Natice Orhan-Daibel aus Ludwigshafen kam einst selbst mit ihren türkischen Eltern nach Deutschland. Die Hilfe ihrer deutschen Nachbarn damals ist ihr Vorbild bis heute. Sie ist unermüdlich im Einsatz für Flüchtlinge.
Natice Orhan-Daibel ist immer auf Achse für die gute Sache. 2014 hat sie begonnen, Flüchtlingen zu helfen. Seitdem ist sie unermüdlich und tagtäglich für geflohene Menschen, die in Ludwigshafen in Notunterkünften untergebracht sind, im Einsatz. So sammelt sie etwa Sachspenden aber auch Lebensmittel und Geld für die Geflohenen. Die Ludwigshafener vertrauen ihr und so stapeln sich bei ihr zuhause unter dem Carport die Hilfsgüter. Aktuell verteilt sie vor allem warme Decken und Bettwäsche. "Die Leute frieren oft in den Notunterkünften", erklärt sie. "Stellen Sie sich vor, jetzt habe ich gerade in der Bayreuther Straße eine alleinerziehende Mutter mit drei kleinen Kindern kennengelernt, die haben nicht mal den für die Bayreuther Strasse so typischen Ölofen in der Küche. Die haben gar keine Heizung!", erzählt sie, während sie Säcke und Kartons nach warmen Sachen durchsucht.
Selbst als Tochter von Migranten viel Hilfe erhalten
Natice Orhan-Daibel kam selbst als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland. "Ich weiß noch genau, wie deutsche Nachbarn meinen Eltern so Vieles gezeigt haben. Zum Beispiel, wo sie einkaufen gehen können. Sie haben ihnen Deutsch beigebracht und auch auf uns Kinder aufgepasst. Und so konnten sich meine Eltern gut in Deutschland integrieren", erinnert sie sich. Nächstenliebe hat sie also von klein auf beigebracht bekommen.
Brücken bauen, Vorurteile abbauen
Für Natice Orhan-Daibel ist ihre Arbeit im Cafe Asyl in Ludwigshafen und in der Mannheimer Bahnhofshilfe aber auch das einzig wirklich taugliche Mittel, um Vorurteile abzubauen. Sie versteht sich als Brückenbauerin. "Dieses ganze Geschwätz, die Flüchtlinge wollen sich nicht integrieren und nicht arbeiten, das ist alles völliger Quatsch. Ich habe nicht einen kennen gelernt, auf den das zutrifft", erklärt sie vehement. Sie gebe zu, manche hätten große Sprachprobleme. "Aber wenn die über ein Jahr auf einen Sprach- und Integrationskurs warten müssen, ist es auch schwierig mit der Jobsuche. Die Geflohenen können ja auch nicht irgendeinen Sprachkurs machen. Die brauchen bestimmte Zertifikate, damit sie vermittelbar sind."
Kuscheltiere gegen den Kummer
Noch während Natice Orhan-Daibel erzählt, merkt man, dass ihr Kopf rattert und sie in Gedanken schon beim nächsten Hilfsprojekt ist. Heute ist sie bei einer Haushaltsauflösung dabei. "Sie glauben nicht, was die Menschen alles zuhause horten, während andere nichts haben", erzählt sie, während sie eifrig dicke, warme Wolldecken faltet. "Ach schauen Sie, wie süß dieses Kuscheltiereinhorn ist. Das bring ich einem kleinen Mädchen in der Bayreuther Straße mit", erzählt Natice Orhan-Daibel begeistert.
