Seit Januar ist eine marode Bahnbrücke für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer gesperrt. Umleitungen bedeuten kilometerlange Umwege. Bürgerinnen und Bürger sind verärgert.
Freinsheim ist ein schönes Städtchen im Kreis Bad Dürkheim mit knapp 5.000 Einwohnern und bei Touristen sehr beliebt. Seit Januar aber ist das schöne Städtchen geteilt wie einst Berlin - in West und Ost. Eine Bahnbrücke, über die täglich etwa 50 Züge in Richtung Grünstadt und Bad Dürkheim fahren, ist für andere Verkehrsteilnehmer gesperrt. Es ist nämlich Gefahr in Verzug: Steinbrocken könnten sich von der uralten Brücke lösen und auf die Köpfe von Fußgängern und Radfahrern oder auf Autodächer fallen. Gar manch einer fühlt sich an die maroden Hochstraßen in Ludwigshafen erinnert. Die Bahnbrücke in der Nähe des Freinsheimer Bahnhofs soll saniert werden, das heißt es sollen Stützen eingebaut werden. Aber passiert ist bisher nichts.
Acht Kilometer mehr zum Einkaufen
Blöd ist das vor allem für die etwa 300 "West-Freinsheimer". Wollen sie mit dem Auto zum Einkaufen in die Supermärkte, zu den Gaststätten in der Altstadt oder wollen sie Bekannte und Verwandte in "Ost-Freinsheim" besuchen, müssen sie einen Umweg von bis zu acht Kilometern fahren. Im Normalfall wären die Ziele alle nur wenige hundert Meter entfernt. Außerdem haben zwei Weingüter und ein Autohaus in '"West-Freinsheim" Probleme, dass ihre Kunden zu ihnen kommen können.
Einer der privaten Betroffenen ist der "West-Freinsheimer" Henning Möller. Zum Einkaufen fährt er nun halt nach Bad Dürkheim, sagt er, das sei ja dann nur etwa sechs Kilometer entfernt und damit zwei Kilometer kürzer als die Umleitung nach "Ost-Freinsheim". Wenn Henning Möller allerdings seine Mutter im Osten mit dem Auto besucht und ihr etwas mitbringt, bleibt ihm nur die lange Umleitung. Wenn er sich zu Fuß oder mit dem Fahrrad dorthin bewegt, gibt es immerhin nur 100 Meter von der gesperrten Bahnbrücke entfernt eine enge Unterführung im Freinsheimer Bahnhof. Diese Unterführung bleibt allerdings das Geheimnis für ortskundige Bürgerinnen und Bürger, weil sie nicht als Umleitung für Fußgänger ausgeschildert ist. Der Durchgang wurde außerdem von pfiffigen Mopedfahrern als illegaler Weg genutzt, so dass auch dort nun rot-weiße Sperren platziert wurden, die nur Fußgänger oder schiebende Radfahrer durchlassen.
Schlechte Laune bei Bürgern in Freinsheim
Henning Möller hat aber nicht nur wegen dieser Unannehmlichkeiten seit Monaten keine gute Laune - wie alle "West-Freinsheimer". Seit 2009 ist er nämlich ein ehrenamtlicher "Bahnpate". Als solcher soll er zwischen Bahn und Bürger vermitteln. Die Tätigkeit gefällt ihm aktuell eher weniger. Denn erstens laden viele "West-Freinsheimer" in Gesprächen ihren Ärger bei ihm ab und zweitens bekommt er von den zuständigen Menschen bei der Bahn keine Informationen, obwohl er ja "Bahnpate" ist. "Ich versuche die Drähte zur Bahn glühen zu lassen" sagt er, "aber man kriegt keine Antworten, die Kommunikation ist eine absolute Fehlanzeige". Damit kritisiert er allerdings auch die Vertreter der Stadt Freinsheim und der Verbandsgemeinde Freinsheim. "Über jede kleine Baustelle wird im Amtsblatt informiert, nur über die große Baustelle an der Bahnbrücke nicht".
Mit diesem Vorwurf muss sich Jochen Weisbrod (CDU) auseinandersetzen. Er ist als Erster Beigeordneter in Freinsheim für den Bereich Verkehr zuständig. "Den Unmut kann ich verstehen, aber die Stadt hat alles getan, um die Baustelle zu beschleunigen". Auch er bemängelt die Kommunikation und die Trägheit bei der Bahn. So sei monatelang tatsächlich außer der Sperrung der Bahnbrücke nichts passiert, kein einziger Bauarbeiter sei zu sehen gewesen.
Deutsche Bahn verspricht "zeitnahe" Lösung
Die Bahn antwortet dem SWR auf Anfrage zu diesem Vorwurf, zunächst müssten Leitungen anders verlegt werden, bevor mit der Brückensanierung begonnen werden könnte. Doch inzwischen berichtet der Beigeordnete Jochen Weisbrod, dass offenbar diese Verlegung nicht nötig ist. Das sei das Ergebnis eines Treffens von Bahn, der Stadt, dem Landesbetrieb Mobilität und der Gas- und Wasserversorger, das in der letzten Woche stattgefunden hat. Weisbrod kritisiert, dass ein solches Treffen viel früher hätte passieren müssen, nun seien drei Monate Zeit sinnlos verloren gegangen. Bei der Besprechung hätte die Bahn aber zugesichert, die Sanierung zeitnah zu beginnen und im Juli zu beenden. "Das sind Aussagen der Bahn, auf die wir uns hoffentlich verlassen können", meint der Beigeordnete. Die Bahn hat nun wiederum angekündigt, auf einer Veranstaltung am 10. Mai um 18 Uhr im Von-Busch-Hof in Freinsheim die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und sich den Fragen zu stellen.
Wegen der Brückensperrung hatten in der Vergangenheit immer wieder Autofahrer versucht, illegale Wirtschaftswege in den Freinsheimer Weinbergen als Abkürzung zu nutzen. Das bedeutete viel Arbeit für die Polizei, die diese Fahrer anhielt und Bußgelder kassierte. Die Wirtschaftswege für eine Zeitlang zu "legalisieren", lehnt der Beigeordnete ab. "Wegen des vielen Traktor-Verkehrs der Winzer ist das gefährlich und ich will die Verantwortung dafür nicht übernehmen", sagt Jochen Weisbrod.
Manch ein Autofahrer hatte sich zunächst beholfen, indem er die rot-weißen Absperrungen beiseite stellte und unter der Bahnbrücke durchfuhr. Doch das geht nicht mehr: inzwischen sichern graue und schwere Betonblöcke die Sperrung. Die Teilung der Stadt in Ost und West für Autofahrer wird zunächst einmal bleiben. Und selbst wenn ab Juli die Brücke saniert wäre und wieder freie Durchfahrt bieten würde - die nächste Sperrung kommt bestimmt. Denn die Bahn hat angekündigt, 2026 die Brücke ab zu reißen und eine neue zu bauen. Spätestens dann heißt es wieder hier "Freinsheim-Ost" und dort "Freinsheim-West".