Nach jahrelangem Boom schwächelt die Baubranche, auch in Rheinland-Pfalz. Unternehmen sind insolvent - und reißen zum Teil die Häuslebauer mit in finanzielle Schwierigkeiten.
Sie wollten sich im rheinhessischen Wintersheim ihren Traum vom eigenen Haus erfüllen - Familie Bührer mit ihren zwei kleinen Kindern. Im Januar 2022 kauften sie ein Grundstück und schlossen einen Vertrag mit einem befreundeten Bauunternehmer. Sie zahlten einen Vorschuss von 50.000 Euro und spätere weitere 150.000 Euro. Aber statt vor einem fertigen Eigenheim stehen sie nun vor einer leeren Baugrube - und das Geld ist weg.
Im Januar informierte der Bauunternehmer sie über finanzielle Schwierigkeiten. Inzwischen hat er Insolvenz angemeldet. Die Bührers können nicht weiterbauen, wenn sie ihr Projekt ganz aufgeben, müssten sie sogar noch die drei Meter tiefe Baugrube fachgerecht zurückbauen, was noch einen fünfstelligen Betrag kosten könnte.
Der insolvente Bauunternehmer wollte sich gegenüber dem SWR nicht zu dem Fall äußern. Nach Angaben der betroffenen Familie hat er weitere Gläubiger, die ebenfalls vor unfertigen Bauprojekten stehen. Ob die Bührers jemals auch nur einen Teil des gezahlten Geldes wiedersehen, ist völlig unklar. Sie selbst glauben nicht daran.
Die Bührers haben sich an eine Anwältin gewandt, die auf Baurecht spezialisiert ist. Sie sagt, dass 85 Prozent aller Verträge, die ihr zur Prüfung vorgelegt werden, in Teilen unwirksam sind. Sie rät, sich in jedem Fall vor der Unterschrift juristischen Rat zu holen. Denn hinterher ist es meist zu spät.
Baustopp in einer Neubausiedlung in Neuwied
Ein anderer Fall aus Neuwied: Hier ist der Bauträger gleich mehrerer Objekte in finanziellen Schwierigkeiten. Zehn Eigentümer der Reihenhaus-Anlage, die der Bauträger errichten wollte, stehen vor einer halbfertigen Bauruine. Kein Strom, kein Wasseranschluss - die Wohnungen sind alles andere als bezugsfertig. Für Peter Ganzer ein finanzielles Desaster. Kurz vor der Rente hat er sein Haus verkauft und für 250.000 Euro eine Wohnung in dem Neubau erworben. Dort wollten er und seine Frau schon längst wohnen, aber irgendwann herrschte Stillstand auf der Baustelle. Statt ins neue Eigentum musste Peter Ganzer in eine Ersatzwohnung ziehen, die der Bauträger angemietet hatte.
Der Bauträger in Neuwied erklärt, dass auch er unter gestiegenen Kosten für Baumaterial und höheren Zinsen leidet. "Das zerschlägt fast jede Finanzierung". Die ganze Branche habe zu kämpfen. Ober er ebenfalls Insolvenz anmelden muss, ist noch ungewiss. Kommt es dazu, sieht es auch für die Neuwieder Häuslebauer schlecht aus.
Auch auf vielen anderen Baustellen in Rheinland-Pfalz läuft nichts mehr. Handwerker oder Baufirmen sind insolvent: das Geld, das die Kunden bereits gezahlt haben, ist weg. Dabei wollte die Bundesregierung die Auftraggeber bei Hausbau und Renovierung besser vor Verlusten schützen. Doch passiert ist offenbar wenig.
Mehr Insolvenzen in RLP - vor allem in der Baubranche
In Rheinland-Pfalz haben im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 330 Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt - das waren gut 12 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahrs.
Die daraus vermutlich resultierenden Forderungen der Gläubiger summieren sich in diesem Zeitraum auf einen Höchstwert der vergangenen zehn Jahre - mehr als eine halbe Milliarde Euro.
Die meisten Insolvenzanträge stellten Unternehmen aus dem Baugewerbe, die Zahl ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 70 Prozent gestiegen. Von Januar bis Juli meldeten 82 Unternehmen der Branche Insolvenz an.
Krise der Baubranche spitzt sich noch zu
Und nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten ist der Höhepunkt der Krise am Bau noch nicht erreicht. Laut Münchner ifo-Institut werden derzeit so viele Wohnungsbauprojekte abgesagt wie noch nie. Mehr als jedes fünfte befragte Wohnungsbauunternehmen berichtete im August von Stornierungen, so der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Seit Beginn der Erhebungen haben wir noch nichts Vergleichbares beobachtet".
Viele Projekte, die Anfang 2022 geplant wurden, seien inzwischen nicht mehr rentabel, so Wohlrabe. Gründe dafür seien die rasant gestiegenen Baukosten und Zinsen, aber auch eine geringere Förderung für Bauprojekte, die die immer schärfer werdenden Energiesparvorgaben nicht erfüllen.
Die Krise im Wohnungsbau könnte sich sogar noch weiter zuspitzen. Für das kommende halbe Jahr erwarten die befragten Bauunternehmen, dass die Geschäfte weiter zurückgehen. Schon jetzt berichtet fast jedes zweite von ihnen über einen Auftragsmangel. Fast 12 Prozent der Unternehmen meldet Finanzierungsschwierigkeiten. Das sei der höchste Wert seit 30 Jahren, so Wohlrabe.
Lage am Bau auch in RLP "besorgniserregend"
Die Handwerkskammer der Pfalz nennt die Lage der Baubranche im Land "besorgniserregend“. Landesweit müssen immer mehr Unternehmen Insolvenz anmelden. Zwar ginge es etwa noch Elektrikern oder Heizungsbauern gut, weil sie von der Energiewende profitierten. Andere Gewerke, etwa im Hoch- und Innenausbau hätten aber sehr zu kämpfen. Viele Kunden leiden unter gestiegenen Zinsen, gestiegenen Materialkosten und der hohen Inflation und müssten dementsprechend sparen. Das zeige sich auch am Rückgang der Zahl der Baugenehmigungen. Die Auftragsbücher der Unternehmen seien immer leerer, so die HWK.
Hausbau mit möglichst wenig Risiko planen
Was also tun, um sich vor unliebsamen Überraschungen bei der Baufinanzierung zu schützen? Die Verbraucherzentrale rät, unbedingt schon im Vorfeld Experten zu Rate zu ziehen und die Finanzierung genau zu planen.
Tipps der Verbraucherzentrale zur Immobilienfinanzierung
Auch über die verschiedenen Möglichkeiten, ein Bauprojekt organisatorisch zu planen, sollte man ausführliche Beratung einholen.
Verbraucherzentrale RLP Beratung über Baurecht
Im Bundesjustizministerium wird offenbar zumindest über mehr Verbraucherschutz bei Bauvorhaben nachgedacht. Man arbeite an einer Reform des zugrunde liegenden Rechts, hieß es auf SWR-Anfrage. Ziel sei auch, "eine verbesserte Absicherung des Erwerbers in der Insolvenz des Bauträgers". Denkbar wäre zum Beispiel , dass die Bauunternehmer verpflichtend eine Versicherung gegen eine eigene Insolvenz abschließen müssten.