Fast 100 Erzieherinnen und Erzieher haben in Mainz auf die schwierige Lage vieler Kitas in Rheinland-Pfalz aufmerksam gemacht. Das Kita-Zukunftsgesetz sei gescheitert.
Kaum ein Lächeln. Stattdessen viele ernste, angespannte Gesichter. Etwa 30 Erzieherinnen und Erzieher sind am Mittwochabend nach Mainz gekommen. Mehr als 60 weitere sind digital zugeschaltet - aus vielen Teilen von Rheinland-Pfalz. Es geht um ihre Arbeitsbedingungen bei der Betreuung von Kindern. Um fehlendes Personal. Um fehlende Räumlichkeiten. Und wie sich die Bedingungen durch das neue Kita-Gesetz verändert haben. Oder - da sind sich alle einig, die sich zu Wort melden oder in den Chat schreiben - verschlechtert haben.
"Das Gesetz war Schlag ins Gesicht"
Eingeladen hat die rheinland-pfälzische CDU-Fraktion: Zu "Kita-Gesprächen". Die anwesenden Abgeordneten um Fraktionschef Gordon Schnieder nehmen sich selbst weitgehend zurück. Überlassen den Erzieherinnen - darunter viele Kita-Leiterinnen - weitgehend den Raum und das Wort. Dabei wird es im Laufe der zwei Stunden zunehmend emotional. Ärger, Wut, Enttäuschung, Sorge, aber auch Hilflosigkeit und Verzweiflung sind spürbar. Die Erzieherinnen und Erzieher fühlen sich nicht gehört, nicht wahr- und mitgenommen bei den gesetzlichen Änderungen. "Das Gesetz war ein Schlag ins Gesicht", beklagt eine Kita-Leiterin aus Kaiserslautern.
"Kitas in RLP sollen keine Verwahranstalten werden"
Die Erzieherinnen sind besorgt, dass sie den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden können, weil das Personal zu knapp und die Arbeitsbelastung damit zu hoch sei. Die Befürchtung: die Kitas im Land könnten "zu Verwahranstalten werden". Die unklare Finanzierung integrativer Kitas und das Aus der Sprachkitas Ende Juni verstärkt diese Sorge. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg führen das Programm weiter. In Rheinland-Pfalz soll die Sprachförderung laut Bildungsministerium im Regelbetrieb erfolgen.
Keine Lösung für Fachkräftemangel in Sicht
Das "Kita-System steht kurz vor dem Kollaps" steht in einem der ersten Chat-Beiträge einer Kita aus Bad Kreuznach. Wegen der Situation in vielen Kitas überlegten viele ältere Erzieherinnen, früher in Rente zu gehen. In einem anderen Eintrag heißt es: "Viele Erzieherinnen verlassen schon nach kurzer Zeit wieder den Beruf."
Eine Erzieherin aus Speyer fragt: "Wo sollen Fachkräfte herkommen?" In ihrer Einrichtung sei man wegen unbesetzter Stellen auf fachfremde Aushilfen angewiesen. Bestätigendes und wissendes Nicken vieler Anwesenden. Sie kennen diese Situation aus ihren Kitas. Die vom Bildungsministerium geschaffenen 1.600 Stellen bestehen für die Erzieherinnen weitgehend "auf dem Papier". In den Einrichtungen seien sie nur bedingt angekommen.
Gespräche über Kita-Rahmenvereinbarung gescheitert Genug Geld für freie Kitas in RLP?
Seit fast zwei Jahren haben Kommunen und freie Träger der Kitas darüber verhandelt, wer wie viel Geld in die Kindertagesstätten steckt. Nun sind die Gespräche gescheitert. Wie geht es jetzt weiter?
Erzieherinnen: Land hat Personalbedarf falsch berechnet
"Wir haben fünf Jahre unterbesetzt gearbeitet und sind jetzt erstmals vollbesetzt, müssen aber trotzdem Öffnungszeiten begrenzen", berichtet die Kita-Leiterin aus Kaiserslautern. Der Grund: bei der Berechnung des Personalbedarfs der Kitas im neuen Gesetz seien weder Urlaube, Fortbildungen noch Krankheitsfälle berücksichtigt worden. Das sei eine "klare Fehlpersonalisierung".
"Hier war nie ein Betriebswirt im Boot", beklagt eine Kita-Leiterin aus Alsenborn. Sie kann ihren Ärger kaum verbergen: "Das wurde so dilettantisch aufgezogen." Sie prophezeit, dass viele Kita-Leitungen aufhören werden. Und stellt zudem fest: "Wir können die Kunden nicht zufrieden stellen."
"Werde Erzieherin oder Erzieher" Kita-Fachkräftemangel in RLP – Eine Werbekampagne soll helfen
1.500 Stellen sind in rheinland-pfälzischen Kitas nicht besetzt. Der Fachkräftemangel ist hoch. Eine neue Kampagne soll Abhilfe schaffen.
Kita-Fachkräfteverband RLP: Wir müssen Öffnungszeiten kürzen
"Wir müssen Öffnungszeiten kürzen", bestätigt auch Claudia Theobald. Die Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands Rheinland-Pfalz fordert die Erzieherinnen auf, den Eltern die Lage immer klar zu kommunizieren. Dass der seit Juli 2021 bestehende Anspruch auf regelmäßige Betreuung von durchgängig 7 Stunden und Mittagessen oft nicht leistbar sei.
Am Ende kommt auch wieder die CDU ins Spiel. Die Erzieherinnen möchten wissen, was die Fraktion aus ihren Berichten machen will. Die verspricht einen Gesetzesänderungs-Antrag für den Landtag, um die angesprochenen Missstände zu beheben. Claudia Theobald stellt klar: Der Fachkräfteverband lasse sich auch gerne von der rheinland-pfälzischen Ampel-Koalition einladen, um dort die Kita-Lage zu schildern.
Demo vor und Verhandlungen im Pfalzinstitut Frankenthal: Demo von Eltern und Erziehern für Erhalt integrativer Kitas
Rund 60 Eltern, Kinder und Erzieher haben am Freitagmorgen in Frankenthal für den Erhalt integrativer Kitas demonstriert. Dort besuchen Kinder mit Behinderungen gemeinsam mit anderen die Kita, werden aber bisher zusätzlich gefördert.