Giftige Pilze, die essbaren zum Verwechseln ähnlich sehen. Das kann für Sammler lebensgefährlich werden. Ein Experte warnt Laien davor, sich beim Bestimmen auf Apps zu verlassen.
Es ist eigentlich eine Binsenweisheit: Fehler bei der Bestimmung von Pilzen können lebensgefährlich sein. Jahr für Jahr wird zum Höhepunkt der Pilzsaison im Herbst vor den Gefahren gewarnt. Und dennoch erleiden immer wieder Menschen eine schwere Vergiftung nach dem Genuss von Pilzen.
Vor kurzem kamen vier Patienten, darunter drei Kinder, nach dem Verzehr von giftigen Knollenblätterpilzen mit akutem Leberversagen in das Uniklinikum Essen. In drei Fällen erfolgte inzwischen eine Lebertransplantation. Zwei der fünf bis 15 Jahre alten Kinder stammen aus dem Saarland.
Pilzbestimmung: Auch für erfahrene Sammler nicht immer leicht
Offenbar machen sich immer mehr Ungeübte auf die Suche nach schmackhaften Pilzen. Aber die Ähnlichkeiten zwischen essbaren und ungenießbaren Exemplaren können auch für erfahrene Sammlerinnen und Sammler gefährlich werden. Viele Apps werden inzwischen angeboten, die dabei helfen sollen, giftige von ungiftigen Pilzen zu unterscheiden.
Experte rät von Pilz-Apps ab
Doch davon rät der Pilzsachverständige Thomas Regnery aus der Eifel ab. Nach seiner Erfahrung könne "das ganz schön schiefgehen". Von Menschen, die sich vergiftet haben, höre er immer öfter: "Ja, aber meine App hat gesagt, das ist der oder der Pilz."
In der Eifel zum Beispiel gebe es 6.000 bis 7.000 verschiedene Arten von Pilzen. "Da sind anhand ihrer optischen Merkmale vielleicht mal 1.000 wirklich bestimmbar", sagt Regnery. Für den Rest müsse man mikroskopieren oder Chemikalien einsetzen. "Das heißt, keine App auf der Welt kann auch nur irgendeine Sicherheit bieten, dass ein Pilz wirklich der ist, den sie zu identifizieren glaubt", erklärt er.
Toxikologie Was manche Pilze giftig macht
Jetzt sprießen sie wieder überall: Pilze. Und sie locken Scharen von Pilzsammlern in die Wälder. Doch mit Pilzvergiftungen ist nicht zu spaßen.
Vergiftungen mit dem grünen Knollenblätterpilz gebe es leider immer wieder, so Regnery. Er sei über die Giftnotzentrale mit einem Fall betraut gewesen, bei dem ein achtjähriger Junge aus dem Kreis Ahrweiler nach dem Sammeln und Essen von Pilzen Brechdurchfall bekommen habe. "Es war höchste Eisenbahn. Ich habe ihn sofort in die Notaufnahme ins Krankenhaus Mechernich geschickt." Es gehe dem Kind wieder besser.
Knollenblätterpilz eine tödliche Gefahr
Der Grüne Knollenblätterpilz ist einer der giftigsten Pilze überhaupt. Er werde häufig mit dem Champignon verwechselt. "Eigentlich ist das erstaunlich, weil man ihn gar nicht verwechseln kann", sagt der Experte. Zumindest wenn man wisse: Der Knollenblätterpilz habe immer weiße Lamellen unter seinem Hut, der Champignon aber nie. Bei diesem seien die Lamellen rosa, gingen dann über Braun bis zu Schwarz. Etwa zehn Prozent aller Pilzvergiftungen gehen auf Knollenblätterpilze zurück. Und Knollenblätterpilze sind laut Zahlen des Berliner Bundesinstituts für Risikobewertung für mindestens 80 Prozent aller tödlichen Pilzvergiftungen in Deutschland verantwortlich.
Jedes Jahr gibt es bundesweit zwischen 200 und 300 gemeldete stationäre Behandlungen wegen Pilzvergiftungen - meist Übelkeit, Erbrechen, Durchfall. Das sei "nicht so wahnsinnig häufig", meint Pilzexperte Regnery. Man solle es daher auch nicht "überdramatisieren".
Viele Anfragen beim Giftnotruf an der Unimedizin Mainz
Im Großen und Ganzen seien Pilzsammler "schon vorsichtig genug und kennen sich in ihrem Bereich recht gut aus". Zudem beantworten die Giftinformationszentren der Länder jährlich mehrere Tausend Anfragen zu Pilzen.
Ein Problem sei, wenn Menschen aus anderen Ländern nach Deutschland zögen und von dort andere Pilze gewohnt seien. "Sie sammeln Pilze und denken, dass es dieselben sind und dann passieren Vergiftungen", sagt der Sachverständige. Es gebe sehr viele Fälle von Menschen, die ihre Herkunft in Osteuropa hätten.
Wenn der 54-Jährige einen Pilz bestimmt, hebelt er ihn mit dem Finger aus der Erde und dreht ihn herum. "Bei Pilzen spielt die Musik unter dem Hut", erklärt der Fachmann. Er studiert genau Stiel und Lamellen.
Dieses Jahr sei ein außerordentlich gutes Pilzjahr: Der Wald sei voller Pilze gewesen. Ein so gutes Pilzjahr habe er zuletzt 1986 erlebt. Die Saison sei auch noch im Gange. Bei den derzeit milden Temperaturen fühlten sich die Pilze wohl, sagt Regnery.
Pilze unbedingt eindeutig identifizieren
Als Speisepilze verträglich und beliebt seien Klassiker wie Steinpilze, Maronen-Röhrlinge, Champignons oder Pfifferlinge. Rund 40 Arten seien gut zu empfehlen. Seit 1992 macht er regelmäßig Pilzwanderungen für die Volkshochschule Gerolstein.
Der allerwichtigste Tipp, den Regnery für Pilzsammler hat, lautet: "Nur das sammeln, was man eindeutig identifiziert hat." Zudem rate er: Finger weg von ganz kleinen, jungen Pilzen! Da gebe es eine große Verwechslungsgefahr: Ein Pfifferling könne etwa leicht mit dem giftigen orangefuchsigen Raukopf verwechselt werden.