Die Bundesregierung hat angekündigt, bei der Vermittlung von Flüchtlingen den "Job-Turbo" anzuwerfen. Darauf hofft auch Dr. Nader Isa. Der Arzt lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in Ludwigshafen und wartet darauf, arbeiten zu dürfen.
Dr. Nader Isa ist verzweifelt und müde. Seit anderthalb Jahren lebt der Orthopäde aus der Ukraine in einer Flüchtlingsunterkunft in Ludwigshafen-Mundenheim. In seiner Heimat, der ostukrainischen Stadt Donezk, arbeitete er viele Jahre in einer Unfallklinik. "Die Arbeit ist mein Leben", erzählt er leise und langsam auf Deutsch. Es gehe ihm sehr schlecht, erzählt er. "Patienten zu helfen, sie zu heilen, das ist es, was mich glücklich macht!"
Bislang vergebens um ein Praktikum bemüht
Doch der Arzt ist zur Untätigkeit verdammt. Und das nun seit weit über einem Jahr. Fünfmal habe er sich bereits um Anerkennungspraktika bemüht, die er benötigt, um eine Berufserlaubnis zu bekommen, sagt er. Doch vergebens. Ob Krankenhäuser oder orthopädische Praxen - es hagelt Absagen, erzählt er. Heidelinde Sawatzki, stellvertretende Vorsitzende der mennonitischen Gemeinde Ludwigshafen und Ehrenamtliche im Friedenshaus, hilft dem Arzt, wo sie nur kann. Sie hat mit ihm Bewerbungen formuliert, den Kontakt zur rheinland-pfälzischen Ärztekammer hergestellt, Formulare ausgefüllt, den Kontakt zum Job-Center gepflegt. Genutzt habe es bisher nichts.
Trotz Ärztemangel kein Job
"Ich bin schon sauer. Da wird sich ständig über den Fachkräfte-und Ärztemangel beklagt und dann gibt es einen qualifizierten Arzt und der bekommt nicht einmal ein Praktikum", schimpft die Ehrenamtliche. Sie habe sich zusammen mit dem Geflohenen bei der Landesärztekammer um die Anerkennung der in der Ukraine erlangten Zertifikate bemüht. Doch mehr als eine achtseitige Liste, welche Praxen und Kliniken im Land diesen Prozess begleiten, sei nichts zurück gekommen, sagt sie.
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Ärzte aus Drittstaaten erhalten eingeschränkte Berufserlaubnis
Die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz weist jedoch gegenüber dem SWR daraufhin, dass Ärzte, die nicht in Deutschland oder der Schweiz oder Österreich studiert haben, eine Fachsprachen-Prüfung bei der Ärztekammer ablegen müssen, um in Deutschland arbeiten zu dürfen.
Ärzte, die in Drittstaaten ausgebildet wurden und nicht innerhalb der EU, erhalten nach dieser Fachsprachen-Prüfung dann eine eingeschränkte Berufserlaubnis. Das bedeutet, dass sie unter Anleitung und Begleitung arbeiten dürfen, und zwar in jedem Krankenhaus. Um uneingeschränkt und eigenverantwortlich arbeiten zu dürfen, bedürfe es dann noch einer sogenannten Kenntnisprüfung vor einer staatlichen Prüfungskammer. Erst dann erhalte der ausländische Kollege die deutsche Approbation.
Unüberwindbare bürokratische Hürden in Ludwigshafen?
Der Orthopäde Nader Isa hat sich, wie er erzählt, auch in der Orthopädie am St. Marienkrankenhaus in Ludwigshafen um eine Weiterbildungsmöglichkeit beworben. Er wurde abgelehnt, sagt er. Das St. Marienkrankenhaus wiederum behauptet auf SWR-Nachfrage, nie eine solche Bewerbung erhalten zu haben. Man bemühe sich immer um Pflegefachkräfte aus dem Ausland, heißt es, und habe auch sehr viele ausländische Ärzte eingestellt, die eine deutsche Approbation haben. Aber die bürokratischen Hürden für eine Einstellung ausländischer Mitarbeiter aus Drittstaaten seien insbesondere in Ludwigshafen geradezu unüberwindbar. Dadurch seien auch schon sehr gute, potentielle Mitarbeitende und Auszubildende abgesprungen. Man habe sogar einen Fall gehabt, wo das Krankenhaus einer exzellenten Bewerberin raten musste, sich bei einem anderen Haus zu bewerben und dafür sogar den Weg gebahnt habe, so eine Krankenhaussprecherin.
