Der Landesarchäologe, der etwa 40 wichtige Funde falsch datiert haben soll, weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Gespräch mit dem SWR zurück. Damit widerspricht er der Darstellung des Ministeriums.
Der beschuldigte Archäologe macht der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) schwere Vorwürfe und spricht von einer "Schmutzkampagne" gegen ihn. Die Behörde wirft dem Mitarbeiter vor, rund 40 Knochen falsch datiert zu haben. Unter anderem sei der Schädelknochen eines angeblichen Neandertalers, der in den 90er Jahren bei Ochtendung entdeckt wurde, etwa 160.000 bis 170.000 Jahre jünger als angegeben.
Französische Anthropologin untersuchte Schädel von Ochtendung
Der Archäologe hält weiter an seiner Darstellung fest, die Funde korrekt datiert zu haben: "Aufgrund der Fundlage ist es ganz klar, dass es aus der Zeit der Neandertaler ist", sagte er gegenüber dem SWR zu dem Fund aus Ochtendung. Um sicher zu gehen, habe eine französische Anthropologin den Schädel morphologisch untersucht, also anhand seiner Form und seiner Struktur analysiert. Bilder, die dem SWR vorliegen, zeigen die Forscherin mit dem Archäologen und dem Schädel.
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Chemische Untersuchung des "Neandertaler-Schädels"
Eine chemische Untersuchung, wie sie nun die GDKE hat durchführen lassen, sei hingegen nicht möglich, so der Archäologe. Denn um Abgüsse von dem Schädelknochen zu machen, musste er gehärtet werden, erzählt er. "Das haben wir mit Knochenleim gehärtet, das ist ein organisches Material." Der Schädel sei zur Stabilisierung mit diesem Knochenleim getränkt und dadurch kontaminiert worden.
Bei einer chemischen Untersuchung könne man nicht unterscheiden, ob es sich um Leim oder Knochen handele, so der Archäologe. "Wenn sie ein Stück haben, das 27 Jahre alt ist, was getränkt ist, was abgeformt wurde und durch so viele Hände ging, ist ja ganz klar, dass das Datum nicht stimmen kann."
Knochenleim kann Altersbestimmung erschweren
Andere Labore bestätigen dem SWR die Aussage, dass Knochenleim eine genaue Altersbestimmung von Knochen oft sehr schwierig mache. Die Knochen würden damit verunreinigt. In der Analyse müsse zwischen Knochenleim und dem eigentlichen Knochen unterschieden werden. Das sei in vielen Fällen eine große Herausforderung, aber nicht immer unmöglich.
Das Ministerium widerspricht dem Vorwurf des Archäologen, den Knochen falsch untersucht zu haben. Eine Kontamination mit Knochenleim könne ausgeschlossen werden. Es seien auch Proben vom Leim untersucht worden. "Diese ergaben wegen im Leim enthaltener petrochemischer Bestandteile ein wesentlich älteres Datum als der Schädel selbst", schreibt das Ministerium auf Anfrage.
Wann der Archäologe zu den Vorwürfen gehört wurde, teilte das Ministerium nicht mit. Gegenüber dem SWR erzählt er, er habe aus der Presse davon erfahren und sei nicht vorher angehört worden.
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Prüfung bei Behörde noch nicht abgeschlossen
Auch die französische Anthropologin, die über den Fund geschrieben hatte, äußerte sich auf SWR-Anfrage zu dem Fall. Sie habe die Knochen nicht datiert. Vielmehr sei es ihre Aufgabe gewesen, sie anhand anatomischer Merkmale einzuordnen und eine Wahrscheinlichkeit anzugeben, dass sie eher zu einer bestimmten Gruppe gehörten als zu einer anderen. Sie sagt, sie sei durch das vermeintlich hohe Alter in die Irre geführt worden.
Innerhalb der Generaldirektion Kulturelles Erbe gibt es nach SWR-Recherchen Stimmen, die der Version des beschuldigten Archäologen aber folgen. Auch sie sprechen von einer Schmutzkampagne gegen einen angesehenen Kollegen. Es steht also Aussage gegen Aussage. Die Prüfung bei der Behörde ist bisher noch nicht abgeschlossen.
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