Zum Jahreswechsel hat die Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV) die Ärztlichen Bereitschaftspraxen im Land dicht gemacht. In Ingelheim versuchen Ärztinnen und Ärzte nun, einen eigenen Bereitschaftsdienst auf die Beine zu stellen. Und nach wie vor wird heiß diskutiert, ob die Schließung überhaupt notwendig war.
Wer am Abend oder am Wochenende in Ingelheim ärztliche Hilfe braucht und nicht gleich ins Krankenhaus muss, der hat Pech. Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Ärztliche Bereitschaftspraxis in der Stadt zum Jahresende geschlossen – trotz vieler Proteste. 8.200 Menschen haben bis jetzt eine Online-Petition zum Erhalt der Praxis unterschrieben. Auch der Kreis Mainz-Bingen und die Stadt Ingelheim setzen sich für den Erhalt ein - ohne Erfolg.
Gespräche über Ingelheimer Bereitschaftspraxis gescheitert
Ein letztes Gespräch zwischen Ingelheimer Ärztinnen und Ärzten, Oberbürgermeister Ralf Claus (SPD) und der Kassenärztlichen Vereinigung ist am Mittwoch gescheitert. Claus sagte dem SWR danach: "Das Gespräch war ernüchternd. Die KV bleibt bei ihrer Position und wird sich nicht bewegen."
Dabei hatte der Oberbürgermeister Hoffnung, dass sich das Blatt durch das Treffen doch noch zum Guten wenden könnte. Denn der Ingelheimer Ärzteverein hatte ein Konzept vorgelegt, wie die Bereitschaftspraxis am Wochenende weiter betrieben werden könnte - mit reduzierten Öffnungszeiten und ohne Verluste zu machen.
Jetzt versuchen Medizinerinnen und Mediziner in Ingelheim, den Bereitschaftsdienst in eigener Regie wieder anzubieten. So war es es bereits, bevor die KV vor ein paar Jahren dafür zuständig wurde. "In einem ersten Schritt gilt es jetzt, die juristischen Grundlagen zu prüfen, dann sprechen wir über den nächsten Schritt“, sagt Judith Engel vom Ingelheimer Ärzteverein. Nach wie vor würden alle Ärztinnen und Ärzte aber zur Verfügung stehen. Den Beschluss der Kassenärztlichen Vereinigung versteht sie bis heute nicht.
Schließung der Bereitschaftpraxis in Ingelheim für viele nicht nachvollziehbar
In der Tat: Die Argumente für das Ende der Bereitschaftspraxis sind umstritten und zum Teil widersprüchlich. Finanzielle Gründe liegen der Entscheidung laut Peter Heinz, dem KV-Vorstandsvorsitzenden, nicht zugrunde. "Es geht nicht um Kosten dabei. Wir haben überall ein riesiges Defizit in der Bereitschaftsversorgung. Insofern wäre das jetzt nicht eine Triebfeder gewesen, Ingelheim zu schließen,“ sagte er dem SWR.
Stattdessen führt Heinz unter anderem Pläne des Bundesgesundheitsministeriums an. Diese sähen vor, dass eine Bereitschaftspraxis künftig grundsätzlich an ein Krankenhaus angegliedert sein muss. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums widerspricht dieser Aussage auf SWR-Anfrage allerdings: Es werde zwar empfohlen, dass Notdienstpraxen und Krankenhäusern eng zusammenarbeiten, aber eine Verpflichtung gebe es nicht.
Waren Ärzte und Ärztinnen in Ingelheim überlastet?
Ein weiteres Argument der Kassenärztlichen Vereinigung: Die Belastung der Arztpraxen, die sich an den Bereitschaftsdiensten beteiligten, sei seit Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen - wegen des Ärztemangels. Auch hätten die Bereitschaftspraxen in Rheinland-Pfalz vergleichsweise lange Öffnungszeiten angeboten und seien auch damit oft überlastet gewesen.
Hier widerspricht Judith Engel vom Ingelheim Ärzteverein: "Bei uns ist es genau andersrum. Die niedergelassenen Ärzte werden durch den Bereitschaftsdienst entlastet. Jetzt kommen die Patienten montags mit verschleppten Lungenentzündungen oder sie belasten die Rettungsdienststruktur."
Dahin können sich Patientinnen und Patienten wenden
Argumente, die die KV nicht überzeugt haben. So müssen die Menschen in und um Ingelheim am Wochenende nun auf die Bereitschaftsdienste in Mainz oder Bad Kreuznach ausweichen. Alternativ können sie die Nummer des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes anrufen (116117). Diese gilt allerdings oft als überlastet.