"Medfluencer" klärt auf

Mit Kindern nicht gleich mit Fieber in die Notaufnahme

Stand
Autor/in
Clara Holzhauser

Ärztemangel, überlastete Notaufnahmen, Kinderkrankheiten: Darüber berichtet der angehende Kinderarzt und Influencer Aaron Pfisterer aus Speyer auf Social Media.

Aaron Pfisterer muss sich beeilen. Gleich beginnt sein Dienst im Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus in Speyer. Hier arbeitet er als Assistenzarzt in der Pädiatrie, der Abteilung, in der Kinder behandelt werden. Gerade ist er noch zu Hause, setzt sich an seinen Schreibtisch und bereitet seinen Social Media Dreh vor. Der 32-Jährige ist nicht nur Mediziner, sondern auch Influencer. Er dreht Videos, in denen er über seinen Beruf spricht und über Kinderkrankheiten redet. 

Ich probiere darüber aufzuklären, dass die Eltern genau wissen, wann darf ich in die Notaufnahme und wann ist es besser, zum Kinderarzt zu gehen.

Falsche Einschätzung von Eltern

Er erzählt, dass viele Notaufnahmen in den Kinderkliniken überlastet seien. Zum einen, weil Eltern die Krankheiten ihrer Kinder nicht richtig einschätzen könnten und unnötigerweise in die Klinik kämen: "Häufig kommen Patienten wegen Fieber oder Schnupfen in die Notaufnahme."

Außerdem glaubt er, dass es Eltern gebe, die wegen ihres Berufs keine Zeit hätten, tagsüber zum Kinderarzt zu gehen und darum abends ihre Kinder in der Klinik durchchecken lassen wollen.

Letzter Ausweg: Notaufnahme

Zusätzlich seien auch die Kinderärzte in den Praxen am Limit. Besonders kritisch: die Situation auf dem Land. Viele ältere Landkinderärzte würden keine Nachfolger finden und müssten ihre Praxen schließen.

"Für alle, die auf dem Land leben und keinen Kinderarzt finden oder eine Stunde fahren müssen, bis sie beim nächsten Kinderarzt sind, ist das schrecklich. Das belastet zusätzlich die Krankenhäuser und dadurch wird die Notaufnahme ein bisschen missbraucht", meint Aaron Pfisterer.

"Notaufnahme muss entlastet werden"

Er knipst sein Ringlicht an und startet die Handy-Aufnahme. Heute dreht er ein Video, in dem er über Windeldermatitis spricht. Das ist eine Entzündung der Haut, die durch feucht-warmes Klima in der Windel ausgelöst wird.

Je aufgeklärter die Eltern sind, desto weniger kämen sie in die Krankenhäuser, sagt er. "Die Notaufnahme muss entlastet werden. In den ganz großen Kinderkliniken werden teilweise am Tag bis zu 80 Kinder durchgeschleust. Man hat da kaum Zeit für die Patienten. Dann werden im schlimmsten Fall auch mal schwerkranke Kinder nicht richtig eingeschätzt und übersehen. Das ist fatal."

Ein Mädchen wird beim Arzt untersucht.

Man merkt ihm an, dass ihn die Situation belastet. Er macht nochmal klar: "Es ist wichtig, dass man die Leute online mitnimmt, aufklärt, dass die Leute Sicherheit bekommen und vielleicht nicht wegen jeder Kleinigkeit in die Notaufnahme rennen."

Akuter Mangel bei Kinder- und Jugendärzten 

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte hat bereits im vergangenen Jahr dringenden Handlungsbedarf gesehen. In den nächsten fünf Jahren werde jeder fünfte Kinderarzt altersbedingt aufhören.

Doch der Nachwuchs fehlt: Zu hoch seien die bürokratischen Hürden, das unternehmerische Risiko und die Arbeitsbelastung. Das schrecke viele ab. Es müssten Anreize geschaffen werden, wie etwa die Möglichkeit, sich als Kinderarzt anstellen zu lassen - ohne die ganze Verantwortung einer eigenen Praxis.

Zuspruch auf Social Media

Aaron Pfisterer bezeichnet sich selbst als medizinischen Influencer. Nach seiner Arbeit im Krankenhaus sitze er jeden Tagen zwischen zwei bis sechs Stunden an Videoprojekten. "Der Schlaf kommt dabei zu kurz, aber das bin ich als Arzt in der Klinik ja gewöhnt," sagt er schulterzuckend und lacht. 

Seine Posts kommen an: Bei Instagram hat sein Kanal "deinkinderarzt" mehr als 150.000 Follower, bei TikTok rund 130.000.

Leben gerettet

Er erzählt, dass ihm einmal eine Mutter geschrieben habe, die dank seiner Informationen das Leben ihres Kindes gerettet hätte: "Das Kind war am Ersticken, weil es eine Nuss gegessen hat und die ist in der Luftröhre gelandet. Und sie wusste dann ganz genau, was zu tun ist. Sie hat die erste Hilfe mit den Schlägen auf den Rücken durchgeführt. So hat sie das Leben von ihrem Kind retten können."

 Leidenschaft für den Arztberuf

Inzwischen hat Aaron Pfisterer sein heutiges Video abgedreht, zieht sich um und fährt zum Dienst ins Krankenhaus. Der Job ist anstrengend, sagt er, aber er könne sich keinen anderen vorstellen: "Es ist eine unglaublich schöne Arbeit. Die Kinder geben so viel zurück. Wir müssen für die Kinder mit Liebe und Leidenschaft da sein, die habe ich in mir."

In der Klinik warten bereits viele kleine Patienten auf Aaron Pfisterer. Es wird eine anstrengende Schicht. "Bei der Arbeit in der Klinik habe ich die 40-Stunden Woche mit Überstunden. Aber wir sind hier ein großes Team und helfen uns viel gegenseitig."

In zwei Jahren will Aaron Pfisterer die Kinderarztpraxis von seinem Vater in Karlsruhe übernehmen.

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