Lange wurde in Bruttig und Treis über die dunkle NS-Zeit geschwiegen: Zwangsarbeit in den dortigen KZ-Lagern. In der Gedenkarbeit wollte man inzwischen schon weiter sein.
Die Geschichte der großen Konzentrations- und Vernichtungslager der NS-Zeit wie Auschwitz, Dachau und Buchenwald ist gut dokumentiert. Viel weniger bekannt ist dagegen, dass es in den letzten Kriegsjahren mehr als 1.000 sogenannte KZ-Außenlager gab. Einige wurden auch in Rheinland-Pfalz errichtet - so auch das KZ-Außenlager Cochem an der Mosel mit seinen beiden Lagern in Bruttig und Treis.
Bis in die 80er Jahre war über die Lager an der Mosel wenig bekannt. Dann machte sich der Buchhändler und Autor Ernst Heimes daran, die grausame Geschichte der Orte aufzudecken. Viele Jahre hat er in Archiven und Dokumentationsstätten recherchiert und trifft bis heute immer wieder Zeitzeugen - wie den Bruttiger Karl Welches, der das KZ-Außenlager als achtjähriger Junge in Bruttig in seiner unmittelbaren Nachbarschaft hatte.
Eine Arbeitsgruppe hatte empfohlen, einen Gedenkpfad in die Trägerschaft des Kreises und/oder der Verbandsgemeinde zu stellen. Nach Angaben des Referats Gedenkarbeit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz sei zwischenzeitlich jedoch noch nichts Neues vor Ort umgesetzt worden, was im Gelände nachvollziehbar sei. Ergänzend zu dem "Weg der Erinnerung“ sei eine Webseite von Uni und Hochschule Trier geplant. Diese solle eine digitale Vernetzung der verschiedenen Orte ermöglichen.
Verzögerung durch Corona
Das Projekt hatte sich wegen der Einschränkungen im Corona-Jahr 2020 allerdings verzögert, sagte Verbandsgemeindebürgermeister Wolfgang Lambertz. Er hoffe aber, dass der "Weg der Erinnerung" im kommenden Jahr realisiert werden könne: "Lange Zeit fehlte aufgearbeitetes, wissenschaftlich fundiertes Fachwissen über das Außenlager. Nach meinem Eindruck ist dies nun greifbarer geworden. Dies fördert die lokale Gedenkarbeit. Darüber sind wir sehr dankbar," teilte Lambertz mit.Pläne für die Gedenkarbeit in Bruttig und Treis.
Kaum Spuren der grausamen Vergangenheit
76 Jahre nach Kriegsende gibt es nach wie vor in den Orten Cochem, Bruttig und Treis nur wenig sichtbares Gedenken an das KZ-Außenlager. Der Kreis Cochem-Zell und die Verbandsgemeinde Cochem haben allerdings inzwischen zusammen mit der Landeszentrale für Politische Bildung ein Konzept für die Gedenkarbeit an der Mosel erarbeitet.
Eine Arbeitsgruppe erstellte die Pläne und machte dabei 16 Orte von "besonderer historischer Bedeutung" aus. Die Idee: Ein "Weg der Erinnerung" soll diese Orte des KZ-Außenlagers in einen Zusammenhang stellen. Mit einheitlichen Schautafeln sollen die Geschehnisse des Jahres 1944 vor Ort erklärt, miteinander verbunden und nachempfindbar werden. Bei der konkreten Umsetzung sollen auch die Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen werden.
Die historischen Orte und teilweise noch vorhandenen Punkte und Gebäude liegen weit auseinander. Deshalb könnten Besucherinnen und Besucher sie nicht alle auf einmal zu Fuß abgehen, so wie es an anderen Gedenk-Orten möglich sei. Ein einheitliches Design an allen Orten und Gedenkpunkten solle diese deshalb miteinander in Bezug setzen und so ermöglichen, den Gesamtzusammenhang ortsunabhängig aufzuarbeiten.
Aus KZ-Baracken wurden Wohnhäuser
Heute ist nur noch wenig übrig, was an das Jahr 1944 erinnert. Der Tunnel-Zugang wurde auf beiden Seiten zwei Jahre nach Kriegsende von den französischen Besatzern gesprengt. Das Lager in Treis wurde später abgerissen. Einige der ehemaligen Baracken in Bruttig werden mittlerweile als Wohnhäuser genutzt.
Die zentrale Baracke des Lagers - damals auch Speisesaal genannt - steht allerdings heute noch mitten im Ort. Dort wohnt auch Karl Welches bis heute. In einem ausführlichen Interview hat der Zeitzeuge 76 Jahre später über seine Erinnerungen gesprochen.
Das Rüstungsprojekt A7 - Zwangsarbeit im Tunnel
Das KZ Cochem (damals Kochem) wurde im März 1944 als Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof im Elsass errichtet. Die eigentlichen Lager befanden sich jeweils am Rand der beiden Ortschaften Bruttig und Treis. Zwischen den beiden Orten verlief ein ungenutzter Eisenbahntunnel, den die Nationalsozialisten zu einer unterirdischen Rüstungsfabrik ausbauen wollten.
An dem Projekt A7 arbeiteten viele Zivilisten wie Handwerker und Architekten. Für die schweren Arbeiten wurden aber vor allem Zwangsarbeiter eingesetzt - in erster Linie politische Häftlinge oder Kriegsgefangene. Sie waren in den Lagern an der Mosel bis zum abrupten Ende des Bau-Projekts Mitte September 1944 Hunger, Erschöpfung und Misshandlungen ausgesetzt.
Buch: Bevor das Vergessen beginnt
Das erste Buch über das KZ-Außenlager Cochem "Ich habe immer nur den Zaun gesehen" brachte Autor Ernst Heimes bereits 1992 heraus. Darin informierte er erstmals umfassend über die Mosellager und erinnerte an ein fast vergessenes Kapitel der regionalen Geschichte. In dem Buch schreibt der Cochemer Autor aber auch darüber, wie schwierig seine Recherchen in den 80er Jahren waren und auf welche Widerstände er damals immer wieder traf.
In seinem zweiten Buch über die Lager in Bruttig und Treis hat Heimes, neben weiteren Berichten von Opfern, auch seine Recherchen zu den Tätern veröffentlicht. Er geht darauf ein, was mit den SS-Lagerführern und den Gestapo-Chefs nach Kriegsende geschah und beschreibt die gerichtliche Aufarbeitung einer Hinrichtung im Juni 1944, bei der 13 KZ-Häftlinge getötet wurden.