Hochwasser und anhaltender Regen in Rheinland-Pfalz: Das Wetter zeigt sich in diesem Winter von seiner nassen Seite. Doch reicht der Niederschlag, um das Grundwasser aufzufüllen?
"Die starken Regenfälle des vergangenen Jahres haben die oberflächennahen Bodenschichten gut durchfeuchtet", berichtet Joachim Knapp, Pressesprecher des Landesamtes für Umwelt in Rheinland-Pfalz (LfU). "Das ist für die Böden sehr gut, die in den vergangenen Sommern stark ausgetrocknet sind." Für das Grundwasser seien allerdings die kommenden Monate entscheidend. Das sogenannte hydrologische Winterhalbjahr: eine spannende Zeit für die Wasserexpertinnen und -experten.
Winterhalbjahr entscheidend für Neubildung von Grundwasser
Diese Zeitspanne von November bis April ist nach Angaben des Landesamtes für Umwelt maßgeblich für die Neubildung von Grundwasser verantwortlich. Das hat vor allem zwei Gründe. Da die meisten Pflanzen im Winter in die sogenannte Vegetationsruhe eintreten, also in eine Art Winterschlaf, entziehen sie dem Boden kein Wasser, das sie sonst zum Wachstum benötigen. Ein weiterer Grund sind die niedrigen Temperaturen im Winterhalbjahr und die dadurch erheblich geringere Verdunstung: "Fallender Regen hat dann die Möglichkeit zu versickern und zur Grundwasserneubildung beizutragen", erklärt Knapp vom LfU.
Ausgangsbedingungen für neues Grundwasser besser als zuletzt
Doch was heißt das jetzt konkret für das Grundwasser? Die einfache Antwort: Es ist noch nicht absehbar. Damit auch tiefere Bodenschichten durchfeuchtet werden, muss es über einen längeren Zeitraum im Winterhalbjahr immer wieder regnen. Bis in etwa 60 Zentimeter Tiefe ist der Boden im Moment gut mit Wasser versorgt, wie ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums mitteilt: "Das vergangene Jahr bietet somit positivere Ausgangsbedingungen als die vorherigen Jahre."
Niederschlagsmenge 2023 wieder über dem Referenzwert
Das lässt sich auch mit den Zahlen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) belegen. In seiner aktuellen "Deutschlandwetter"-Bilanz berichtet der DWD von einer Niederschlagsmenge von 910 Millimetern (entspricht 910 Litern pro Quadratmeter) in Rheinland-Pfalz im Jahr 2023. Damit lag die Niederschlagsmenge zum ersten Mal seit 2017 wieder über dem gültigen Referenzwert von 807 Millimetern. Zum Teil fielen die Niederschläge in den vergangenen fünf Jahren deutlich niedriger aus, wie beispielsweise 2020 (650 Millimeter) oder 2018 (670 Millimeter).
2023 - Ein Jahr der Wetterextreme Temperaturen waren in Rheinland-Pfalz zu hoch
Der Dezember in Rheinland-Pfalz war stürmisch, mild und regnerisch. 2023 war insgesamt ein Jahr der Wetterextreme und vor allem zu warm.
Regen erreicht zum Teil erst nach Jahren das Grundwasser
Ein langfristiger Blick ist bei der Neubildung von Grundwasser auch angebracht. Selbst wenn es in den kommenden Monaten weiterhin Regen gebe, dauere es, bis der auch im Grundwasser ankomme. Je nach Beschaffenheit des Bodens zwischen sechs Monaten und bis zu fünf Jahren, wie LfU-Sprecher Joachim Knapp erklärt. Erst dann füllen sich die Grundwasserspeicher wieder. Ein heißer und trockener Sommer könnte aber direkt wieder das Gegenteil bewirken. Der Bedarf an Trinkwasser werde größer und die Landwirtschaft, beispielsweise in der Vorderpfalz, müsse zum Bewässern ebenfalls mehr Grundwasser entnehmen.
In Rheinland-Pfalz war es 20 Jahre zu trocken für das Grundwasser
In Rheinland-Pfalz bildet sich seit inzwischen 20 Jahren weniger Grundwasser als früher. Aus den Statistiken des Landesamtes für Umwelt geht hervor, dass die Zahl der Niederschläge seit 2003 insgesamt deutlich zurückgegangen ist. In den Jahren von 1971 bis 2000 fielen in den Wintermonaten, die für das Grundwasser entscheidend sind, im Schnitt rund 380 Millimeter Niederschläge. Seit 2003 sind es nur noch 345 Millimeter pro Winterhalbjahr. Dadurch sei die Grundwasserneubildung um etwa ein Viertel zurückgegangen, so das LfU.
Correctiv-Recherche zeigt Grundwasserrückgang in Deutschland
Das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv hatte im vergangenen Jahr erstmals einen Grundwasser-Atlas für rund 6.700 Messstellen in Deutschland erstellt, darunter fast 500 in Rheinland-Pfalz. Klimareporterin Katarina Huth erklärte im SWR1-Interview, dass das Grundwasser an jeder fünften Messstelle seit 1990 gesunken ist. Vor allem in Rheinhessen und etwas weiter südlich in der Region um Ludwigshafen, wo die BASF als größter Wassernutzer Deutschlands angesiedelt sei.
Huth verweist im Interview auf die Probleme, die durch die Wassententnahme entstehen - insbesondere, wenn die Region selbst schon unter Trockenheit leidet. In Mainz sei zum Beispiel die Wasserentnahme aus Flüssen und Seen im Juli 2023 verboten worden. "Bürgerinnen und Bürger dürfen also ihre Blumen oder auch ihr Gemüse im Garten nicht mehr bewässern und müssen sparen, wohingegen die Großindustrie noch mehr Wasser nutzen darf als ohnehin schon", so Huth.
Oberrheingraben einer der wichtigsten Grundwasserspeicher
Rheinland-Pfalz grenzt an einen der wichtigsten Grundwasserspeicher Mitteleuropas an. Der Oberrheingraben sei die "größte Badewanne Deutschlands", erklärte Wissenschaftler Hans Jürgen Hahn von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) in einem Interview mit ARD Aktuell. Die Tiefebene von Basel bis Frankfurt am Main ist etwa 350 Kilometer lang, 40 Kilometer breit und bis zu 300 Meter tief. Doch die "Badewanne" wird immer schmutziger. Wird zu viel Wasser entnommen, gelangt das Oberflächenwasser schneller in die Tiefe und mit ihm Verunreinigungen aus Bächen oder Flüssen. Dadurch werde das Grundwasser mit Schadstoffen belastet oder verschmutzt, so Hahn.
Grundwasser wichtig für Trinkwasser, Landwirtschaft und Industrie
Für die Trinkwasserversorgung der Menschen in Rheinland-Pfalz ist das Grundwasser eine unverzichtbare Ressource. Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt wird die Bevölkerung im Land mit Trinkwasser versorgt, dass zu 97 Prozent aus Grundwasser gewonnen wird. Eine große Bedeutung hat das Grundwasser auch für die Landwirtschaft und die Industrie. Insgesamt werden jedes Jahr etwa 374 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnommen. Davon rund 240 Millionen Kubikmeter für Trinkwasser.