Die Corona-Pandemie ist für die meisten Menschen kein Thema mehr. Doch viele Patienten leiden unter den Folgen einer Covid-Erkrankung. Besonders junge Betroffene haben keine Aussicht auf eine normale Kindheit. Ein Besuch in der Edelsteinklinik in Bruchweiler.
Nach dem Frühstück hat Henri keine Kraft mehr für den Tag übrig. "Meistens ist es schon so, dass ich morgens weiß, ich schaffe das nicht. Ich bin ganz schlapp, schlafe am Frühstückstisch ein und schaffe es nicht mehr die Treppe hoch," erklärt der 12-Jährige. Drei Mal hatte er Corona. Nach der Krankheit hat er noch immer Konzentrationsschwierigkeiten, seine Muskulatur ist schwach und er ist oft erschöpft. Henri leidet an Post-Covid.
Damit ist er nicht alleine. Zusammen mit Magdalena und David macht er in der Edelsteinklinik in Bruchweiler (Landkreis Birkenfeld) eine Reha. Sie alle hatten Glück, denn die Nachfrage nach den Plätzen in der Fachklinik für Kinder- und Jugendrehabilitation ist groß.
Normaler Alltag für Kinder mit Post-Covid kaum möglich
Henri ist seit einer Woche mit seiner Mutter hier. Durch das Fatigue-Syndrom und die damit einhergehende dauerhafte Erschöpfung hat er es nur noch ein bis zwei Mal in der Woche in die Schule geschafft. Seine Mutter sagt, die anhaltende Erkrankung erschwere Henris Alltag und grenze auch seine Hobbies ein. Deswegen müsse sie immer darauf achten, ihn angesichts des Kräftemangels nicht zu überlasten.
Schulabschluss für Kinder mit Post-Covid oft schwer vorstellbar
Niemand kann Henri oder den anderen Kindern sagen, ob und wann es ihnen besser gehen wird. Denn so wie Henri geht es den meisten Kindern mit Post-Covid. Ihr Alltag ist komplett eingeschränkt, oft können sie sich nur eine begrenzte Zeit körperlich oder geistig betätigen. Weil der Schulbesuch nur eingeschränkt möglich ist, stehen natürlich auch die Zukunftsaussichten der Kinder in den Sternen. Ob sie jemals einen Schulabschluss machen können, ist unklar. Das belastet auch die Familien extrem.
David, ein weiterer Post-Covid Patient, ist nun seit fünf Wochen in der Klinik. In der Physiotherapie trainiert er Muskeln und Beweglichkeit. Seine Beine und seine Konzentration waren sehr geschwächt. Aber seitdem er hier ist, ist es schon deutlich besser geworden: "Ich kann mich besser konzentrieren, zum Beispiel. Ich kann länger die Luft anhalten." Neulich hat er es sogar geschafft, durch das ganze Schwimmbecken zu tauchen - ein kleiner Erfolg in einer bedrückenden Situation.
Werden Patienten mit Post-Covid von der Gesellschaft vergessen?
Das Gesundheitsministerium geht von 80.000 Menschen in Rheinland-Pfalz aus, die an Long-Covid oder Post-Covid leiden. Für sie hat das Land Anlaufstellen eingerichtet. Doch trotz der zahlreichen Ambulanzen, Kliniken und Zentren zur Behandlung von (Post)-Covid haben viele Patienten das Gefühl, von der Gesellschaft, der Politik und der Medizin vergessen worden zu sein.
Die ärztliche Direktorin der Edelsteinklinik, Edith Waldeck, meint, die Patienten seien schlicht "müde" vom andauernden Kampf mit der Krankheit. Währenddessen hätten viele andere schon über die Pandemie hinweg geschaut und dieses Kapitel für sich beendet, andere sogar angezweifelt, ob Post-Covid überhaupt existiert.
Gerade in Bezug auf die Kinder sei Corona unterschätzt worden, findet die ärztliche Direktorin der Klinik: "Ich kann mich noch erinnern, wo Politiker gesagt haben, ja, wegen einer Rotznase lasse ich mich nicht mehr impfen," so Waldeck. “Ich hätte gerne, dass diese Damen und Herren jetzt diese Kinder sehen, die hier im Rollstuhl sitzen und kaum vorwärts kommen. Ich hätte am allerliebsten die Kinder zuerst geimpft, ihnen einen Schutz auf den Weg gegeben und vielleicht verhindert, dass es zu Post-Covid kommt."
Leben mit Post-Covid: Nichts ist mehr wie früher
Für erwachsene Menschen gestaltet sich der Alltag mit Post-Covid ebenfalls schwierig, wie zum Beispiel bei Angela Lautenbach. Sie ist immer auf Hilfe angewiesen. Für die 57-Jährige aus Bingen ist das Leben komplett auf den Kopf gestellt, seit 2021 hat sich nichts verbessert: Sie hat dauerhaft Nervenschmerzen und kaum Kraft in den Händen. Einfache Alltagsdinge, wie Schuhe anziehen, sind fast unmöglich.
Arbeiten gehen oder Handball spielen? Für Lautenbach unmöglich. Sie erhofft sich aber durch externe Hilfen wie Ergotherapie und persönliche Begleitung wieder die Rückkehr zu ihrem früheren Leben.
Auch wenn sie derzeit von Familie und Freunden zu jedem Termin gefahren werden muss und nach einem Friseurtermin am Morgen der Tag für sie gelaufen ist, weil sie zu erschöpft ist für andere Dinge, gibt sie die Hoffnung nicht auf: "Ich würde einfach gerne mal so wieder total unbeschwert, fröhlich und ohne Schmerzen einen Tag erleben, von morgens bis abends, an dem ich einfach nur die Sachen machen kann, die mir Spaß machen. Und nicht nach zwei Stunden oder drei Stunden dermaßen erschöpft bin."