Die Situation der Tierheime in der Pfalz wird immer prekärer. Warum, das berichten Mitarbeiter der Tierauffangstation des Vereins Terra Mater in Lustadt (Kreis Germersheim).
"Karabasch" ist ein prächtiger Kangal-Rüde von etwa zweieinhalb Jahren. Er wurde als Welpe illegal nach Deutschland geschmuggelt und dann in einer Garage gehalten. Nach fünf Monaten landete er in der Tierauffangstation des Umwelt- und Tierhilfevereins Terra Mater in Lustadt (Kreis Germersheim), erzählt die stellvertretende Leiterin Jacqueline Leibig.
Lustadt: Oft schwer vermittelbare Hunde
Karabasch gilt als schwer vermittelbar und teilt damit das Schicksal vieler seiner Artgenossen. Die Zahl der Hunde, die aus dem Ausland eingeführt werden, sei stark gestiegen, sagt Heinz Zimmermann von Terra Mater Deutschland.
Diese meist wild lebenden Hunde seien oft überängstlich und zeigten extremes Fluchtverhalten: "Ich finde es unverantwortlich, einen Hund aus der Wildnis rauszuholen, einzusperren und zu denken, dass ist ein Wohnungshund. Das funktioniert nicht und hat mit Tierschutz nichts mehr zu tun", so Zimmermann.
Internet-Welpenhandel boomt, auch mit American Bullies
Auch der illegale Handel mit Welpen aus dem Internet habe extrem zugenommen. Denn dort würden Rassehunde für einen Schnäppchenpreis angeboten. Allerdings seien entsprechende Nachweise meist gefälscht. Die Welpen seien zudem oft krank, ungeimpft und traumatisiert, weil sie ihren Müttern zu früh weggenommen wurden, so Tierpflergerin Leibig.
Vor allem American Bullies seien angesagt. Der Grund: Sie zählen in Rheinland-Pfalz nicht zu den sogenannten Listenhunden, also Kampfhunden wie Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier oder Staffordshire Bullterrier, bei denen die Halter strenge Auflagen erfüllen und teure Nachweise vorlegen müssen. Auch in Lustadt gibt es einige solcher "Listenhunde", die kaum ans Frauchen oder Herrchen zu bringen sind.
Verhaltensauffällige Hunde brauchen viel Zeit
Beispielsweise Duman, ein Malinois-Rottweiler-Mix, der jahrelang angekettet leben musste. Für ihn und die aktuell zehn anderen Hunde in Lustadt brauche es viel Zeit, um sie zu resozialisieren und an den Kontakt zum Menschen und ein normales Hundeleben zu gewöhnen. Zeit, die die neun Tierpflergerinnen und Pfleger, darunter Auszubildende und Teilzeitkräfte, für einen Mindestlohn aufbringen und dabei auch oft an ihre Grenzen gehen.
"Tierschutz endet nicht um 17 Uhr. Das ist eine Sieben-Tage-Woche und das kann auch nachts sein, wenn irgendwo ein Notfall ist. Jeder von uns macht das aus Berufung und von ganzem Herzen, um den Tieren zu helfen", so die 32-jährige Tierpflegerin Leibig.
Fachkräfte fehlen: Tierheime am Limit
Neben elf Hunden werden aktuell in Lustadt etwa 100 Katzen, mehrere Vögel, Ziegen, Schafe und Pferde betreut. Außerdem betreibt die Auffangstation eine Tierrettung für verletzte oder beschlagnahmte Haustiere.
Die Station sei proppevoll und täglich kämen etwa zehn neue E-Mail-Anfragen für Neuaufnahmen. Viele müssen die Tierschützer abweisen. Denn sie müssen für Kommunen im Landkreis Germersheim, im Rhein-Pfalz-Kreis und im Badischen Plätze für Fundtiere vorhalten. Aber man versuche immer, die abgewiesenen Haustierhalter zu unterstützen oder an andere Stellen weiter zu vermitteln.
Tierarztkosten explodieren: Tierheim-Pleiten drohen
Dabei bräuchten die Lustadter dringend Verstärkung und suchen seit geraumer Zeit vergeblich nach einer Tierpflegekraft - wie auch andere Tierheime in der Pfalz. Doch offenbar seien kaum noch junge Leute bereit, diese Arbeit für den Mindestlohn zu machen. Helfen könnten hier die Kommunen, mit denen Terra Mater einen Vertrag für Fundtiere hat - indem sie mehr bezahlten.
Auch die Futterkosten hätten sich verdoppelt und die Tierarztkosten seien geradezu explodiert - eine OP koste jetzt sechsmal so viel wie früher, so der Terra Mater-Vorsitzende Zimmermann. Wenn da politisch nichts geschehe, sei es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Tierheime Insolvenz anmelden müssten.
Spenden halten Terra Mater über Wasser
Gott sei Dank gebe es noch viele ehrenamtliche Gassigeher und Katzenstreichler, die sich um die Vierbeiner kümmern. Außerdem habe der bundesweit organisierte Tierhilfeverein ein gutes Netzwerk und auch noch viele Spender - anders als kleinere Tierschutzvereine, wie zum Beispiel Speyer, bei denen die Spendenaufkommen stark rückläufig sind.