Vor dem Wormser Dom haben am Freitagabend die diesjährigen Nibelungenfestspiele Premiere gefeiert. Das Stück "Brynhild" will in einer lila Wüstenlandschaft alte Rollenbilder ins Wanken bringen.
Bei der Erstaufführung waren viele Prominente aus Politik, Kultur, Gesellschaft, Film und Fernsehen dabei. Unter den Zuschauern war beispielsweise Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), zum ersten Mal bei den Nibelungenfestspielen. "Ich bin wahnsinnig eingenommen von dem Stück, nehme nicht alles ernst, aber es ist sehr unterhaltsam", sagte er dem SWR. Der moderne Comic-Stil gefalle ihm.
Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) war zu Gast. Sie nannte die Festspiele einen "kulturellen Höhepunkt, der weit über die Landesgrenzen hinaus Beachtung" finde. Das Stück "Brynhild" werfe einen "durch und durch weiblichen und diversen Blick" auf den weltbekannten Stoff. Dies verspreche "großes, überraschendes und aufregendes Theater".
Auch andere bekannte Gesichter aus Rheinland Pfalz waren auf dem roten Teppich zu sehen, etwa der ehemalige Landesvorsitzende der CDU, Christian Baldauf oder der ehemalige Landesverkehrs- und aktuelle Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sowie der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Landtag, Arbeitsminister Alexander Schweitzer.
Zuschauer reagieren verhalten bis positiv auf Premiere
"Es war sehr modern, mir war es teilweise zu modern, zu grell und zu schnelllebig", sagte eine Zuschauerin. Sie möge zwar moderne Dinge, hätte sich aber doch eine traditionellere Verbindung auch zum Dom gewünscht. "Ein bisschen schwierig zu verstehen", so die ersten Eindrücke von einem anderen Besucher. Er nannte "Brynhild" ein "Sammelsurium aus mehreren Fernsehserien und Filmen." Die Texte seien sicher schwer für die Schauspieler zu sprechen, das sei auch eine enorme Leistung, die die Schauspieler bringen. Dies würde aber ein bisschen überlagert durch die Fernsehbilder und die großen Leinwände. "Es war sehr modern, und ich warte noch darauf, dass das Stück bei mir ankommt", lachte ein weiterer Festspielbesucher. Eine junge Zuschauerin sagte, das Stück werde dem Versprechen, dass es zeitgemäß, divers und modern sei, gerecht. "Ich finde es sehr gut, es ist mal was anderes als in den letzten Jahren, es holt mich sehr ab."
Klassische Nibelungensage hat ausgedient
Auch Hollywood-Star Ralf Moeller war auf dem roten Teppich, ebenso wie Kaberettist und Schauspieler Dieter Hallervorden. Die Promis und die anderen Premierengäste erlebten ein Spektakel in Lila. Denn nach einem Wasserbecken im vergangenen Jahr besteht das diesjährige Bühnenbild aus einer lila Wüstenlandschaft.
Und auch sonst hat die diesjährige Inszenierung nur wenig mit der klassischen Nibelungensage zu tun. "Brynhild" verspreche eine konsequent gegenwartsbezogene Lesart - und großes, überraschendes und aufregendes Theater, heißt es von Seiten der Verantwortlichen. In der mystischen Geschichte über Treue und Verrat hinterfragt Autorin Maria Milisavljevic etwa das Verhältnis von Liebe, Macht und Heldentum.
Nibelungen-Festspiele 2023 Von der Walküre zur selbstbestimmten Heldin: Feministische Brynhild in Worms
Am 7. Juli starten die Nibelungen-Festspiele in Worms. Mit „Brynhild“ präsentieren Autorin Maria Milisavljević und Regisseurin Pınar Karabulut am Wormser Dom den alten Sagenstoff als feministische Empowerment-Erzählung aus der Perspektive der isländischen Kriegerkönigin. Dringend nötig, denn wie keine andere Figur der Erzählung wurde Brunhild zum Spielball unterschiedlichster Frauenbilder.
"Brynhild" hebt Rollenbilder der Nibelungen aus den Angeln
Mit dem Stück "Brynhild" sollen althergebrachte Rollenbilder ins Wanken geraten. Es werde der Versuch der Walküre gezeigt, "Chefin ihrer eigenen Geschichte" zu werden, so Regisseurin Pinar Karabulut. Auch die Heldenrolle von Siegfried werde in dem Stück hinterfragt. Für die Zuschauerinnen und Zuschauer werde lange offenbleiben, ob die Protagonisten der Nibelungensage den Verlauf der Ereignisse ändern können oder der bekannte Mythos letztlich stärker bleibe als ihr Wille nach Selbstbestimmung.
Bühnenstück stammt erstmals aus der Feder einer Frau
Mit Maria Milisavljevic schrieb erstmals in der Geschichte der Niblungenfestspiele eine Frau das Stück. In der Titelrolle steht Lena Urzendowsky als Brynhild (Brünhild) auf der Bühne. Bekim Latifi spielt den Sigurd (Siegfried). In weiteren Rollen sind unter anderem Bless Amada als Odin, Ruby Commey als Hagen und Jens Albinus als Zwergenfigur Reginn zu sehen.
Das Ensemble der Wormser Nibelungenfestspiele 2023
Hollywood-Star Ralf Moeller im Video
Auch Hollywood-Schauspieler Ralf Moeller ist Teil der Festspiele. Er wird in Videosequenzen auf einer Großleinwand in der Rolle des Fafnir zu sehen sein.
Festspielintendant Nico Hofmann sagte vor der Premiere, er sei sehr gespannt auf die Reaktion des Publikums auf den neuen Ansatz des diesjährigen Stückes "Selten waren ein Team und ein Ensemble der Festspiele so vielfältig, energiegeladen und divers besetzt wie in diesem Jahr", fügte Hofmann bei der Vorstellung des Programms hinzu.
Historische Spielstätte in Worms
Die Nibelungenfestspiele werden seit ihrer Wiedergründung 2002 auf einer Freilichtbühne am Wormser Dom gespielt - an dem Ort, wo in der Nibelungensage eine Schlüsselszene spielt, der Streit der Königinnen Brünhild und Kriemhild.
Die Tribüne auf dem Freiluftareal in Worms fasst rund 1.400 Zuschauerinnen und Zuschauer. Neben den abendlichen Theateraufführungen wird auch ein Begleitprogramm mit Konzerten, Lesungen und Ausstellungen geboten.
Nibelungen-Festspiele 2024
Im kommenden Jahr schreibt das Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel das Stück für die Wormser Nibelungen-Festspiele. Es trägt den Titel "Der Diplomat" und konzentriert sich nach Angaben der Veranstalter auf die bei den Festspielen bisher wenig berücksichtigte Sagenfigur des Dietrich von Bern.
Wie lässt sich ein Krieg verhindern?
Das Stück werde sich nicht nur um die Ränkespiele rund um Siegfried, Hagen, die Königinnen Brünhild und Kriemhild sowie die Burgunder drehen. Es gehe um die Frage, wie sich ein Krieg verhindern lässt, den eigentlich keiner will und der trotzdem unvermeidbar erscheint. Die Nibelungen-Festspiele 2024 finden vom 12. bis 28. Juli statt. Der Ticketvorverkauf startet voraussichtlich im November.