Sie sind klein und unscheinbar, können aber zu einer großen Gefahr für Tiere werden: Grannen. Diese borstigen, spitzen Pflanzenteile von Gräsern verletzen im Raum Mainz derzeit immer mehr Hunde und Katzen. Die Mainzer Tierarztpraxen haben täglich jeweils mehrere neue Fälle zu behandeln.
Mitte Juni war Sabine Borries aus Mainz-Bretzenheim mit ihrem älteren Labrador-Rüden Louis unterwegs. Ihr Hund sei voller Freude am Feldrand durch ein paar Weizen-Ähren getappt und habe dort wohl zu tief eingeatmet, erzählt sie.
"Kurz darauf ging es dann los: Louis hatte bis zum Abend drei Anfälle von "Rückwärts-Niesen" und war richtig verkrampft. Sein Gesicht hat sich verzogen, seine Lefzen ganz nach hinten, so als würde er grinsen. Und er hat die Augen zugekniffen.“ Beim heftigen Niesen habe er dann seinen Kopf so heftig und unkontrolliert bewegt, dass er sich die Schnauze am Boden aufgescheuert habe. Erst habe sie gar nicht gewusst, was los sei, so Borries. Dann habe sie den Tipp bekommen, dass es Grannen sein könnten.
Grannen bohren sich ins Fell
Mit winzigen Widerhaken setzen sich diese im Tierfell fest und können sich dann mit ihren scharfen Spitzen tief in die Haut bohren. Vor allem Ohren, Pfoten, Nasen und Augen seien betroffen, berichten zahlreiche Mainzer Tierärztinnen und -ärzte. Entzündungen, Infektionen und auch schwerere Verletzungen können die Folge sein – das ist sehr schmerzhaft für die Tiere und kann vereinzelt auch lebensbedrohlich werden.
"Wir haben momentan jeden Tag zwei bis drei Tiere mit Grannen bei uns in der Praxis", erzählt die Mainzer Tierarzthelferin Sorina Kerger. "Manchmal müssen wir dann sogar unter Vollnarkose operieren, um die Grannen zu entfernen." Wenn die Pflanzenteile in der Nase stecken, müssten sie die Tiere an Tierkliniken verweisen.
Grannen verletzen vor allem Ohren, Pfoten, Nasen und Augen
Bei Hunden seien am häufigsten die Ohren von Verletzungen durch Grannen betroffen, heißt es aus den Mainzer Tierarztpraxen. Die Pflanzenteilchen würden zum Teil tief ins Ohr eindringen und könnten das Trommelfell verletzen.
Auch durchbohrte Pfoten, besonders in den Zehen-Zwischenräumen, und Grannen in Nasen kämen bei Hunden oft vor. Katzen seien dagegen häufiger am Auge verletzt. Hier können die Grannen für Bindehaut- und Hornhautentzündungen sorgen – oder sogar schwerere Schäden zufügen: "In dieser Woche hatten wir schon einen Fall, da musste eine Granne hinter einem Auge rausoperiert werden", sagt Kerger.
Auch andere Körperteile können in Mitleidenschaft gezogen werden: Eine Granne habe sich mal zum Beispiel in den Bauchraum eines Hundes gebohrt, erzählt eine andere Tierarzthelferin. Und manchmal würden die Tiere die Grannen auch einatmen und hätten dann große Atemprobleme. Lungenverletzungen seien nicht ausgeschlossen.
Fell regelmäßig nach Grannen absuchen
Um Verletzungen durch Grannen zu verhindern, sollten die Besitzerinnen und -besitzer das Fell ihrer Schützlinge derzeit regelmäßig nach Grannen absuchen, empfehlen die Mainzer Tierärztinnen und -ärzte. Den größeren Schaden würden die spitzen Pflanzenteilchen nämlich oft erst nach einiger Zeit anrichten, wenn sie unentdeckt im Fell bleiben und tiefer in die Haut vordringen können.
"Besonders bei langhaarigen Hunderassen und Tieren empfiehlt es sich, das Fell an manchen Stellen, zum Beispiel an den Pfoten, zurückzuschneiden", erklärt Tierarzthelferin Sorina Kerger. Außerdem könne man Hunden beim Gassigehen durch Felder vorbeugend ein Stück Nylon-Strumpfhose als eine Art Stirnband über die Ohren ziehen. „Das sieht zwar doof aus, kann aber helfen.“
Getreidefelder meiden, Grannen auch in Mainzer Innenstadt
Die beste Prävention sei es aber immer noch, Bereiche wie Getreidefelder komplett zu meiden. "Die Hunde sollten auf keinen Fall durchs Getreide laufen dürfen und sich darin wälzen." Und auch in der Mainzer Innenstadt ist Vorsicht geboten: hier wachsen an vielen Stellen Gräser mit Grannen am Straßenrand. Mit der Trockenheit sind diese besonders spitz und scharf.
Sollte das Haustier sich eine Granne eingefangen haben, ist es wichtig, dass die Besitzerinnen und Besitzer jetzt in den Sommermonaten genauer auf Anzeichen dafür achten. Lässt eine entdeckte Granne sich nicht einfach mit einer Pinzette selbst entfernen oder sollte sie sogar gar nicht mehr sichtbar sein, sollten die Menschen mit ihren Schützlingen so schnell wie möglich eine Tierarztpraxis aufsuchen.