Putzen statt Heilen
Heidelinde Sawatzki glaubt hingegen, dass der ukrainische Arzt wegen seiner aktuellen Adresse nirgendwo genommen wird. "Seien wir mal ehrlich, wer sich in Ludwigshafen mit der Adresse "Kropsburgstrasse" oder "Bayreutherstrasse" bewirbt, der kriegt auch einfach nichts!", da ist sich Heidelinde Sawatzki sicher. "Das sind eben nicht wirklich gute Adressen in Ludwigshafen." Daher habe man den 46-Jährigen bei der Mennonitischen Gemeinde in Ludwigshafen auf Minijob-Basis angestellt. Die Ludwigshafener Mennoniten leiten das Friedenshaus, das sich vor allem um die Integration Geflohener bemüht. Hier putzt der Arzt u.a. die Räumlichkeiten der Sprachkurse.
Flüchtling ist nicht gleich Flüchtling
"Wir dachten, wenn wir dem Job-Center zeigen, Herr Dr. Isa hat wenigstens einen Mini-Job, dann unterstützen sie ihn bei der Wohnungssuche und er kommt aus dem Flüchtlingsheim raus. Wir haben gehofft mit einer 'anständigen Adresse' hat er bessere Chancen bei der Suche nach einer Weiterbildungsmöglichkeit. Doch stattdessen hat das Jobcenter ihm erst mal das Bürgergeld um 520 Euro gekürzt. Sonst ist weiter nichts passiert", erzählt Heidelinde Sawatzki kopfschüttelnd. "Das Jobcenter weiß doch gar nicht, wie es mit studierten Leuten, wie Herrn Dr. Isa umgehen soll. Die kehren alle Flüchtlinge über einen Kamm und das kann doch echt nicht sein!", regt sich Heidelinde Sawatzki auf.
Versagen des Jobcenters Ludwigshafen?
Die Ehrenamtliche sagt, sie wisse um die viele Arbeit der Angestellten im Jobcenter; aber Flüchtlinge seien eben nicht gleich Flüchtlinge. Es könne doch nicht sein, dass man sich qualifizierten Leute nicht näher anschaue und Ärzten wie Dr. Isa oder Ingenieuren nicht in den Arbeitsmarkt verhelfe. Heidelinde Sawatzki hat sich dann auch schriftlich an den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gewandt, der ja den "Job-Turbo" bei den Flüchtlingen versprochen hat. "Der hat mir aber nicht mal geantwortet", erzählt Sawatzki sauer.
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Unterdessen saugt Dr. Nader Isa die Seminarräume des Friedenshauses, putzt die Schreibtische und versucht auch sonst, sich nützlich zu machen, wo er kann. Viele Bewohner der Flüchtlingsunterkunft in Ludwigshafen-Mundenheim wissen natürlich, dass der ursprünglich aus Bahrain stammende und in der Ukraine ausgebildete Mann Orthopäde ist und wenden sich an ihn. "Ich zeige dann wenigstens Gymnastikübungen und verweise auf frei verkäufliche Schmerzmedikamente. Viel darf ich aber nicht machen. Meine Arztpapiere sind ja in Deutschland nicht anerkannt. Und ich will keinen Ärger bekommen", erklärt Nader Isa. Stattdessen hilft er den anderen Bewohnern der Flüchtlingsunterkunft in der Ludwigshafener Wattstraße mit Behördengängen und Papierbergen. Denn damit kennt er sich mittlerweile bestens aus.