Seit 2021 wird Hassrede im Netz zentral von der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz verfolgt. Leiter Christopher do Paco Quesado spricht im SWR-Interview über Schwierigkeiten und Erfolge.
SWR Aktuell: Warum ist die Verfolgung von Hassbotschaften im Netz so schwierig?
Christopher do Paco Quesado: Die Probleme, vor denen wir stehen, sind in erster Linie die, dass wir in Deutschland noch keine verbindlichen Regelungen haben, die einen Anbieter wie zum Beispiel Facebook oder Youtube dazu verpflichten, einer deutschen Behörde unmittelbar nach deutschem Recht Auskunft zu erteilen. Die Anbieter berufen sich teilweise auf amerikanisches Recht und argumentieren, dass eine Äußerung dort eine freie Meinungsäußerung darstellt. Sie verweigern mit dieser Begründung eine Auskunftserteilung.
Sie verweisen dann auf den Rechtshilfeweg mit den Vereinigten Staaten, der für uns äußerst schwierig zu begehen ist. Da sind beispielsweise hohe Übersetzungskosten damit verbunden, die häufig unverhältnismäßig sind. Außerdem führt der Weg meistens auch nicht zum Erfolg, weil das amerikanische Recht eben eine entsprechende Äußerung auch nicht unter Strafe stellt.
SWR Aktuell: Was hat sich seit der Einführung der Spezialstelle im Jahr 2021 aus Ihrer Sicht verbessert?
Christopher do Paco Quesado: Es ist auf jeden Fall besser geworden insoweit, als dass die Anbieter einen elektronischen Auskunftsprozess mit der Polizei installiert haben. Die Auskünfte über die bei den Anbietern gespeicherten Daten erfolgt, wenn sie erteilt wird, teilweise sehr schnell. Manchmal innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen.
Außerdem haben wir mittlerweile beim Bundeskriminalamt oder auch bei den Landeskriminalämtern spezialisierte Beamte, die sich mit dem Thema auskennen. Diese Beamten wissen, was sie tun müssen und haben auch ihre Kontaktpersonen bei den Anbietern. Das vereinfacht die Zusammenarbeit natürlich sehr und führt inzwischen in vielen Fällen zum Erfolg.
Auch die Staatsanwaltschaften haben sich bundesweit vernetzt und Ansprechpartner für den Bereich Hatespeech benannt. Diese tauschen sich regelmäßig über neue Erkenntnisse oder über Rechtsfragen aus und stellen neue gerichtliche Entscheidungen aus ihrem Bezirk den anderen Staatsanwaltschaften zur Verfügung.
Außerdem werden auch über die Landeskriminalämter regelmäßig sogenannte Action-Days abgesprochen, an denen in möglichst vielen Bundesländern zeitgleich gegen Hatespeech vorgegangen wird. Im Zusammenhang mit der Welle von Hasskommentaren nach der Ermordung der beiden Polizeibeamten in Kusel haben wir beispielsweise einen solchen Action-Day koordiniert.
SWR Aktuell: Werden solche Hasskommentare inzwischen denn auch häufiger gefunden und Ihnen gemeldet?
Christopher do Paco Quesado: Allein 2022 haben wir knapp 700 Fälle von Hatespeech im Internet verfolgt. Das zeigt ja schon das Bewusstsein, das sich da entwickelt hat. Es gibt inzwischen viele Anlauf- und Beratungsstellen, an die sich Opfer von Hatespeech wenden können und die dann auch Hilfe bei der Erstattung einer Strafanzeige leisten. Außerdem erstatten auch die Landesmedienanstalten in vielen Fällen Strafanzeige. Daneben gibt es aber auch regelrechte Internetpatrouillen, die soziale Netzwerke auf Hasskommentare durchsuchen.
Beleidigungen, Drohungen und Anfeindungen Immer mehr Hasskommentare gegen die Landesmedienanstalt
Die Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz hat ein Problem: Immer öfter werden die Beschäftigten im Internet beleidigt und massiv bedroht, sobald sie private Medien kontrollieren.
Wir beschränken uns bei den Ermittlungen auch nicht auf den einzelnen Post, sondern werten in der Regel das gesamte Profil aus, von dem aus der Kommentar veröffentlicht wurde. So werden nicht nur weitere strafbare Äußerungen entdeckt, sondern häufig führen diese Ermittlungen auch zu Hinweisen auf die tatsächliche Identität des Nutzers, der sich hinter einem Fantasienamen im Netz zu verstecken versucht.
Bei schweren Fällen - wie beispielsweise Aufrufen zu Gewalt gegen Minderheiten oder schweren Fällen der Leugnung des Holocausts - setzen wir auch andere, verdeckte Maßnahmen ein, um die Täter zu identifizieren. Voraussetzung ist, dass diese Maßnahmen rechtlich zulässig und im Einzelfall auch verhältnismäßig sind. In solchen Fällen verlassen wir uns nicht allein auf die Auskünfte der Internetdienste. So erfolgt letztlich eine konsequente und möglichst effektive Strafverfolgung.
SWR Aktuell: Was muss aus Ihrer Sicht passieren, damit die Verfolgung in Zukunft besser funktioniert?
Christopher do Paco Quesado: Unsere Hoffnung ist, dass einheitliche europäische Regelungen getroffen werden, die es ermöglichen, dass die jeweiligen Anbieter gegenüber den nationalen Behörden verpflichtet sind, Auskunft zu erteilen. So, wie es zum Beispiel bei einem normalen Zeugen in Deutschland wäre. Das würde bedeuten, dass sich mutmaßliche Täter nicht auf ausländische Rechtsordnungen berufen könnten, die uns nach deutschem Recht die Strafverfolgung nicht ermöglichen.
Das Interview führte SWR Aktuell Reporter Christian Giese-Kessler.
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