Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat Vertreter der Städte, Kreise und Gemeinden heute zu einem Spitzengespräch zur Flüchtlingspolitik eingeladen. Es gehe darum, nach dem Flüchtlingsgipfel in Berlin vor zwei Wochen das weitere Vorgehen zu besprechen, heißt es in der Einladung.
Nach dem Gipfel in Berlin herrschte bei Städten, Kreisen und Gemeinden Frust. Sie haben jetzt eine hohe Erwartungshaltung an den Termin mit der Landesregierung. Die Geschäftsführerin des Städtetags, Lisa Diener, sagte dem SWR, den Kommunen fehle es vor allem an Wohnungen, an Personal und an Geld. Außerdem fehlten Kitaplätze, Sprachkurse und ein Integrationskonzept. Diese Probleme seien seit Monaten bekannt, trotzdem habe die Bundesregierung sie nach dem Flüchtlingsgipfel vor zwei Wochen verschoben.
Landkreistag sieht Land in der Pflicht
Von der Landesregierung erwarte man, dass sie sich der Probleme annehme, anstatt sie zu verschieben. Der Geschäftsführer des Landkreistags, Burkhard Müller, sagte dem SWR, das zusätzliche Geld, das der Bund den Kommunen nach dem Flüchtlingsgipfel versprochen habe, reiche bei Weitem nicht. Deshalb müsse das Land jetzt einspringen und den Kommunen mehr Geld geben.
Das Spitzengespräch ist seitens der Landesregierung hochkarätig besetzt. Neben Ministerpräsidentin Dreyer nehmen auch Finanzministerin Doris Ahnen (SPD), Innenminister Michael Ebling (SPD) und Integrationsministerin Katharina Binz (die Grünen) teil.
Übernahme aller Flüchtlingskosten?
Beim Thema Geld erwarten die Kommunalverbände, dass die Landesregierung den Städten, Kreisen und Gemeinden alle Flüchtlingskosten erstattet. Bisher zahle das Land zum Teil Pauschalbeträge, was dazu führe, dass die Kommunen einen Teil der Kosten selbst aufbringen müssten.
Burkhard Müller sagte weiter dem SWR, mit dem Ergebnis des Flüchtlingsgipfels in Berlin sei keine vernünftige Integration der Flüchtlinge möglich, deshalb sei jetzt das Land gefragt. Vom Städtetag heißt es, falls das Land nicht für eine auskömmliche Finanzierung sorge und es weiterhin so sei, dass Kommunen auf Flüchtlingskosten sitzen bleiben, müssten einige Städte voraussichtlich Projekte wie zum Beispiel den Ausbau von Kitas oder Sportstätten auf Eis legen. Das würde die gesellschaftliche Akzeptanz und die Solidarität mit den Flüchtlingen gefährden, heißt es in einer Mitteilung des Städtetags an die Oberbürgermeister.
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Sorge vor Unmut wächst
Die grundsätzliche Sorge, dass die Stimmung kippen könnte, ist aus allen Kommunalverbänden zu hören. Müller befürchtete, dass sich Unmut breit machen könnte, weil Familien wegen der Flüchtlingskinder länger auf einen Kitaplatz warten müssten. Diese Sorge wurde dem SWR auch aus den Reihen eines Kitaträgers bestätigt.
Der Städtetag Rheinland-Pfalz teilte dem SWR mit, dass es Kitas mit einem Migrationsanteil von über 90 Prozent gebe und dass deshalb Eltern in betroffenen Kitas Angst hätten, dass ihre Kinder in der Sprachentwicklung zurückbleiben könnten.
Wohnraum ist Mangelware
Ein weiteres Beispiel: Nach Angaben des Städtetags war das Problem Flüchtlinge unterzubringen in den vergangenen Wochen teilweise so schlimm, dass einige Städte in Rheinland-Pfalz sogar gezwungen waren, Wohnungen zu mieten, die über dem üblichen Mietspiegel lagen. Das mache die Lage für alle, die in den betroffenen Städten ebenfalls Wohnungen suchten, noch schwieriger als sie eh schon sei, so der Städtetag.
Der Geschäftsführer des Landkreistags Burkhard Müller sagte dem SWR, die Unterbringung von Flüchtlingen in Schulturnhallen habe ebenfalls das Potenzial, die Akzeptanz der Bevölkerung für Flüchtlinge sinken zu lassen. "Die Landesregierung darf die Kommunen mit all diesen Problemen nicht allein lassen, sondern muss gemeinsam mit den Kommunen nach Lösungen suchen. Ansonsten gibt es die Gefahr, dass bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr eine Partei profitiert, die diese Probleme aufgreift, aber selbst gar keine eigenen Lösungsmöglichkeiten anbietet“, betonte Müller.
180 Millionen Euro für Rheinland-Pfalz
Aus dem Integrationsministerium ist zu hören, dass es bei dem Treffen auch darum gehe, welchen Anteil die Kommunen von dem Geld bekommen, das der Bund für Flüchtlinge an die Länder zahlt. Bereits im November hatte der Bund den Ländern für dieses Jahr 2,75 Milliarden Euro versprochen. Beim Flüchtlingsgipfel
am 10. Mai hatte der Bund dann eine weitere Milliarde für dieses Jahr zugesagt. Von den insgesamt rund 3,75 Milliarden Euro bekäme Rheinland-Pfalz etwa 180 Millionen Euro.
Unklar ist bislang, ob das Land die rund 180 Millionen Euro vollständig an die Kommunen weitergibt, oder einen Teil für sich selbst behält. Im vergangenen Jahr hatte das Land rund 20 Prozent des Bundesgeldes für Flüchtlinge einbehalten, womit die Kommunen nach Angaben der Verbände einverstanden waren. Hintergrund: Die Kommunen sind dafür zuständig, die Flüchtlinge dauerhaft unterzubringen. Das Land kümmert sich in den ersten Wochen nach der Ankunft um die Unterbringung der Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen und hat damit ebenfalls Kosten.