Das Ausbildungsjahr hat in der Pfalz begonnen und immer noch sind fast 800 Lehrstellen unbesetzt. Um qualifizierte Lehrlinge zu finden, hat das Unternehmen MTS in Rülzheim deswegen eine neue Idee umgesetzt: Hier stellen Azubis die neuen Azubis ein.
Nach wie vor haben Unternehmen große Schwierigkeiten, an Nachwuchs heran zu kommen. Bei Pressegesprächen der IHK Pfalz wurde klar: Der Trend, dass viele Unternehmen ihre Ausbildungsplätze nicht besetzt bekommen, hält an.
Zwar konnten laut IHK Pfalz in diesem Jahr im Vergleich zu 2022 zwölf Prozent mehr Lehrstellen besetzt werden. Aber: Die Hälfte aller Pfälzer Unternehmen geben an, trotz größter Anstrengungen keine Azubis zu finden. So bleiben auch in diesem Jahr 800 Lehrstellen unbesetzt. Zugleich haben zu Beginn des Ausbildungsjahres aber immer noch 540 junge Leute keine Lehrstelle.
Junge Leute wollen lieber studieren
Thorsten Tschirner, Regionalleiter der IHK in Landau, führt dafür mehrere Gründe an: Zum einen gehen die geburtenstarken Jahrgänge mehr und mehr in die Rente. Gleichzeitig kommt nicht genügend Nachwuchs nach.
Zum anderen entscheiden sich immer noch deutlich mehr junge Leute für ein Studium oder dafür, weiter zur Schule zu gehen, als eine Ausbildung anzufangen. Hinzu kommt: Corona hat für massive Bildungslücken gesorgt. Die Bewerber sind oft nicht qualifiziert genug für die Ausbildungsstellen.
"Alle stürzen sich auf die gleichen Berufe"
Thorsten Tschirner würde sich zudem mehr Flexibilität bei der Berufswahl wünschen. Nach wie vor würden sich die Schulabgänger auf die immer gleichen Berufe stürzen: Die jungen Frauen wollen demnach alle in einer Arztpraxis arbeiten, als Friseurin oder Einzelhandelskauffrau. Die jungen Männer möchten am liebsten KFZ-Mechatroniker werden, Verkäufer oder Bürokaufmann. "Dabei gibts jetzt so viele, neue, coole Berufe. Da sollten sich die jungen Leute einfach mehr drauf einlassen", erklärt Tschirner im Gespräch.
Bei MTS in Rülzheim suchen Azubis die Azubis aus
Neue Berufe gibt es zum Beispiel auch bei der Firma "MarkenTechnikService", kurz MTS, im südpfälzischen Rülzheim (Kreis Germersheim). Das mittelständische Unternehmen mit 600 Vollzeit-Beschäftigten produziert Autozubehör, Pflegemittel für Autos aber auch E-Bikes und Elektroinstallationen. Damit junge Leute Lust haben, diese neuen Berufe bei MTS zu erlernen, hat sich das Unternehmen etwas Besonderes ausgedacht: In einem Projekt suchen die Auszubildenden des zweiten Lehrjahres die nächste Auszubildenden-Generation aus.
MTS in Rülzheim: Azubis haben die Hauptverantwortung bei der Auswahl
Vom Sichten der Bewerbungen, über Gestaltung und Durchführung des Assessment-Centers bis hin zur endgültigen Auswahl sind die Azubis hauptverantwortlich. Markus Rohrbacher, stellvertretender Personalleiter bei MTS, erklärt: "Wir schauen da nur noch drüber, ob das auch so passt. Und wir waren bis jetzt mit den Azubis bei der Auswahl immer einer Meinung."
Dass die Auszubildenden das richtige Händchen bei der Auswahl haben, zeigten zudem die Übernahmezahlen: Über 90 Prozent der Auszubildenden bleiben im Unternehmen. Und fast alle seien so gut, dass ihre Ausbildungszeit aufgrund der guten Noten und ihres Engagements verkürzt werden könne.
"Auf die Persönlichkeit der Bewerber kommt es an"
Dieses Jahr ist Thomas Mayer, 22 Jahre alt und im zweiten Ausbildungsjahr mit im Auswahlteam. Er findet es gut, die Verantwortung für die Personalauswahl zu haben. Thomas lernt einen ganz neuen Beruf: Er wird Kaufmann im E-Commerce, das heißt, er ist für den ganzen Online-Handel zuständig, der immer wichtiger für Unternehmen wird.
"Ich finde es cool, in der Ausbildung so ein Projekt übertragen zu bekommen. Jeder sollte mal so eine Erfahrung machen. Bei der Auswahl stehen nicht nur die Schulnoten im Vordergrund oder die Testergebnisse beim Assessment-Center, sondern vor allem die Persönlichkeit der Bewerber. Wir achten darauf, dass jemand begeisterungsfähig ist, Teamgeist hat, bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und motiviert ist. Und natürlich muss er an der Welt des Handels auch Interesse haben", erklärt Thomas.
Azubis loben "Auswahl auf Augenhöhe"
Laura Traxel, ebenfalls 22 Jahre alt, wird Außenhandelskauffrau bei MTS. Sie erinnert sich noch genau daran, wie überrascht sie war, als sie am Bewerbertag auf Gleichaltrige stieß. "Das hat einem sofort die Angst und Nervosität genommen. Das war so auf Augenhöhe. Und als ich dann noch erfuhr, dass ich im zweiten Ausbildungsjahr auch schon Azubis mit auswählen darf, war ich total begeistert", erzählt sie von ihrem Auswahlverfahren.
"Also ich bin auf alle Fälle an dieser Aufgabe gewachsen. Und wir haben durch dieses Auswahlverfahren einen sehr guten Zusammenhalt mit allen. Da spielt es gar keine Rolle, ob jemand eine Ausbildung macht oder ein Duales Studium. Wir sind ein Team! Und das ist sicher auch dem besonderen Auswahlverfahren zu verdanken!"
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