Kakerlaken in den Notunterkünften
"Je schneller ich helfe, umso schneller gehts den Leuten wieder besser und dann muss ich erst gar nicht depressiv werden!", erklärt sie ihren unermüdlichen Einsatz. Auf die Frage, wie es den Flüchtlingen in den Ludwigshafener Notunterkünften geht, hat sie eine kurze, knappe Antwort: "Scheiße". "Diese Wohnungen sind viel zu klein für die Familien. Sie sind verschimmelt, die Kakerlaken laufen überall rum und an und in den Wänden sind sogenannte Staubläuse", zählt sie die grauslichen Wohnbedingungen auf. Dazu komme der Ruß der Ölöfen im Winter. "Ich bemühe mich seit einem Jahr darum, dass eine Familie mit einem schwerbehinderten Kind aus so einer Wohnung rauskommt. Die gesamte Familie hat Atemwegsprobleme und sie wollten unbedingt vor dem beginnenden Winter da raus sein. Aber alle Bemühungen haben nichts gebracht." Das enttäuscht Natice Orhan-Daibel.
Ludwigshafen: Ehrenamtliche setzt sich unermüdlich für Flüchtlinge ein
Wohnungen für Flüchtlinge zu finden - fast nicht möglich
Manchmal ist auch die Helferin ratlos. "Vor zehn Jahren, da habe ich dann einen Aufruf in den Sozialen Netzwerken gestartet oder meinen Bekannten- und Freundeskreis angesprochen. Aber jetzt schaffe ich das kaum noch", erzählt sie ein wenig geknickt. Aber aufgeben kennt Hatice Orhan-Daibel nicht. Sie schnappt sich die warmen Decken, Bettwäsche und Kuscheltiere und fährt in die Bayreuther Strasse. Dort wird sie von vielen Flüchtlingen warm und herzlich empfangen. Natürlich hilft es, dass viele Flüchtlinge, die arabisch sprechen, auch ein wenig türkisch verstehen, und so kann die Ehrenamtliche gut mit den Geflohenen kommunizieren.
Geflohene helfen der Ehrenamtlichen beim ihrer Arbeit
Da gibt es Ali Ahmed aus Aleppo und seine Familie: Er ist von Beruf Fliesenleger und macht seit einem halben Jahr einen Deutschkurs. Er ist sowas wie die gute Seele in der Bayreuther Strasse und zieht mit Natice Orhan-Daibel von Wohnung zu Wohnung, übersetzt, hilft Hilfsgüter zu verteilen und vermittelt zwischen den Ehrenamtlichen und den Flüchtlingen. "Es ist toll, wie uns hier in Deutschland geholfen wird, dafür bin ich unendlich dankbar. Aber viel lieber würde ich meine Familie selbst ernähren können! Ich habe einen guten Handwerksberuf, ich bin jung und gesund. Ich möchte meine Familie viel lieber selbst versorgen!", erzählt er. Da das Jobcenter jedoch bislang nichts für ihn tun konnte, hilft er in der Ludwigshafener Tafel und in der Kleiderkammer. "So kann er ein wenig Zeit überbrücken", erzählt sein 15-Jähriger Sohn Cuma, der seinen Realschulabschluss macht und davon träumt, noch das Abitur zu machen, um Arzt zu werden.
Ludwigshafen: Ehrenamtliche setzt sich unermüdlich für Flüchtlinge ein
Natice Orhan-Daibel: "Mein Leben gehört den Geflohenen"
Und da ist die Familie von Vater Kamil: Sein kleiner vierjähriger Junge Ishak ist schwerbehindert und an den Rollstuhl gefesselt. Den hat er erst seit wenigen Wochen. Monatelang lag er auf einer Matratze auf dem Boden, ungeschützt vor dem Ungeziefer, erzählt die Ehrenamtliche Orhan-Daibel. Eine behindertengerechte, saubere, trockene Erdgeschosswohnung muss also her. Dringend. Denn die Familie hat schon enorme gesundheitliche Probleme. Vater Kamil hat bislang keinen Platz im Integrationskurs bekommen und so kann er seinem Beruf als Schweißer nicht nachkommen. Doch Natice Orhan-Daibel ist sich sicher: Irgendwie wird sie auch dieser Familie helfen. Helfen, Deutsch zu lernen, helfen, eine neue Wohnung zu finden, helfen sie einzurichten. "Mein Leben sind die Geflohenen", sagt sie und eilt schon wieder zur nächsten Wohnung. Die Arbeit geht Natice Orhan-Daibel in Ludwigshafen nämlich nie aus.
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