Aufruhr in Neustadt-Diedesfeld: Anlieger sollen tausende Euro für die Sanierung der Weinstraße zahlen. Die Stadt lud nun die Bürger ein – und begann mit einer Entschuldigung.
Im Vorfeld hieß es, man rechne mit etwa 60 Anliegern in der Diedesfelder Festhalle. Vorsichtshalber wurden dann aber doch 90 Stühle aufgestellt. Am Ende kamen gut 200 Leute. Eines ist ihnen allen gemein: Sie sind sauer. Kurz vor Weihnachten haben sie Post von der Stadt bekommen: Sie sollten sich an der Sanierung der Weinstraße beteiligen, knapp 1,5 Millionen Euro für 850 Meter Straße als einmaliger Straßenausbaubeitrag.
Einige Anwohner haben dem SWR ihre Bescheide gezeigt: Bei einem ist es nur ein Stellplatz, der mit rund 70 Euro zu Buche schlägt. Von einem anderen Anwohner, dessen Grundstück komplett an der Weinstraße liegt, werden exakt 17.604 Euro und 7 Cent gefordert, zahlbar binnen vier Wochen. "Und ich habe noch einen zweiten Bescheid bekommen, insgesamt komme ich auf 18.000 Euro", sagt er.
Stadt Neustadt räumt Fehler ein: "Das war missraten"
Applaus gibt es keinen, als der städtische Baudezernent Bernhard Adams in der Festhalle die Leute begrüßt. Er sieht auch nicht aus, als hätte er welchen erwartet. Er beginnt mit einem Satz, den er noch mehrmals an diesem Abend wiederholen wird: "Es tut mir leid!“ Er entschuldige sich dafür, dass das so gelaufen ist, das werde nicht mehr vorkommen.
Seine Entschuldigung ist allerdings ausdrücklich nicht darauf bezogen, dass die Stadt die Bürger an den Kosten beteiligen will. Ihm tue es vielmehr leid, mit den Bescheiden den Weihnachtsfrieden gestört zu haben, und vorher keine Bürgerversammlung anberaumt zu haben. Bezahlt werden müsse trotzdem, davon könne die Stadt nicht abrücken: "Wir legen nur das auf Sie um, was uns das Gesetz vorgibt. Der Gesetzgeber ist heute nicht freundlicher als vorher." Heißt: Wut hin oder her, die Stadt hat da wenig Spielraum.
Im Schnitt soll jeder mehr als 4.000 Euro zahlen
Die Karten liegen also auf dem Tisch: Die Weinstraße ist eine Landesstraße. Daher müssen die Anlieger laut Gesetz zwar "nur" für die Sanierung des Gehwegs und teilweise für die Straßenbeleuchtung aufkommen, aber auch das sind eben 1,5 Millionen Euro. Die durchschnittliche Summe auf den Bescheiden liegt bei 4.300 Euro.
Sollen die Anlieger für die Touristen zahlen?
Ein Argument, das an diesem Abend immer wieder auftaucht, lautet: Die Weinstraße werde doch vor allem von Touristen genutzt, nicht von den Anliegern. Bei allem Verständnis, das lässt Adams nicht gelten: Im Herbst sei es hier vielleicht voller, aber das ganze Jahr über seien es schon vor allem die Diedesfelder, die die Straße nutzten: "Gehen Sie mal jetzt im Januar über die Straße. Das sind Leute, die zum Nachbarn gehen, zum Bäcker, Kinder, die zum Kindergarten gehen…die Touristen sind da, klar, aber sie sind in der Minderheit."
Die Anlieger sitzen vor ihm, und sehen das offenbar anders: Einige johlen, andere lachen, eine Frau greift sich das Mikrophon und sagt, das hätten offenbar Leute entschieden, die herzlich wenig von dem wüßten, wie es in Diedesfeld aussieht.
Ein Funken Hoffnung für die Diedesfelder
Ein Stück weit lässt sich Adams dann doch auf die Argumentation der Diedesfelder ein: Die Stadt werde das ganze Verfahren noch einmal auf den Prüfstand stellen, insbesondere die Kostenverteilung zwischen Stadt und Anliegern. Vielleicht seien hier auch Fehler gemacht worden, unter Umständen könne die Summe, die am Schluss von den Bürgern getragen werden muss, auch etwas niedriger ausfallen. In welchem Rahmen sich dieses "niedriger" bewegen könnte, darauf wollte sich Adams auf Nachfrage des SWR nicht festlegen. Eines sei aber schon jetzt sicher: Das nächste Mal wolle er es umgekehrt machen, erst die Bürgerversammlung, dann die Kostenbescheide.