Das Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen hat die landesweit erste Integrationsbeauftragte. Hayat Erten ist Sozialwissenschaftlerin und soll für ein besseres Miteinander zwischen Polizei und migrantischer Bevölkerung sorgen.
Die Hälfte der fast 180.000 Einwohner und Einwohnerinnen von Ludwigshafen hat einen Migrationshintergrund. Als Vermittlerin zwischen Ludwigshafener Polizei und migrantischer Bevölkerung arbeitet seit Februar die türkischstämmige Sozialwissenschaftlerin Hayat Erten. Die 53-Jährige ist die erste Integrationsbeauftragte einer Polizeidienststelle in Rheinland-Pfalz überhaupt. Ihre Stelle ist Teil eines Pilotprojektes des Landes Rheinland-Pfalz. Wenn das Projekt erfolgreich ist, sollen alle Polizeidienststellen in Rheinland-Pfalz Integrationsbeauftragte bekommen.
Bei den SWR Zukunftstagen zum Thema "Migration und Medien" vom 18. bis 20. September im Hemshof wird Hayat Erten im Ludwigshafener Cinema Paradiso ihre Arbeit vorstellen.
Fünf Jahre Vorsitzende des Integrations- und Migrationsbeirates
Hayat Erten war fünf Jahre lang für die SPD im Ludwigshafener Stadtrat, leitete in dieser Zeit den Beirat für Integration und Migration und hat sich viele Jahre lang sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene für ein gutes Miteinander der unterschiedlichsten Nationalitäten und Kulturen engagiert. Sie ist sozusagen "Integrations-Profi" und genießt ihren neuen Job bei der Polizei.
Vater wollte immer, dass Kinder zur Polizei gehen
"Mein Papa hat zu uns Kindern immer gesagt: Geht mal zur Polizei, das ist ein angesehener, guter Beruf'", sagt Erten. Dass die studierte Sozialwissenschaftlerin dann eines Tages tatsächlich bei der Polizei landen würde, hätte sie damals nicht für möglich gehalten. Ihr neuer Job, sagt sie, sei vielfältig und abwechslungsreich.
So schult sie etwa die Kollegen und Kolleginnen der Polizei in Sachen interkulturelles Wissen. Je mehr man über andere Kulturen wisse, desto besser könne man auf Menschen anderer Nationalitäten auch zugehen und verstehe so auch besser deren Handeln, so Erten.
So müssen Polizeibeamte zum Beispiel wissen, dass laut der islamischen Tradition Verstorbene innerhalb von 24 Stunden beerdigt werden sollen. Das könne zu Konflikten führen, sagt Polizeisprecher Thorsten Mischler. "Wenn Verstorbene obduziert und Ermittlungen durchgeführt werden müssen, dauert es deutlich länger, bis Menschen mit muslimischem Glauben ihre Lieben beerdigen können."
Hayat Erten muss daher in zwei Richtungen aufklären: Sie muss die Kollegen und Kolleginnen schulen und die Betroffenen über die notwendige Polizeiarbeit aufklären. Generell muss Erten viel Vertrauensarbeit leisten.
Das erfordert auch Sensibilität: In manchen Herkunftsländern haben Menschen Repressalien oder gar Schikanen der Polizei erlebt. Sie erlebten polizeiliche Willkür und sind daher verängstigt, wenn sie Polizeibeamte sehen. "Wir sind aber in Deutschland eine Bürgerpolizei, wir sind zum Schutz der Menschen da", betont Polizeisprecher Mischler. Dies allen zu vermitteln, ist Aufgabe von Hayat Erten.
Dialog mit verschiedenen migrantischen Gruppen in der Stadt
Dafür geht sie auf Glaubensgemeinschaften zu, auf Kultur- und Sportvereine, auf Gesprächskreise und internationale Cafés. "Es ist eine meiner Aufgaben, da ein gutes Netzwerk aufzubauen, um im Notfall einfach schnell auf bestehende Kontakte zurückgreifen zu können", sagt sie.
Gute Kontakte sollen bei Polizeiarbeit helfen
Polizeisprecher Mischler erzählt, wie er einst in Germersheim bei einem Fall die Hilfe einer muslimischen Gemeinde hätte gebrauchen können. "Damals starben zwei Kinder, weil sie in der Badewanne mit einem Fön gespielt hatten. Schnell versammelten sich Hunderte von türkischstämmigen Menschen auf der Straße, um vor dem Haus der betroffenen Familie zu trauern."
Damals wäre ein guter Kontakt zu einer Moschee sehr hilfreich gewesen, um den Menschen einen Ort zum Trauern anzubieten. Über solche Kontakte verfügt die Integrationsbeauftragte des Polizeipräsidiums Rheinpfalz in Ludwigshafen. Und diese sollen in Notlagen dann auch helfen.
Aber auch bei weniger dramatischen Ereignissen soll Hayat Erten vermitteln. "Die Bevölkerung mit migrantischem Hintergrund ist genauso Opfer von Trickbetrug, Schockanrufen, häuslicher Gewalt und Einbrüchen", so Hayat Erten. Polizeiliche Präventionsarbeit müsse somit eben auch dringend alle Kulturen erreichen, so die Sozialwissenschaftlerin, zum Beispiel durch Infoveranstaltungen oder Infoblättern in anderen Sprachen.
Mehr Menschen mit Migrationshintergrund sollen bei der Polizei arbeiten
Außerdem will Erten mehr Menschen mit Migrationshintergrund für den Polizeidienst gewinnen. Dann habe man "Kulturexperten" in den eigenen Reihen, Vertrauen könne so deutlich leichter aufgebaut und wichtige Informationen könnten einfacher vermittelt werden. Erste "Werbeplakate" für den Polizeijob zeigen daher seit neuestem auch türkische, arabische und russische Slogans.
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