2023 haben sich in Rheinland-Pfalz weniger Menschen das Leben genommen als im Vorjahr. Welche Gruppen begehen häufig Suizid? Welche Anzeichen gibt es und wie kann man Menschen mit Suizidgedanken helfen?
In Rheinland-Pfalz haben sich im vergangenen Jahr insgesamt 495 Menschen das Leben genommen. Das geht aus Zahlen des Statistischen Landesamtes zu Suiziden hervor. 2022 waren es noch 566 Fälle von Selbsttötung.
- Wie erkennt man, ob jemand suizidgefährdet ist?
- Wie kann man Menschen bei Suizidgefahr helfen?
- Wie sollte die Suizid-Prävention verbessert werden?
- Welches gelungene Suizid-Präventionsprogramm gibt es?
Wie in den Vorjahren haben sich deutlich mehr Männer als Frauen das Leben genommen. Den Zahlen des Statistischen Landesamtes nach begingen 372 Männer Suizid. Das sind etwa dreimal so viele Fälle wie bei den Frauen (123). Sozialverbände, Ärzte und Hilfsorganisationen versuchen, auf das Thema aufmerksam zu machen, zum Beispiel am 10. September, dem Welttag der Suizidprävention.
Männern falle es schwerer, über ihre Gefühle zu sprechen, erklärt Gerd Wagner die auffälligen Zahlen. Es falle ihnen auch schwerer, sich Hilfe zu holen. "Aber sie greifen auch zu härteren Suizidmethoden. Dadurch können sie auch seltener gerettet werden als Frauen, die sogenannte weichere Methoden wählen", sagt der Privatdozent an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena.
Eine Rolle spiele auch, wie weit die Menschen sozial eingebunden seien, erklärt Wolfram Schulze, Sozialwissenschaftler an der Hochschule Koblenz. "Männer profitieren oft von den sozialen Kontakten ihrer Frauen. Und wenn die Frau stirbt, brechen oftmals auch soziale Kontakte ab." Die Statistik zeigt auch: Es begehen mehr ältere Menschen Suizid als jüngere.
Suizidrate in RLP im Rhein-Hunsrück-Kreis am höchsten
In Rheinland-Pfalz ist die Suizidrate, also die Zahl der Suizide je 100.000 Einwohner, im Rhein-Hunsrück-Kreis mit 21,7 landesweit am höchsten. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm ist sie mit 3,8 am niedrigsten.
Bundesweit starben 2023 rund 10.300 Menschen durch Selbsttötung. Das teilte das Statistische Bundesamt mit. Das waren mehr als dreimal so viele Todesfälle wie beispielsweise in Folge von Verkehrsunfällen. Jeder 100. Todesfall in Deutschland ist ein Suizid. Anders als in Rheinland-Pfalz nahm die Zahl der Suizide gegenüber dem Vorjahr bundesweit um 1,8 Prozent zu. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem Jahr mit dem historischen Tiefststand von gut 9.000 Fällen, betrug der Anstieg 14 Prozent.
Wie erkennt man, ob jemand suizidgefährdet ist?
"Wenn sich jemand ohne ersichtlichen Grund zurückzieht, sollte man hellhörig werden", rät Prof. Wolfram Schulze. Der Wissenschaftler der Hochschule Koblenz ist Mitherausgeber der Zeitschrift Suizidprophylaxe. Trennung, Erkrankung oder Arbeitsplatzverlust seien Lebenskrisen, die Menschen in Verzweiflung stürzen können.
"Wenn die Betroffenen dann keine Perspektive mehr für sich sehen, kann das zu Suizidgedanken führen", sagt Schulze. "Ich weiß gar nicht, ob das alles noch Sinn macht", sei beispielsweise ein Schlüsselsatz, den Betroffene dann manchmal äußerten und der auf Suizidgedanken hinweisen könnte.
Wie kann man Menschen bei Suizidgefahr helfen?
"Auf jeden Fall auf die Menschen zugehen", meint Schulze. Fragen, wie es dem Betroffenen geht, ins Gespräch kommen - das seien die ersten Schritte. Wenn der oder die Betroffene sich öffne, sei es auch okay, direkt nachzufragen, ob es Suizidgedanken gibt. "So eine Frage erhöht keinesfalls das Risiko für einen Suizid, wie manche vielleicht denken. Im Gegenteil: Es eröffnet die Möglichkeit, darüber zu sprechen, wo es Hilfe gibt."
Lebenshilfe Suizid verhindern – Was Fachkräfte und Laien tun können
Pro Jahr töten sich 10.000 Menschen selbst, das sind mehr als im Verkehr, durch Gewalttaten, durch illegale Drogen und Aids zusammen.
Wie sollte die Suizid-Prävention verbessert werden?
"Das Wichtigste ist, dass die Menschen frühzeitig angesprochen werden", sagt Schulze. "Dafür muss es mehr aufsuchende Sozialarbeit geben, denn Einsamkeit ist ein entscheidender Faktor für Suizidgefahr." An Schulen müsse es mehr Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter geben, die direkt auf die Jugendlichen zugehen könnten. Für alte Menschen, die ihre Wohnung nicht mehr verlassen, könne ehrenamtliche Nachbarschaftshilfe oder ein Stadtteil-Projekt ein Angebot sein.
Generell brauche es mehr Sensibilität, meint der Soziologe Schulze. "Hausärzte und Pflegedienste, die einen Verdacht haben, dürfen aber auch mit dem Problem nicht allein gelassen werden. Es gibt viel zu wenige Krisendienste, die in einem konkreten Fall informiert werden können."
Welches gelungene Suizid-Präventionsprogramm gibt es?
Die Caritas beispielsweise bietet Jugendlichen über die Online-Suizidprävention [U25] Hilfe. Jugendliche unter 25 Jahren können sich dort per Mail rund um die Uhr melden. Und das Besondere: Die Beraterinnen und Berater sind speziell geschulte Jugendliche. Die Hürde für die Betroffenen, sich Hilfe zu suchen, soll so niedrig wie möglich sein.
"Jugendliche, die in einer Krise sind, müssen niemanden fragen, ob er sie zu einer Beratungsstelle bringen kann", erklärt Schulze. "Sie müssen sich nicht direkt an Erwachsene wenden, sondern können zunächst mit jemandem aus ihrer Peergroup sprechen." Jugendliche seien über solche Online-Angebote am besten zu erreichen. Bei älteren Menschen müssten es dagegen andere, persönlichere Angebote sein - wie etwa Hausbesuche oder Stadtteil-Treffpunkte.
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