus anderen Kitas kommen, wo es Schwierigkeiten gab, die dann in einem großen Raum wie dem Wald nicht mehr so auftreten."
In Kindergärten mit geschlossenen Räumen gebe es viel mehr Regeln und Verbote. Zum Beispiel: Hier darf jetzt nicht gelaufen, gekämpft oder geschrien werden. Hier im Wald könnten die Betreuer sagen: "Ich spreche gerade hier mit jemandem, könnt ihr bitte da drüben kämpfen!" Es müsse nicht komplett verboten werden, erzählt Espósito. Für ihn sei das auf jeden Fall ein sehr großer Vorteil.