Damit Menschen, die alleine nicht mehr zurecht kommen, nicht aus der Dorfgemeinschaft herausgerissen werden, hat die Gemeinde Merkelbach eine Senioren-WG ins Leben gerufen.
Anneliese Dehner wohnt seit 2023 im Marjann's Haus in Merkelbach. Zusammen mit ihrem Mann war sie von St. Augustin in eine Seniorenresidenz im Westerwald gezogen. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie dort noch zwei weitere Jahre. Dann entschloss sie sich noch einmal umzuziehen. Nach Merkelbach.
"Ich bin hier ganz toll gelandet und bin froh, dass ich hier bin." Mit ihren 88 Jahren sei der Umzug ein Wagnis gewesen, sagt Anneliese Dehner. Jetzt sei sie aber froh, dass sie es gemacht habe. Ihr gefällt das Konzept: Eine kleine Wohngemeinschaft mit insgesamt acht Bewohnern - das sei viel familiärer als in einem großen Pflegeheim: "Wir sind hier Menschen und nicht nur Nummern."
Ehemaliges Bauernhaus wurde zur Senioren-WG umgebaut
Das Marjann's Haus war früher ein Bauernhaus. 2014 wurde es seniorengerecht umgebaut. Mit breiten Durchgängen und einem Aufzug, sodass die Bewohner sich auch mit Gehhilfe oder Rollstuhl problemlos darin bewegen können. Jedes Zimmer hat ein eigenes Bad und kann von den Bewohnern wunschgemäß eingerichtet werden. Ein Pflegedienst ist dauerhaft anwesend, kocht, putzt und kümmert sich um die Bewohner, je nach Pflegebedarf.
Seit September wohnt auch Liesel Brill in einem der acht Zimmer. Sie kommt eigentlich aus einem Nachbardorf. Kontakt zur WG bekam sie über ihren Pflegedienst. Ihre Pflegerin, die auch im Marjann's Haus arbeitet, habe sie eines Tages einfach mal zum Kaffee trinken mit dorthin genommen. Sie habe gleich ein gutes Gefühl gehabt, sagt Liesel Brill.
Wohngemeinschaft ist selbstverwaltet
Solche Vorstellungsbesuche sind in der Wohngemeinschaft üblich. Die Bewohner und ihre Angehörigen wollen die Neuen erst kennenlernen. Schließlich entscheiden sie selbst, wer einziehen darf. Denn die WG ist selbstverwaltet.
Jeder Bewohner schließt einen Mietvertrag mit dem Besitzer des Gebäudes und einen pauschalen Vertrag mit dem Pflegedienst. Ein dritter Vertrag beinhaltet einen kleineren Geldbetrag, der Kosten für Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs deckt. Darum kümmert sich der ehemalige Ortsbürgermeister Edgar Schneider (SPD) ehrenamtlich. Die Bewohner schreiben Einkaufslisten. Was im Dorfladen vorhanden ist, wird dort gekauft, der Rest wird im nahen Hachenburg besorgt, sagt Edgar Schneider. Davon profitiere auch der Dorfladen, der von einem Verein betrieben wird.
CDU im Landtag warnt vor Pflegenotstand Arm durch Pflege - immer höhere Kosten in Altenheimen in RLP
Steigende Pflegekosten bringen Menschen in Rheinland-Pfalz zunehmend an ihre finanziellen Grenzen. Der monatliche Eigenanteil in Heimen liegt im Schnitt bei 2.543 Euro. Jetzt stehen noch weitere Steigerungen an.
Die Gesamtkosten für einen WG-Platz liegen laut Schneider unter zweitausend Euro im Monat. Der ehemalige Bürgermeister erklärt, dass ein Teil der Kosten von der Pflegeversicherung übernommen werde. Zudem hätten die Bewohner auch Anspruch auf den Wohngruppenzuschlag in Höhe von monatlich 214 Euro. Das ist im Vergleich zu den Kosten in vielen Senioreneinrichtungen ziemlich günstig.
Merkelbacher Bürger setzten sich für Wohngemeinschaft ein
Dass es die Wohngemeinschaft gibt, ist vor allem dem großen ehrenamtlichen Engagement der Merkelbacher Bürger zu verdanken. Wie das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung mitteilt, konnte die WG "dadurch in kurzer Zeitspanne bezugsfertig werden". Das Landesamt hatte die Gemeinde mit seinem Programm WohnPunkt RLP bei der Umsetzung beraten und unterstützt. Ein Projekt wie das Marjann's Haus umzusetzen, ist demnach äußerst komplex und mit vielen einzelnen Schritten verbunden.
Darum verlaufen nach Angaben des Landesamts auch nicht alle Projekte von WohnPunkt RLP gleichermaßen erfolgreich. Bislang seien in den sechzig teilnehmenden Kommunen elf Gebäude errichtet worden. Es seien Absprachen mit Dienstleistern und Investoren nötig, Fördermöglichkeiten müssten geprüft und vermittelt werden und Beschlüsse von politischen Gremien gefasst werden. Und es komme auch auf das ehrenamtliche Engagement von Vereinen und Menschen vor Ort an, so das Landesamt.
Um an Fördergelder zu kommen, ist viel Bürokratie nötig
In Merkelbach hat all das gut funktioniert. Die Idee zu der Wohngemeinschaft sei 2011 im Rahmen des Dorferneuerungsprogramms aufgekommen, erklärt Edgar Schneider. Schnell sei eine geeignete Immobilie gefunden und der Besitzer überzeugt worden, das Haus umzubauen und an die Senioren zu vermieten.
Dafür mussten aber zunächst Fördergelder beantragt werden, sagt der damalige Ortsbürgermeister: "Man muss wissen, wo das Geld zu holen ist." Da sei die Beratung des Landes sehr hilfreich gewesen. Die Verbandsgemeinde Hachenburg und der Westerwaldkreis hätten zudem geholfen, die Förderanträge auszufüllen. Nach Schneiders Ansicht wäre der Hausbesitzer alleine mit dieser Bürokratie wohl überfordert gewesen.
Schneider: Marjann's Haus ist vorteilhaft für das ganze Dorf
Edgar Schneider findet, dass sich die Mühe gelohnt hat: "Es ist auch für das Image des Dorfes von Vorteil". Die Dorfgemeinschaft habe gemeinsam ein neues Zuhause für Senioren aus Merkelbach und Umgebung geschaffen. Das weiß auch Anneliese Dehner zu schätzen. Sie sei froh, dass sie in das Marjann's Haus gekommen sei: "Ich bleibe hier bis ich sterbe. Und ich hoffe, es dauert noch ein bisschen", sagt sie lachend.
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