Kitas und Kommunen überlastet

Kita-Krise? So sieht es im Norden von Rheinland-Pfalz aus

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Autor/in
Sandra Thyssen
Bild von Multimediareporterin Sandra Thyssen aus dem SWR-Regionalstudio Koblenz

Fachkräftemangel und fehlende Betreuungsplätze machen Kitas und Kommunen im nördlichen Rheinland-Pfalz zu schaffen. Offenbar ein Grund: das Kita-Zukunftsgesetz.

In der Verbandsgemeinde Kaisersesch im Kreis Cochem-Zell fehlen nach Angaben von Verbandsbürgermeister Albert Jung (parteilos) 140 Kindergartenplätze. Die Entwicklung der Geburtenzahlen führe zu einem steigenden Platzbedarf.

Aufgrund der bestehenden Nachfrage nach Kita-Plätzen sei es unausweichlich, neue Plätze zu schaffen, sagte Jung. Allerdings sei der Investitionsaufwand immens. Außerdem sei es wegen des Fachkräftemangels immer schwieriger, Personal zu finden und neue Stellen zu besetzen.

Springerkräfte in Kitas nicht überall beliebt und attraktiv

Die Katholische KiTa gGmbH Koblenz, die unter anderem Kitas in Koblenz, im Kreis Ahrweiler und dem Rhein-Hunsrück-Kreis betreibt, setzt nach eigener Auskunft übergeordnete Springerkräfte in begrenzter Anzahl ein, um kurzfristige Vakanzen in den Einrichtungen aufzufangen. Diese könnten aber nicht das grundlegende Problem des Fachkräftemangels ausgleichen, sagte Eva Schlaf, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

Die Stellen seien aufgrund der wechselnden Einsatzorte häufig weniger attraktiv für pädagogische Fachkräfte und schwerer zu besetzen. "Grundsätzlich sind für Kinder stabile Beziehungen und daher auch konstante Bezugspersonen in den Kitas wichtig", sagte Schlaf. Zudem ist es ihrer Meinung nach auch für Eltern wichtig, dass sie die pädagogischen Fachkräfte kennen.

In der Verbandgemeinde Hamm-Sieg wird das "Springermodell" ebenfalls als häufig unattraktiv gesehen, teilte die Verbandsgemeinde mit. Personalausfälle ließen sich daher nur schwer beheben. In der Verbandsgemeinde Westerburg fehlen nach eigener Auskunft bis zu acht Fachkräfte in den Kitas. Aktuell könnten nicht alle Kita-Plätze im gewünschten Stundenumfang abgedeckt werden.

Positiv-Beispiel Stadt Andernach

In Andernach hat man hingegen gute Erfahrungen mit Springer-Kräften gemacht. Wenn in einer der insgesamt zwölf Kitas oder dem Hort eine Erzieherin oder ein Erzieher ausfielen, würde Personal aus einer anderen Kita einspringen - egal aus welchem Stadtteil. Das funktioniere gut, sagt Pressesprecher Christoph Maurer.

Auch die Gesamt-Situation bei den Kitas sieht nach Angaben der Stadt in Andernach besser aus als andernorts. Demnach gibt es ausreichend Erzieher und genug Kita-Plätze. Im vergangenen Jahr sei eine neue Kita eröffnet worden. Jedes Kind bekomme in Andernach einen Kindergartenplatz, so Pressesprecher Christoph Maurer.

Lange Wartelisten in vielen Kitas

In den Verbandsgemeinden Aar-Einrich, Bad Breisig und Wissen fehlten hingegen aktuell Betreuungsplätze, daher gebe es in den meisten Kindertagesstätten Wartelisten. In der Verbandsgemeinde Bad Ems-Nassau kann nach eigenen Angaben in einer Kindertagesstätte eine Gruppe mit 20 Plätzen aufgrund des Personalmangels nicht besetzt werden. Derzeit liefen dafür explizit Stellenausschreibungen.

Für die Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld zieht das im Juli vergangenen Jahres in Kraft getretene Kita-Zukunftsgesetz nach eigenen Angaben hohe finanzielle Belastungen nach sich. Eine deshalb neu-geschaffene Kita habe ein Investitionsvolumen von rund 2,7 Millionen Euro. Land und Kreis würden rund 950.000 Euro der Kosten übernehmen, teilte die Verbandsgemeindeverwaltung mit. Die übrigen Kosten seien von ihnen als Träger alleine zu stemmen.

