Zehn Jahre Bauarbeiten an der Schiersteiner Brücke sind zu Ende. Ab Montag ist die Autobahnbrücke sechsspurig befahrbar. Am Sonntag wurde sie bereits symbolisch eröffnet - begleitet von Protesten.
Die Autobahn GmbH eröffnete die Schiersteiner Brücke in Mainz - im Beisein von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Er freue sich, "dass so viele feiern, dass diese Brücke heute fertiggestellt ist", sagte Wissing beim offiziellen Festakt.
Eine neue Brücke über den Rhein, das sei etwas Besonderes, weil hier in der Region "überall die Diskussionen lebendig sind, wie kriegen wir mehr Brücken hin, wie können wir die beiden Rheinseiten stärker miteinander verbinden", so Wissing. Deswegen habe der Bund auch gerne und kräftig investiert - 252 Millionen Euro. Das sei gut angelegt. Das Rhein-Main-Gebiet habe ein unglaubliches Wirtschaftspotenzial.
Wissing sagte, er werde sich für einen weiteren Ausbau der Schiersteiner Brücke einsetzen. Der Verkehrsbedarf sei klar für einen sechsspurigen Ausbau vorhanden, so Wissing. Die neue Brücke ist jetzt sechsspurig, der Anschluss an die A643 in Mainz allerdings noch vierspurig.
"Ein großer Tag für Hessen und Rheinland-Pfalz"
"Das ist ein großer Tag für Hessen, das ist ein großer Tag für Rheinland-Pfalz", sagte Wissings Parteikollege Andy Becht, Staatssekretär im rheinland-pfälzischen Verkehrsministerium, dem SWR. Das sei eine der wichtigsten Brücken in der Rhein-Main-Region neben der Theodor-Heuss-Brücke mit großer Bedeutung für Wirtschaft und Pendler. "Wir hatten mit Schwierigkeiten und Widrigkeiten zu kämpfen. Zehn Jahre können nicht zufrieden stimmen", so Becht weiter.
Der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) betonte, die lange Planungs- und Bauzeit der Schiersteiner Brücke verdeutliche, dass Infrastrukturprojekte beschleunigt werden müssten. Im westlichen Rhein-Main-Gebiet hatte der Neubau der Rheinbrücke zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen für starke Beeinträchtigungen im Verkehr gesorgt.
Proteste begleiteten Einweihung
Begleitet wurde die Einweihung von Protesten. Rund 200 Menschen demonstrierten nach Polizeiangaben gegen die umstrittene geplante Erweiterung der A643 durch das Naturschutzgebiet Mainzer Sand und den Lennebergwald. Die Klimaschützer kamen mit Plakaten, auf denen sie unter anderem einen "Nulltarif im ÖPNV - jetzt!" forderten und deutlich Wissings Verkehrspolitik kritisierten. Sie verlangen schon seit längerem, der Bundesverkehrswegeplan müsse gestoppt und unter Klimaaspekte gestellt werden. Immer mehr Naturschutzflächen würden zerstört.
Für den Straßenverkehr wird die Schiersteiner Brücke im Verlauf der Autobahn 643 zwischen Mainz und Wiesbaden erst am Montag früh (5 Uhr) freigegeben. Seit Freitagabend ist die Brücke komplett gesperrt, der Verkehr wird umgeleitet.
Ab Montag freie Fahrt und Tempo 100
Wer Richtung Wiesbaden will, muss schon in Mainz-Gonsenheim abfahren. In der Gegenrichtung wird der Verkehr an der Anschlussstelle Wiesbaden-Äppelallee umgeleitet. Ab Montag gibt es freie Fahrt auf je drei Spuren pro Fahrtrichtung plus Standstreifen. Auf der Brücke wird künftig für Kraftfahrzeuge Tempo 100 gelten. Die Baukosten beziffert die Autobahn GmbH mit 250 Millionen Euro. Ursprünglich war man von 213 Millionen Euro ausgegangen. Ausgelegt ist die Schiersteiner Brücke für mindestens 90.000 Fahrzeuge am Tag, die unter anderem von Rheinland-Pfalz aus in Richtung Frankfurt fahren.
Wie bedeutend die Brücke für den Verkehr im Rhein-Main-Gebiet ist, zeigt diese Grafik.
Pendlerstrecke zwischen Mainz und Frankfurt unterbrochen
In den ersten Monaten dürften allerdings weit weniger Autos auf der Schiersteiner Brücke unterwegs sein. Denn die beliebte Pendlerstrecke der A643 zwischen Mainz und Wiesbaden und der A66 zwischen Wiesbaden und Frankfurt ist noch bis Ende des Jahres unterbrochen. In Wiesbaden ist nämlich seit 2021 die Salzbachtalbrücke auf der A66 unpassierbar. Sie ereilte ein ähnliches Schicksal wie die alte Schiersteiner Brücke. Wegen akuter Einsturzgefahr wurde sie vor zwei Jahren gesprengt. Der Neubau der ersten Brückenhälfte soll erst im Dezember fertig sein.
Arbeiten an der Schiersteiner Brücke begannen 2013
Als die Arbeiten an der Schiersteiner Brücke im September 2013 mit dem ersten Spatenstich begannen, da sah alles nach einem geordneten Verlauf aus. Die damals gut 50 Jahre alte Brücke war zwar durch die jahrelange verkehrliche Überlastung schon marode, aber noch befahrbar. Ziel der Planer: Ein neues Brückenbauwerk sollte westlich der alten Brücke entstehen und vorerst den kompletten Verkehr aufnehmen.
Sperrung der Schiersteiner Brücke nach Bauunfall 2015
Die Arbeiten an der neuen Brücke liefen nach Plan. Sie sollte im Jahr 2017 fertig werden. Aber dann kam es am Abend des 10. Februar 2015 zum verhängnisvollen Unfall auf der Mainzer Seite der Baustelle. Ein Pfeiler der so genannten Vorlandbrücke hatte sich geneigt, dabei war ein Lager herausgesprungen. Die Folge: Die Fahrbahn der alten Brücke senkte sich um 30 Zentimeter ab, die Brücke drohte einzustürzen. Aus Sicherheitsgründen wurde sie sofort gesperrt. Acht Wochen lang kam es zu teilweise chaotischen Szenen auf den Umleitungsstrecken durch die Mainzer Innenstadt.
Erste Brückenhälfte seit 2017 befahrbar
Erst am 12. April 2015 wurde die Brücke wieder geöffnet. Stützpfeiler stabilisierten die Vorlandbrücke so, dass zumindest Autos bis 3,5 Tonnen wieder auf der Schiersteiner Brücke fahren durften. Schwerere Fahrzeuge waren erst ab November 2015 wieder erlaubt.
Zwei Jahre später, am 20. November 2017, wurde die erste neue Brückenhälfte für den Verkehr freigegeben. Unmittelbar danach folgte der Abriss der östlich gelegenen alten Brückenhälfte und der Neubau des Teils, das nun am Montag um 5 Uhr freigegeben wird.