VG Kaisersesch wünscht sich mehr Unterstützung vom Land

In nahezu allen Kitas in der Verbandsgemeinde Kaisersesch bestehe Anbaubedarf, teilte Verbandsbürgermeister Albert Jung mit. Das liegt nach seiner Auskunft auch an den gestiegenen Anforderungen durch die Aufnahme von U2-Kindern, die das Kita-Zukunftsgesetz mit sich gebracht haben.

"Uns fällt es schwer, das als Kommune alleine aufzufangen. Da würde ich mir mehr Entgegenkommen des Landes wünschen."

Die Aufnahme von unter Dreijährigen, unter Zweijährigen und Einjährigen, sieben Stunden Betreuungszeit inklusive Mittagessen - das seien alles gesetzliche Rahmenbedingungen, die vom Land diktiert würden. Ihnen als Kommune falle es schwer, das alleine aufzufangen. Jung wünscht sich nach eigener Auskunft mehr Entgegenkommen vom Land.

Kita-Verband in Boppard: "Es ist wirklich ein Trauerspiel"

Claudia Theobald vom Verband KiTa-Fachkräfte Rheinland-Pfalz in Boppard sagte, der Fachkräftemangel im Kita-Bereich sei ein bundesweites Problem und beschränke sich nicht auf Rheinland-Pfalz. In unserem Bundesland sei die Lage aber besonders angespannt, weil 2021 das neue Kita-Gesetz in Kraft getreten sei. Seitdem sei es ein Trauerspiel. Auch regulär besetzte Kitas können dies nach ihrer Meinung mit dem vorgegebenen Personalschlüssel kaum bewältigen.

Höhr-Grenzhausen

Wegen Krankheit und Fachkräftemangels Kitas in Verbandsgemeinde Höhr-Grenzhausen sind völlig überlastet

Weil Mitarbeitende krankheitsbedingt fehlen, müssen die Kitas zum Teil schließen oder Notbetreuung anbieten.

Am Nachmittag SWR4 Rheinland-Pfalz

Hoffnung mache ihr, dass die Misere mittlerweile breit diskutiert werde und die Gesellschaft merke, dass Kitas systemrelevant seien. "Wenn Kinder das Wichtigste sind, was wir haben, müssen wir ihnen einen kindgerechten Kita-Alltag finanzieren", sagte Theobald. Die aktuellen Probleme kämen ja nicht über Nacht, sondern hätten sich über Jahre hinweg aufgetürmt.

"Wir stecken mitten in der Kita-Krise."

Nach Angaben von Dr. Karl-Heinz Frieden, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Gemeinde- und Städtebundes, stecken wir mitten in der Kita-Krise. Immer mehr Eltern möchten oder müssten auf eine Kindertagesbetreuung zurückgreifen. Sowohl die Anzahl der Kinder als auch die Betreuungszeiten nehmen zu.  

Laut Erhebungen der Bertelsmann-Stiftung fehlen im Land schon jetzt mindestens 26.000 Kita-Plätze, teilte Frieden mit. Gleichzeitig fehlten in vielen Betreuungseinrichtungen Erzieherinnen und Erzieher. Laut Landesregierung sind mit dem neuen Kita-Gesetz neue Stellen geschaffen worden. Das reine Schaffen von Stellen sei allerdings nicht ausreichend, es bedürfe auch qualifizierter Fachkräfte, die diese Stellen besetzten, so Frieden.

Ministerium für Bildung hält an Kita-Gesetz fest

Madeleine Reccius, Sprecherin des Bildungsministeriums, sagte: "Mit dem Kita-Gesetz sorgen wir für gleich gute Bedingungen überall in Rheinland-Pfalz. Dabei ist uns vollkommen bewusst, dass dieser Prozess dauern wird und auch immer wieder mit Herausforderungen vor Ort verbunden ist."

Es sei zwar insbesondere im Bereich der unter Dreijährigen noch nicht überall gelungen, ausreichend Kita-Plätze zur Verfügung zu stellen. Durch das neue Gesetz werde aber nun verstärkt sichtbar, wo noch Bedarf bestehe. Das Gesetz habe auch schon positive Entwicklungen gezeigt: Seit 2021 seien 1.600 neue Stellen geschaffen worden. Wie viele davon tatsächlich besetzt sind, sei nicht bekannt. Über 900 Millionen Euro gebe das Land in diesem Jahr dafür aus, die Kommunen bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, so Reccius.

Auch um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, werde investiert. Beispielsweise habe man in den vergangenen zehn Jahren die Ausbildungskapazitäten an den Fachschulen ausgebaut. Aktuell befinden sich nach Auskunft des Ministeriums knapp 6.000 Personen in der Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher. Das seien rund 20 Prozent mehr Schüler und Schülerinnen als noch vor zehn Jahren.

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